Die Ära der klassischen Jaguar-Limousinen, wie wir sie kannten, geht zu Ende. Mit der radikalen Neuausrichtung der Marke auf reine Elektromobilität ab 2025 rollt auch der Jaguar XF der Generation X260 (gebaut von 2015 bis Ende 2024) aufs Abstellgleis. Ein direkter Nachfolger ist nicht in Sicht. Doch gerade weil er der letzte seiner Art ist, rückt der X260 nun als Gebrauchtwagen ins Rampenlicht. Er war Jaguars Antwort auf BMW 5er, Mercedes E-Klasse und Audi A6 – eine betont dynamische und stilvolle Alternative aus Großbritannien. Aber ist er auch als Gebrauchter eine gute Wahl?
Was ist die letzte Generation des Jaguar XF (X260)?
Der XF (X260) war ein Meilenstein für Jaguar. Er basierte auf der neuen, leichten Aluminium-Architektur (iQ-Al), die ihn deutlich leichter und agiler machte als seinen Vorgänger. Angeboten wurde er als klassische Limousine und als eleganter Kombi namens Sportbrake. Sein Design, gezeichnet unter der Leitung von Ian Callum, gilt als zeitlos elegant und hebt sich wohltuend von der deutschen Einheitsoptik ab. Mit dem Facelift Ende 2020 erhielt er ein modernisiertes Interieur mit dem neuen Pivi Pro Infotainmentsystem und eine gestraffte Motorenpalette. Er richtet sich an Fahrer, die Individualität, ein sportliches Fahrgefühl und britisches Flair schätzen, aber nicht unbedingt den letzten Schrei in Sachen digitaler Vernetzung oder Platzangebot suchen.
Welche Motoren sind empfehlenswert (Diesel vs. Benziner)?
Die Motorenpalette des X260 war vielfältig, wurde aber über die Jahre ausgedünnt. Die Wahl hängt stark vom Budget und Fahrprofil ab.
Diesel (Ingenium 4-Zylinder):
- 20d (163 PS / 180 PS): Die Basis-Diesel sind sparsam (Realverbräuche um 6 Liter sind machbar), aber keine Temperamentsbündel. Der 180-PS-Motor ist die harmonischere Wahl für den Alltag. Wichtig: Achten Sie auf Modelle nach ca. 2018/2019, da frühe Ingenium-Diesel anfällig für Probleme mit der Steuerkette sein können.
- 25d (240 PS): Der Biturbo-Diesel bietet einen guten Kompromiss aus Kraft und Effizienz. Souverän auf der Autobahn, aber auch hier gilt: Spätere Baujahre bevorzugen.
- 30d (300 PS, V6): Der Sechszylinder-Diesel (bis ca. 2020 angeboten) war die Sahnestück-Motorisierung. Extrem laufruhig, bärenstark (700 Nm) und erstaunlich effizient. Leider selten und gebraucht teurer, aber für Vielfahrer die beste Wahl, wenn man die potenziellen Risiken eines älteren V6-Diesels (AGR, DPF) einkalkuliert.
Benziner:
- 20t / 25t / 30t (Ingenium 4-Zylinder): Die Vierzylinder-Turbobenziner mit 200, 250 oder 300 PS kamen nach und nach ins Programm. Der P250 (250 PS) ist ein guter Allrounder, der P300 (300 PS) bietet spürbar mehr Dynamik, oft in Verbindung mit Allradantrieb. Sie sind laufruhiger als die Diesel, aber auch durstiger (Realverbrauch 8-10 Liter).
- 35t / S (340 PS / 380 PS, V6 Kompressor): Diese Motoren (bis ca. 2019/2020) sind das emotionale Highlight. Der aufgeladene V6 klingt herrlich, dreht gierig hoch und macht den XF zum Sportler. Der Verbrauch ist allerdings hoch (über 11 Liter). Eine seltene und gesuchte Variante für Enthusiasten.
Tipp von Alex Wind: Für Vernunftkäufer ist der P250 Benziner (ab Facelift 2020) eine gute Wahl – ausreichend stark, modern und weniger anfällig als die frühen Diesel. Wer das volle Jaguar-Erlebnis sucht und das Budget hat, sollte nach einem späten 30d V6 Diesel oder einem V6 Kompressor Benziner Ausschau halten – Kennerstücke mit Charakter.
Wie zuverlässig ist der XF (X260) als Gebrauchter?
Hier scheiden sich die Geister. Jaguar hat nicht den besten Ruf in Sachen Zuverlässigkeit, aber der XF X260 ist besser als sein Vorgänger. Die Aluminium-Karosserie ist solide, Rost ist kaum ein Thema. Die ZF-8-Gang-Automatik (Standard bei fast allen Modellen) ist bewährt und robust.
Die Schwachstellen liegen eher im Detail:
- Frühe Ingenium-Diesel (bis ca. 2018): Probleme mit Steuerketten und Turboladern sind bekannt. Hier ist eine lückenlose Servicehistorie und ggf. eine Gebrauchtwagengarantie Pflicht.
- Elektronik: Wie bei vielen modernen Autos kann die komplexe Elektronik (Infotainment, Assistenzsysteme) Mucken machen. Software-Updates können helfen. Das Pivi Pro System (ab Facelift) gilt als stabiler als das ältere Touch Pro Duo.
- Fahrwerk: Buchsen und Gelenke können bei höheren Laufleistungen verschleißen, was aber bei deutschen Premium-Marken nicht anders ist.
