Als der Polestar 2 startete, war er einer der ersten ernstzunehmenden Herausforderer für das Tesla Model 3. Mit skandinavischem Design, hochwertiger Verarbeitung und Google Automotive an Bord bot er eine stilvolle Alternative. Doch in Sachen Effizienz und Fahrdynamik (insbesondere bei den Frontantriebs-Basismodellen) hinkte er hinterher. Mit dem großen technischen Update für das Modelljahr 2024 (und fortgeführt in 2025) hat Polestar radikal nachgebessert: Größere Akkus, mehr Leistung, schnelleres Laden und – als Paukenschlag – der Wechsel von Front- auf Heckantrieb bei den Single-Motor-Varianten. Wir haben im Test geklärt, ob der Polestar 2 damit endgültig zum besseren Tesla wird.
Was ist der Polestar 2 und wen spricht er an?
Der Polestar 2 ist eine fünftürige Fließheck-Limousine der elektrischen Mittelklasse. Er basiert auf der CMA-Plattform (Compact Modular Architecture), die er sich ursprünglich mit Volvo-Modellen wie dem XC40 teilte, die aber für den Polestar 2 stark modifiziert wurde. Er richtet sich an designorientierte Käufer, die Wert auf minimalistische Ästhetik, hochwertige Materialien und ein integriertes Google-Ökosystem legen. Er ist die Wahl für Fahrer, denen ein Tesla Model 3 zu verspielt oder zu wenig “Premium” in der Anmutung ist, die aber dennoch ein modernes und fahraktives Elektroauto suchen. Mit dem Update positioniert er sich stärker als zuvor als Fahrerauto.
Welche Varianten gibt es nach dem Update? Der RWD-Effekt!
Das Update hat die Modellpalette grundlegend verändert und verbessert. Es gibt vier Hauptvarianten, alle profitieren von neuen, effizienteren Motoren und optimierter Leistungselektronik.
- Standard Range Single Motor (SRSM): Die Basisversion mit Heckantrieb (statt Frontantrieb!), 200 kW (272 PS) (vorher 170 kW) und einem 69 kWh Akku (LFP-Chemie). WLTP-Reichweite: bis zu 546 km. Dies ist die preislich attraktivste Variante für Stadt und Pendelverkehr.
- Long Range Single Motor (LRSM): Die meistverkaufte Version. Ebenfalls Heckantrieb, aber mit 220 kW (299 PS) (vorher 170 kW) und dem großen 82 kWh Akku (NMC-Chemie). WLTP-Reichweite: beeindruckende 655 km. Der ideale Kompromiss aus Reichweite, Leistung und Preis. Der Wechsel zum Heckantrieb macht sich hier am deutlichsten bemerkbar: agileres Einlenken, bessere Traktion am Kurvenausgang.
- Long Range Dual Motor (LRDM): Die Allradversion mit zwei Motoren, 310 kW (421 PS) Systemleistung (vorher 300 kW) und dem 82 kWh Akku. WLTP-Reichweite: bis zu 593 km. Kann den vorderen Motor nun komplett entkoppeln, was die Effizienz steigert.
- Long Range Dual Motor mit Performance Paket (LRDM Perf.): Das Topmodell mit 350 kW (476 PS), Öhlins-Fahrwerk, Brembo-Bremsen und goldenen Akzenten. WLTP-Reichweite: bis zu 568 km. Die Wahl für maximale Fahrdynamik.
Wie schlägt er sich bei realer Reichweite und Ladeleistung?
Hier hat der Polestar 2 massiv aufgeholt. Der neue 82 kWh Akku in den Long Range Modellen ist nicht nur größer, sondern auch effizienter. Im realen Testbetrieb erreicht der LRSM (Heckantrieb) problemlos über 500 Kilometer bei gemischter Fahrweise. Auf der Autobahn bei 130 km/h sind immer noch solide 400-430 Kilometer drin. Das ist ein Quantensprung gegenüber dem Vormodell und absolut konkurrenzfähig.
