Er hatte alles, was es braucht, um den deutschen Premium-Platzhirschen in die Parade zu fahren: eine heckantriebsbasierte Plattform, einen potenten V6-Biturbo (zumindest optional), ein knackiges Fahrwerk, aggressives Design und ein hochwertiges Cockpit. Der Genesis G70 war, als er kam, der vielleicht ernsthafteste Angriff auf den BMW 3er seit Langem – ein technischer Zwilling des gefeierten Kia Stinger, nur als kompaktere Limousine. Und doch: In Deutschland ist er ein Phantom geblieben, ein Auto, das kaum jemand kennt, geschweige denn gekauft hat. Jetzt, wo Genesis voll auf Elektro setzt und die Produktion des G70 ausläuft, ist es Zeit für einen Nachruf. Warum ist dieses fahrdynamische Juwel hierzulande so spektakulär gescheitert? Und ist er vielleicht gerade deshalb ein Geheimtipp auf dem Gebrauchtwagenmarkt?
Was genau war der Genesis G70 (Generation IK)?
Der Genesis G70 (IK) war eine kompakte Premium-Sportlimousine, eingeführt 2017, Facelift 2021. Er basierte auf der gleichen Heckantriebs-Plattform wie der Kia Stinger und wurde in Deutschland mit 2.0L Vierzylinder-Turbobenzinern, 2.2L Vierzylinder-Dieseln und (sehr selten) einem 3.3L V6-Biturbo-Benziner angeboten, wahlweise mit Heck- oder Allradantrieb. Er trat direkt gegen BMW 3er, Mercedes C-Klasse und Audi A4 an.
Man muss es klar sagen: Dieses Auto war (und ist) eine echte Fahrmaschine. Entwickelt unter der Leitung von Albert Biermann (ex-BMW M GmbH), war der G70 kein weichgespülter Gleiter, sondern ein präzises Sportgerät. Die Lenkung? Direkt. Das Fahrwerk (optional adaptiv)? Straff, aber kompetent. Der Antrieb? Hecklastig. Das war ein Auto für Leute, die gerne fahren. Mit dem Facelift bekam er dann auch das schicke “Two Lines”-Gesicht von Genesis, was ihn optisch nochmals aufwertete. Er war Koreas Antwort auf den 3er BMW. Und er war verdammt gut darin.
Warum wurde er in Deutschland (und Europa) eingestellt?
Der Verkauf des G70 in Deutschland endet 2024/2025. Das Modell wird (wie der Kia Stinger) ersatzlos gestrichen. Gründe sind minimalste Verkaufszahlen, die Dominanz der deutschen Premium-Konkurrenz im Heimatmarkt, das Schrumpfen des Limousinen-Segments zugunsten von SUVs und die strategische Neuausrichtung von Genesis auf reine Elektromobilität.
Die Wahrheit tut weh: Es hat keinen interessiert. So gut das Auto auch war, gegen das Image eines BMW 3er oder einer C-Klasse kam der G70 nicht an. Das Markenimage von Genesis war (und ist) hierzulande einfach zu schwach. Dazu kam das dünne Händlernetz. Wer kauft schon eine 50.000-Euro-Limousine von einer Marke, deren nächsten Servicepunkt man googeln muss? Und dann das Timing: Er kam zu einer Zeit, als alle Welt nur noch SUVs wollte (selbst Genesis verkauft hier fast nur GV70/GV80) und die Elektrifizierung begann. Ein reiner Verbrenner-Sportler ohne Hybrid-Option? Schwierig. Das Ende war traurig, aber absehbar. Er war ein großartiges Auto zur falschen Zeit am falschen Ort.
Welche Motoren gab es – und welcher ist der geheime Star?
In Deutschland war die Auswahl überschaubar, aber es gab ein Highlight.
- 2.2D (Diesel): Ein 2.2-Liter Vierzylinder-Diesel mit 200 PS. Ein Zugeständnis an den europäischen Flottenmarkt. Sparsam (Real um 6-7 Liter), drehmomentstark, aber rau im Klang und nicht wirklich passend zum sportlichen Charakter.
- 2.0T (Benziner): Ein 2.0-Liter Vierzylinder-Turbo mit 197 PS oder 245 PS. Solide Basis, der 245-PS-Motor war flott, aber kein Charismatiker.
- 3.3T (V6-Benziner): Der 3.3-Liter V6-Biturbo mit 366 PS (später 370 PS). Das ist der Motor aus dem Kia Stinger GT! Serienmäßig mit Allrad (in DE) und mechanischem Sperrdifferenzial. 0-100 in unter 5 Sekunden. Das war der wahre G70!