Fazit zur Zuverlässigkeit: Ein XF X260 ist kein Toyota, aber bei guter Pflege und bevorzugt als späteres Baujahr (ab 2019/2020 oder Facelift) ein durchaus solides Auto. Eine gründliche Prüfung und eine Gebrauchtwagengarantie sind dennoch ratsam.
Die folgende Tabelle gibt einen groben Überblick über häufiger genannte Punkte:
Merkmal | Bewertung (Gebrauchtkauf) | Hinweise |
Karosserie | Gut (Aluminium) | Rost kaum Thema, Lackqualität gut |
Motoren (Diesel) | Ausreichend (4-Zyl.) / Gut (V6) | Früh-Ingenium (4-Zyl.) = Risiko, V6 robust |
Motoren (Benzin) | Gut (4-Zyl.) / Sehr Gut (V6 K) | V6 Kompressor = Liebhaber, 4-Zyl. solide |
Getriebe (ZF 8HP) | Sehr Gut | Robust, unauffällig, Ölwechsel empfohlen |
Fahrwerk | Befriedigend | Verschleiß an Buchsen/Gelenken bei >100tkm |
Elektronik | Befriedigend | Infotainment kann zicken, Pivi Pro besser |
Innenraum | Gut | Hochwertig, aber nicht ganz auf Audi-Niveau |
Ist der Sportbrake eine praktische Alternative zum Kombi-Einerlei?
Absolut! Der XF Sportbrake ist einer der elegantesten Kombis auf dem Markt. Er verbindet die dynamische Linienführung der Limousine mit einem brauchbaren Kofferraum (565 bis 1700 Liter). Er ist zwar kein Lademeister wie eine E-Klasse T-Modell, aber für die meisten Alltags- und Urlaubsaufgaben absolut ausreichend. Die serienmäßige Luftfederung an der Hinterachse sorgt zudem für konstantes Niveau auch bei Beladung. Wer einen stilvollen Kombi abseits des Mainstreams sucht, macht mit dem Sportbrake nichts falsch.
Was spricht heute GEGEN den Kauf eines gebrauchten XF?
Trotz seiner Reize gibt es auch Argumente gegen den XF:
- Das Händlernetz: Das Jaguar-Servicenetz ist deutlich dünner als das der deutschen Premium-Marken. Eine kompetente Werkstatt zu finden, kann je nach Region schwierig sein.
- Die Ersatzteilpreise: Original-Ersatzteile von Jaguar sind oft teuer. Freie Werkstätten haben nicht immer Zugriff auf alle Teile oder das nötige Spezialwissen.
- Der Wertverlust: Jaguar haben traditionell einen höheren Wertverlust als ihre deutschen Pendants. Das kann beim Kauf ein Vorteil sein (günstige Preise), beim Wiederverkauf aber schmerzen.
- Technologischer Rückstand: Im Vergleich zu brandneuen Modellen fehlt es dem XF an der neuesten Generation von Assistenzsystemen, Konnektivität und Elektrifizierungs-Optionen (kein Mild-Hybrid bei vielen Motoren, kein Plug-in-Hybrid).
Anekdote: Die Gentleman-Limousine
Ich erinnere mich an eine Testfahrt mit einem XF 30d kurz nach seinem Erscheinen. Ich fuhr auf einer kurvigen Landstraße. Das Auto lenkte präzise ein, die Lenkung gab gutes Feedback, der V6-Diesel schob kraftvoll, aber dezent an. Es war nicht die brutale Sportlichkeit eines BMW, sondern eine souveräne, elegante Dynamik – wie ein Maßanzug, der perfekt sitzt und jede Bewegung mitmacht. Dieses Gefühl des “Gentleman-Racers”, diese Mischung aus Komfort und Agilität, hat Jaguar beim XF perfekt getroffen.
Zukünftiger Ausblick: Das Ende einer Ära und der Sammlerwert?
Der Produktionsstopp des XF markiert das Ende der traditionellen Jaguar-Limousine. Die Marke erfindet sich neu als reiner Elektro-Luxus-Anbieter in einer deutlich höheren Preisklasse (vermutlich jenseits der 100.000 Euro). Das bedeutet: Einen Nachfolger für den XF wird es nicht geben.
Das macht die letzten Modelle des X260 potenziell interessant für Sammler und Liebhaber, insbesondere die seltenen V6-Kompressor-Benziner oder die V6-Diesel. Sie repräsentieren das Beste dessen, was Jaguar im klassischen Limousinen-Segment zu bieten hatte. Ob sie zu gesuchten Klassikern werden, bleibt abzuwarten, aber ihr Platz in der Markenhistorie ist sicher.
Fazit: Der Jaguar XF (X260) ist auch als Gebrauchter eine Überlegung wert. Er bietet zeitloses Design, ein tolles Fahrwerk und – je nach Motorisierung – viel Charakter. Die Preise sind attraktiv. Wer bereit ist, kleine Schwächen bei der Zuverlässigkeit und ein dünneres Servicenetz in Kauf zu nehmen, bekommt eine stilvolle und fahraktive Alternative zur deutschen Premium-Konkurrenz. Besonders die Modelle ab dem Facelift 2020 mit dem Pivi Pro System sind eine Empfehlung wert. Er ist ein würdiger Abschied von einer großen Limousinen-Tradition.


















