SUV-Coupés. Man kann sie lieben oder hassen, aber sie verkaufen sich. BMW X4, Mercedes GLC Coupé, Audi Q5 Sportback – die deutschen Premium-Hersteller machen’s vor. Und Infiniti? Die wollten auch mitmischen. Mit dem QX55, der schicken Coupé-Variante ihres Mittelklasse-SUVs QX50. Mit dramatisch abfallender Dachlinie, sportlichen Akzenten und dem innovativen VC-Turbo unter der Haube. Klingt nach einem potenziellen Hingucker auch für unsere Straßen, oder? Tja, Pustekuchen. Wie die gesamte Marke hat auch der QX55 Europa links liegen gelassen. Aber was verpassen wir da eigentlich? Und wäre er – rein hypothetisch – ein Fall für den riskanten Grauimport? Schauen wir mal genauer hin.
Was genau ist der Infiniti QX55 und warum kennen wir ihn hier kaum?
Der Infiniti QX55 ist die fünftürige SUV-Coupé-Variante des Infiniti QX50, basierend auf derselben Plattform (Nissan CMF-CD modifiziert). Er verfügt über den 2.0L VC-Turbo Motor, CVT-Getriebe und serienmäßigen Allradantrieb. Er wird seit 2021 primär in Nordamerika und Asien verkauft und wurde in Europa aufgrund des Marktrückzugs von Infiniti im Jahr 2020 nie offiziell angeboten.
Im Grunde ist es ganz simpel: Man nehme einen QX50, schneide ihm das Heck schräg ab, verpasse ihm einen sportlicheren Grill und größere Räder – fertig ist der QX55. Das Rezept kennen wir ja von X3 zu X4, von Q5 zu Q5 Sportback. Mehr Stil, weniger Nutzwert, höherer Preis. So läuft das Spiel. Und warum kennen wir ihn nicht? Weil Infiniti hier weg ist. Komplett. Die haben 2020 den Stecker gezogen, noch bevor der QX55 überhaupt vorgestellt wurde. Schlechteres Timing geht kaum. Er ist also quasi eine Totgeburt für Europa. Ein weiteres Opfer der gescheiterten Europa-Strategie von Nissans Edel-Tochter. Schade um die Optik, die ist nämlich durchaus gelungen, finde ich. Erinnert ein wenig an den seligen Infiniti FX von früher. Nur eben eine Nummer kleiner.
Was unterscheidet ihn technisch (kaum) vom QX50?
Technisch ist der QX55 weitgehend identisch mit dem QX50. Er nutzt denselben 2.0L Vierzylinder-VC-Turbo Motor mit variabler Verdichtung (KR20DDET, 272 PS, 380 Nm), das gleiche stufenlose CVT-Getriebe und den Intelligent All-Wheel Drive. Die Fahrwerksabstimmung ist möglicherweise geringfügig straffer. Hauptunterschiede sind das Design der Karosserie ab der B-Säule und Ausstattungsdetails.
Technisch also: alter Wein in neuen Schläuchen. Oder besser: gleicher Wein in schickerer Flasche. Derselbe VC-Turbo, dieses technisch faszinierende, aber auch komplexe Aggregat, das seine Verdichtung ändern kann. Derselbe CVT-Automat, der das sportliche Potenzial des Motors leider oft im Keim erstickt. Derselbe Allradantrieb. Okay, vielleicht haben sie an Federn und Dämpfern ein bisschen rumgedoktert, um ihn “sportlicher” zu machen. Aber die Basis? Identisch. Der Hauptunterschied ist wirklich die Optik. Und der Platz. Durch das schräge Heck gehen natürlich Kopffreiheit im Fond und Kofferraumvolumen flöten. Das ist der Preis für die Schönheit. Muss man wissen.
Wie schlägt sich der VC-Turbo Motor mit dem CVT-Getriebe im Coupé?
Der 2.0L VC-Turbo leistet 272 PS und 380 Nm. Das stufenlose CVT-Getriebe (Continuously Variable Transmission) simuliert Schaltstufen, neigt aber unter Last zum Aufheulen (“Gummiband-Effekt”). Die Fahrleistungen sind ausreichend (0-100 km/h in ca. 6,5-7 s), aber nicht herausragend sportlich.
Der Motor an sich ist ja interessant. Diese variable Verdichtung – Chapeau vor den Ingenieuren! In der Theorie soll er die Kraft eines V6 mit dem Verbrauch eines Vierzylinders verbinden. In der Praxis? Ist er kräftig, ja. Aber der Verbrauchsvorteil? Mäßig. Realistisch sind eher 10-12 Liter. Und dann das CVT-Getriebe. Das ist und bleibt die Achillesferse. Es raubt dem Motor jegliche Emotionalität. Beim Beschleunigen heult der Vierzylinder auf, die Drehzahl bleibt oben, die Geschwindigkeit zieht langsam nach. Das fühlt sich einfach künstlich an, entkoppelt. Das passt vielleicht zu einem komfortablen SUV wie dem QX50, aber zu einem “sportlichen” SUV-Coupé wie dem QX55? Überhaupt nicht! Das ist ein klarer Mismatch. Schade um den an sich potenten Motor. Eine gute Wandlerautomatik oder ein Doppelkuppler hätten hier Wunder gewirkt. Aber nein, CVT muss sein. Aus Effizienzgründen, wahrscheinlich. Ein fataler Fehler, meiner Meinung nach.