Ganz klar: Der Diesel war ein reines Vernunft-Angebot, das niemandem weh tat, aber auch niemanden begeisterte. Der 2.0T war okay. Aber der 3.3T V6? Das war die Ansage! Ein seidenweicher, bärenstarker Biturbo, der den G70 in eine echte M340i-Jagdmaschine verwandelte. Leider extrem selten bei uns, weil teuer und durstig (Real 11-13 Liter). Aber wenn man einen gebrauchten G70 sucht und das nötige Kleingeld hat: Sucht den V6! Das ist der heilige Gral dieser Baureihe. Er ist der Grund, warum dieses Auto existiert.
Zitat von Alex Wind: “Den G70 mit dem Vierzylinder-Diesel zu kaufen, ist wie in ein Sternerestaurant zu gehen und Pommes zu bestellen. Man wird satt, aber man hat den Punkt nicht verstanden. Dieses Auto lebt vom 3.3 Liter V6!”
Wie schlägt er sich bei Zuverlässigkeit und typischen Mängeln?
Der G70 teilt sich die Technik mit dem Kia Stinger und gilt als überdurchschnittlich zuverlässig. Die Plattform ist robust, die Motoren (insbesondere der V6) sind bewährt. Probleme sind selten und betreffen eher die Elektronik oder das Infotainment früher Modelle. Die 8-Stufen-Automatik ist solide. Rost ist kein Thema. Der G70 ist oft zuverlässiger als seine deutschen Premium-Konkurrenten aus denselben Baujahren.
Das ist der große Pluspunkt der Koreaner. Die bauen einfach verdammt solide Autos. Die V6-Motoren sind robust, die Automatik (eine Eigenentwicklung von Hyundai/Genesis) ist unauffällig. Klar, Elektronik-Macken kann es immer mal geben (Infotainment-Abstürze bei frühen Modellen), aber im Großen und Ganzen? Ein Sorgenfrei-Paket im Vergleich zu den Steuerketten-Dramen oder Elektronik-Albträumen, die manch deutscher Premium-Hersteller in den letzten 10-15 Jahren abgeliefert hat. Auch das Interieur ist haltbar, wenig Knarzen, gute Materialien. Wer einen soliden Sportler sucht, ist hier goldrichtig.
Ist der Innenraum auch heute noch konkurrenzfähig?
Das Interieur ist fahrerorientiert, hochwertig verarbeitet mit viel Leder, Aluminium und Soft-Touch-Materialien. Das Facelift (ab 2021) brachte ein modernes 10,25-Zoll-Infotainmentsystem und ein optionales 12,3-Zoll-3D-Digitaltacho. Das Platzangebot ist (besonders im Fond) knapp bemessen.
Ja, das Cockpit ist top. Besonders nach dem Facelift. Das 10,25-Zoll-Display ist modern (wenn auch nicht riesig), das 3D-Tacho (optional) ein cooles Gimmick. Aber das Beste ist die Qualität. Die Materialien fassen sich großartig an, die Knöpfe haben einen satten Klick, die Verarbeitung ist auf Lexus-Niveau. Besser als in der C-Klasse (W205 Facelift) oder dem 3er (G20) aus der Zeit, würde ich behaupten. Aber – und das ist der große Haken – das Platzangebot. Vorne sitzt man super integriert, fast wie im Maßanzug. Aber der Fond? Eine Strafbank! Kaum Knie- oder Kopffreiheit. Das ist deutlich enger als in jedem 3er oder A4. Auch der Kofferraum ist mit ca. 330 Litern ein Witz. Der G70 ist ein reines Fahrerauto, kein Familientransporter. Das muss man wissen.
Zitat von Alex Wind: “Der G70 hat den besten Innenraum, in dem niemand sitzen will. Zumindest nicht hinten. Vorne hui, hinten pfui. Ein klassischer 2+2-Kompromiss.”
Der evolutionäre Weg: Der Stinger-Bruder als 3er-Jäger
Der G70 war Teil von Hyundais Doppel-Angriff auf die deutsche Premium-Mittelklasse. Der Kia Stinger war der extrovertierte Gran Turismo (GT) mit großer Heckklappe, der G70 die kompakte, agilere Sportlimousine. Beide nutzten dieselbe Plattform, aber der G70 war kürzer, leichter und direkter abgestimmt. Er war der “echte” 3er-Konkurrent, während der Stinger eher auf den A5 Sportback oder 4er Gran Coupé zielte. Beide Autos waren fahrerisch brillant, aber kommerziell (in Europa) ein Flop. Sie kamen zu spät, ohne das nötige Markenimage und ohne sparsame Hybrid-Antriebe in einem SUV-verrückten Markt. Schade drum.