Auch die Ladeleistung wurde verbessert. Die Modelle mit dem großen 82 kWh Akku können nun mit bis zu 205 kW DC laden (vorher 155 kW). Die Basisversion mit 69 kWh lädt mit bis zu 135 kW. Mini-Fallstudie: Der optimierte Ladestopp (Long Range)
- Problem: Akku bei 10 %, möglichst schnell weiter.
- Aktion: Ansteuern einer ≥200 kW HPC-Säule.
- Messbares Ergebnis: Die Ladung von 10 % auf 80 % dauert nun ca. 28 Minuten. Das ist zwar immer noch langsamer als bei den 800-Volt-Koreanern (ca. 18 Min.), aber eine deutliche Verbesserung und auf Augenhöhe mit Tesla Model 3 oder BMW i4. Der Polestar 2 ist jetzt auch auf der Langstrecke deutlich souveräner.
Historischer Kontext: Von Volvo Performance zu eigenständiger E-Marke
Polestar war ursprünglich die Performance- und Motorsport-Abteilung von Volvo. 2017 wurde Polestar als eigenständige Marke für elektrifizierte Performance-Fahrzeuge neu positioniert, unter dem Dach des Geely-Konzerns (dem auch Volvo gehört). Der Polestar 1 war ein limitierter Plug-in-Hybrid-GT. Der Polestar 2 war das erste reine Elektro-Volumenmodell und sollte die Marke etablieren.
Die Nutzung der CMA-Plattform war ein pragmatischer Startpunkt, brachte aber Nachteile mit sich (z.B. der hohe Mitteltunnel im Fond, obwohl kein Getriebe vorhanden ist). Das große Update 2024/2025 mit dem RWD-Wechsel ist ein Zeichen dafür, dass Polestar die technischen Kompromisse der Anfangszeit korrigiert und die Marke stärker auf Fahrdynamik und Effizienz trimmt – weg vom reinen Volvo-Ableger, hin zu einem eigenständigen Wettbewerber.
Wie fühlt sich der Innenraum an: Skandi-Chic mit Google-Power?
Hier bleibt der Polestar 2 seiner Linie treu – und das ist gut so. Der Innenraum ist ein Meisterwerk des skandinavischen Minimalismus. Hochwertige, oft nachhaltige Materialien (z.B. WeaveTech-Sitze aus recycelten PET-Flaschen), eine exzellente Verarbeitung und eine klare, aufgeräumte Architektur schaffen eine sehr angenehme Atmosphäre.
Das Herzstück ist das 11,2-Zoll-Vertikaldisplay mit Android Automotive OS (Google Built-in). Google Maps als native Navigation, der Google Assistant für die Sprachsteuerung und der Google Play Store für Apps sind perfekt integriert und funktionieren intuitiv und flüssig. Das System erhält regelmäßige Over-the-Air-Updates. Der technische Kompromiss ist die Abhängigkeit vom Google-Konto für volle Funktionalität, was Datenschützer kritisieren. Das optionale Harman Kardon Soundsystem klingt hervorragend. Der Platz im Fond ist okay, aber der hohe Mitteltunnel stört den mittleren Passagier. Der Kofferraum (405 Liter plus 41 Liter Frunk) ist eher durchschnittlich.
Anekdote: Das Update, das alles änderte
Ich bin den ursprünglichen Polestar 2 LRSM (damals mit Frontantrieb) gefahren und war… unterwältigt. Er war schnell, ja, aber die Lenkung wirkte synthetisch, und bei Nässe zerrten die Antriebskräfte unangenehm am Lenkrad. Dann der Umstieg auf das aktuelle Modell mit Heckantrieb. Es ist wie ein anderes Auto. Das Einlenken ist präziser, das Heck spielt unter Last leicht mit (im ESP-Sportmodus), die Traktion ist souverän. Man spürt, dass die Ingenieure das Auto endlich so abstimmen konnten, wie sie es wollten. Dieses Update war kein Facelift, es war eine Befreiung.