Tipp von Alex Wind: Wer sportliches Fahren mit direkter Rückmeldung liebt, wird mit dieser Motor-Getriebe-Kombination nicht glücklich. Unbedingt Probe fahren – wenn man denn irgendwo einen findet.
Wie modern wirkt der Innenraum (trotz Doppel-Bildschirm)?
Das Cockpit ist weitgehend identisch mit dem des QX50. Es verfügt über das InTouch-Infotainmentsystem mit zwei übereinander angeordneten Touchscreens (8 Zoll oben, 7 Zoll unten) und physischen Tasten. Analoge Instrumente mit einem zentralen 7-Zoll-Display sind Standard. Die Materialien sind hochwertig, die Verarbeitung gut. Kabelloses Apple CarPlay ist verfügbar, Android Auto nur per Kabel.
Hier merkt man das Alter der Basis. Während die Konkurrenz längst auf riesige Panoramadisplays oder volldigitale Cockpits setzt, wirkt das Infiniti-Layout mit den zwei getrennten, relativ kleinen Bildschirmen und den analogen Tachos daneben einfach nicht mehr zeitgemäß. Das System ist funktional, keine Frage. Und die physischen Tasten sind ja eigentlich gut. Aber die Menüführung ist verschachtelt, die Grafik altbacken. Das fühlt sich nicht nach 2025 an, eher nach 2018. Die Materialien? Ja, die sind gut. Leder, Soft-Touch, Aluminium. Das passt zum Premium-Anspruch. Aber das Infotainment? Das ist der Schwachpunkt. Da hilft auch kabelloses CarPlay nur bedingt. Das ist einfach nicht mehr State-of-the-Art.
Der evolutionäre Weg: Ein später Konter auf X4 & Co.?
Der QX55 kam erst 2021/22 auf den Markt, Jahre nachdem BMW (X4) und Mercedes (GLC Coupé) das Segment der Premium-SUV-Coupés erfolgreich besetzt hatten. Er war Infinitis verspäteter Versuch, auf diesen lukrativen Zug aufzuspringen, basierend auf der bestehenden QX50-Plattform. Sein Design sollte an den ikonischen Infiniti FX erinnern und Emotionen wecken. Strategisch war er in Nordamerika und China durchaus sinnvoll, um das Portfolio abzurunden. Für Europa kam er jedoch zu spät – der Marktrückzug war bereits beschlossene Sache. Er ist ein Kind einer Strategie, die für Europa nie aufgegangen ist.
Advokat des Teufels: Warum ein Import nach Deutschland Wahnsinn ist (Version 5.0!)
Ein Grauimport des Infiniti QX55 ist aus denselben Gründen wie bei allen anderen nicht offiziell angebotenen Infiniti/Acura/Buick/Lincoln/Cadillac-Verbrennern etc. extrem riskant und unwirtschaftlich: Hohe Gesamtkosten (US-Preis ab ca. 50.000$ + Import + Homologation), keine Werksgarantie, fehlendes Service-Netzwerk, katastrophale Ersatzteilversorgung für QX55-spezifische Teile (Karosserie!), hoher Wertverlust. Zudem bietet der europäische Markt zahlreiche etablierte und technisch oft überlegene Alternativen.
Es ist wie bei QX50, Q50, QX60, QX80… Ich kann es nur wiederholen: FINGER WEG! Kauft euch einen GLC Coupé, einen X4, einen Q5 Sportback, von mir aus einen gebrauchten F-Pace oder Stelvio, wenn es was Besonderes sein soll. Aber keinen importierten Infiniti! Das ist ein Groschengrab mit Ansage. Punkt. Aus. Ende.
Vergleich mit deutschen Konkurrenten (als hypothetischer Import)
Merkmal | Infiniti QX55 AWD (Import) | BMW X4 xDrive30i | Mercedes GLC 300 4MATIC Coupé | Audi Q5 Sportback 45 TFSI |
Konzept | SUV-Coupé, R4 VC-Turbo | SUV-Coupé, R4 Turbo (MHEV) | SUV-Coupé, R4 Turbo (MHEV) | SUV-Coupé, R4 Turbo (MHEV) |
Leistung (ca.) | 272 PS | 245 PS | 258 PS | 265 PS |
Getriebe | CVT | 8-Gang Automatik | 9-Gang Automatik | 7-Gang S tronic |
Innenraum-Tech. | Veraltet (Doppel-Screen) | Sehr gut (OS 8.5) | Exzellent (MBUX) | Gut (MMI Touch) |
Preis (Import, ca.) | > 75.000 € (?) | ab 67.000 € | ab 69.000 € | ab 64.000 € |
Service (DE) | Nicht existent | Exzellent | Exzellent | Exzellent |
Fazit: Der Infiniti QX55 ist ein optisch durchaus reizvolles SUV-Coupé, das mit hochwertigen Materialien im Innenraum punktet. Seine technischen Schwächen – allen voran das unharmonische CVT-Getriebe und das veraltete Infotainmentsystem – sowie seine Abstammung vom eher komfortorientierten QX50 verhindern jedoch, dass er als echte sportliche Alternative wahrgenommen wird. Für den deutschen Markt ist er aufgrund des Infiniti-Rückzugs ohnehin irrelevant. Ein Grauimport wäre mit enormen Kosten und Risiken verbunden und ist absolut nicht empfehlenswert. Der QX55 bleibt ein weiteres Beispiel für ein Auto, das für andere Märkte entwickelt wurde und hierzulande keine Rolle spielt – ein hübsches Phantom ohne Service-Hotline.


