Advokat des Teufels: Was sind die größten Haken beim Gebrauchtkauf?
- Platzangebot: Wie gesagt, Fond und Kofferraum sind winzig. Als Familienauto ungeeignet.
- Markenimage & Servicenetz: Genesis baut sein Netz erst auf (primär in Großstädten). Ein G70 (der nicht mehr aktiv verkauft wird) ist auch für Genesis-Partner ein Exot. Service zu finden, kann schwierig werden.
- Wiederverkaufswert: Als seltener Exot einer Nischenmarke ist der Wertverlust hoch (gut für Käufer!), der Wiederverkauf aber potenziell sehr schwierig. Man muss jemanden finden, der das Auto kennt und will.
- Verbrauch (V6): Der 3.3T V6 ist ein grandioser Motor, aber er säuft. Realistisch sind 11-13 Liter, bei Spaß auch 15+. Das muss man sich leisten wollen.
Zukünftiger Ausblick: Was kommt nach dem G70?
Ein direkter Nachfolger mit Verbrennungsmotor ist ausgeschlossen. Genesis’ Zukunft ist elektrisch. Gerüchte sprechen von einer neuen, elektrischen Sportlimousine (vielleicht als GV60 Coupé/Limousine oder auf der nächsten E-Plattform eM?), die die Rolle des G70 übernehmen könnte. Aber offiziell bestätigt ist nichts. Der G70 bleibt (vorerst) das Ende der fahraktiven Verbrenner-Mittelklasse bei Genesis.
Preis der Fehlkonfiguration: Diesel vs. V6-Benziner (Gebraucht)
Ein Diesel in einer Sportlimousine? Eine Todsünde.
- Szenario: Gebrauchtkauf eines 3-4 Jahre alten G70.
- 2.2D Diesel: Günstiger im Einkauf, sparsam (ca. 6-7 L). Aber: Rau, unkultiviert, passt null zum Auto. Hoher Wertverlust, da Diesel + Exot = unverkäuflich.
- 3.3T V6: Teurer im Einkauf, durstig (ca. 11-13 L). Aber: Seidenweich, brachial schnell, emotional, das “echte” G70-Erlebnis. Wird als seltener Top-Motor wertstabiler bleiben.
- Fazit: Die Fehlkonfiguration ist eindeutig der Diesel. Wer dieses Auto kauft, will Sportlichkeit und Exklusivität. Der Diesel bietet keines von beidem. Er ist ein reiner Vernunft-Motor in einem emotionalen Auto – das passt nicht. Wer sparen will, soll einen A4 TDI kaufen. Wer einen G70 will, nimmt den V6 (oder zur Not den 2.0T), aber niemals den Diesel!
Merkmal (gebraucht) | Genesis G70 3.3T AWD | BMW M340i xDrive (G20) | Mercedes-AMG C 43 (W205) | Audi S4 (B9, Benzin!) |
Konzept | Sportlimo, V6 Turbo | Sportlimo, R6 Turbo | Sportlimo, V6 Turbo | Sportlimo, V6 Turbo |
Leistung (ca.) | 370 PS | 374 PS | 390 PS | 354 PS |
Fahrgefühl | Sehr Agil, Heckbetont | Perfekt, Ausgewogen | Emotional, Laut | Sicher, Neutral (quattro) |
Innenraum-Qualität | Exzellent | Sehr gut | Gut | Sehr gut |
Platz Fond | Sehr Schlecht | Gut | Mäßig | Gut |
Preis (Index) | Attraktiv | Sehr Hoch | Hoch | Hoch |
Fazit: Der Genesis G70 ist einer der größten Geheimtipps – und gleichzeitig eine der tragischsten Figuren – auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt. Er ist eine brillant fahrende Sportlimousine, die sich fahrdynamisch nicht vor 3er oder C-Klasse verstecken muss und qualitativ oft sogar darüber liegt. Besonders der seltene 3.3T V6 ist ein Juwel. Seine Schwächen (Platz, Infotainment bei frühen Modellen) sind vorhanden, aber der größte Nachteil ist sein Exotenstatus samt dünnem Servicenetz und das bevorstehende Produktionsende. Wer ein reines Fahrerauto sucht, keine Kinder transportieren muss und einen kompetenten Servicepartner in der Nähe hat (oder risikofreudig ist), kann hier ein unglaubliches Schnäppchen machen. Alle anderen bewundern ihn besser aus der Ferne. Ein großartiges Auto, das am Markt gescheitert ist. Schade.