Wie schlägt er sich gegen das (ebenfalls erneuerte) Tesla Model 3?
Das Duell Polestar 2 gegen Tesla Model 3 (“Highland”-Update) ist spannender denn je. Beide wurden signifikant überarbeitet.
Merkmal | Polestar 2 LRSM (2025) | Tesla Model 3 LR RWD (“Highland”) |
Antrieb | Heckantrieb | Heckantrieb |
Leistung | 299 PS | ca. 283 PS (geschätzt) |
Akku (Netto) | ca. 79 kWh (82 brutto) | ca. 60 kWh (LFP) |
Max. Reichw. (WLTP) | 655 km | 629 km |
Max. Ladeleist. (DC) | 205 kW | 170 kW |
Cockpit-Bedienung | Google Built-in + Tasten | Purer Touchscreen, Blinkerhebel weg |
Verarbeitung | Sehr gut | Gut (verbessert) |
Preis (Basis LR RWD) | ca. 52.690 € | ca. 49.990 € |
Der Polestar punktet mit höherer Reichweite (Long Range), potenziell schnellerem Laden (205 vs. 170 kW), besserer Verarbeitung und dem intuitiveren Google-System mit einigen Tasten. Das Model 3 ist effizienter (trotz kleinerem Akku fast gleiche Reichweite), bietet das bessere Ladenetzwerk (Supercharger) und ist günstiger. Die Bedienung im Tesla (ohne Blinkerhebel) ist jedoch radikaler und gewöhnungsbedürftiger.
Zukünftiger Ausblick: Wie geht es weiter mit Polestar?
Der Polestar 2 bleibt ein wichtiges Volumenmodell, aber die Zukunft der Marke liegt in neuen Modellen auf dedizierten Plattformen. Der Polestar 3 (großes SUV) und Polestar 4 (SUV-Coupé) basieren bereits auf der SEA-Plattform von Geely. Der kommende Polestar 5 (GT-Limousine) und Polestar 6 (Roadster) werden eine eigene Aluminium-Bonding-Plattform nutzen.9 Die Technologie entwickelt sich rasant weiter (800V, bidirektionales Laden). Das Update des Polestar 2 sichert seine Wettbewerbsfähigkeit für die nächsten Jahre, aber er repräsentiert technologisch nicht mehr die absolute Speerspitze dessen, was der Geely-Konzern kann. Er ist der etablierte Bestseller, der die Marke finanziert, während die aufregenderen neuen Modelle kommen.
Die andere Seite der Medaille: Was ist das stärkste Argument GEGEN den Polestar 2?
Das stärkste Gegenargument ist die Plattform-Basis. Trotz aller Optimierungen bleibt die CMA-Architektur ein Kompromiss. Der hohe Mitteltunnel im Fond, das vergleichsweise hohe Gewicht und das durchschnittliche Platzangebot sind Nachteile, die Autos auf reinen E-Plattformen (wie Tesla Model 3, Hyundai Ioniq 6 oder BMW i4) nicht haben. Man merkt dem Polestar 2 seine Herkunft aus der “Verbrenner-Welt” an manchen Stellen noch an. Zudem ist die Aufpreispolitik ambitioniert: Features wie das adaptive Matrix-LED-Licht, das Panoramadach oder die Wärmepumpe kosten extra und treiben den Preis schnell in die Höhe.
Fazit: Der Polestar 2 ist mit dem Update zu einem herausragenden Elektroauto gereift. Der Wechsel zum Heckantrieb hat die Fahrdynamik transformiert, die neuen Batterien sorgen für exzellente Reichweiten, und das Google-System ist eines der besten auf dem Markt. Er ist eine charakterstarke, hochwertig verarbeitete Alternative zum Tesla Model 3, die viele Dinge besser macht. Wer über die kleinen Plattform-Nachteile und den selbstbewussten Preis hinwegsehen kann, bekommt hier eines der stimmigsten Gesamtpakete im Segment.

















