Umfassender Test des Porsche 911 (992.2 Facelift 2025): Die Hybrid-Revolution im Elfer – Fortschritt oder Verrat?

Es gibt Autos, und es gibt den Porsche 911. Seit über 60 Jahren eine Ikone, ein Mythos, der Maßstab, an dem sich alle anderen Sportwagen messen lassen müssen. Jede neue Generation wird beäugt wie ein Thronfolger. Und jetzt das: Mit dem Facelift 992.2 wagt Porsche den Schritt, den viele fürchteten – Hybridisierung. Zwar (noch?) nicht als Plug-in, sondern als Performance-Hybrid im neuen Carrera GTS. Gleichzeitig fliegt der heilige Gral, der analoge Drehzahlmesser in der Mitte, raus zugunsten einer volldigitalen Instrumententafel. Ist das noch der Elfer, den wir kennen und lieben? Oder der Anfang vom Ende? Ich bin tief eingetaucht in die Seele des aufgefrischten Mythos. Schnallen Sie sich an.

Was ist der neue 911 (992.2) und was ändert sich wirklich?

Der Porsche 911 (992.2) ist das Facelift der achten Generation des Heckmotor-Sportwagens. Die wichtigsten Neuerungen umfassen überarbeitete 3.0L Boxermotoren (Carrera), die Einführung des T-Hybrid Antriebs im Carrera GTS, ein neues Exterieur-Design mit Fokus auf Aerodynamik und Kühlung sowie ein volldigitales Cockpit.

Klingt nach einem normalen Facelift. Ist es aber nicht. Das ist der größte technische Umbruch seit dem Wechsel zur Wasserkühlung beim 996. Klar, die Silhouette bleibt unverkennbar 911. Die neuen Stoßfänger mit den aktiven Luftklappen? Aerodynamik-Feinschliff, geschenkt. Die neuen LED-Scheinwerfer? Sehen gut aus. Aber der Hybrid im GTS und das digitale Cockpit – das sind die Punkte, die zählen. Das verändert den Charakter. Die Frage ist nur: wie sehr? Und ist es zum Guten?


Die Revolution: Wie funktioniert der T-Hybrid im Carrera GTS?

Der 911 Carrera GTS T-Hybrid nutzt einen neu entwickelten 3.6-Liter Sechszylinder-Boxermotor (Einzelturbo), einen elektrisch angetriebenen Turbolader (E-Turbo), einen Permanentmagnet-Synchronmotor im PDK-Getriebe und eine kompakte 400V-Hochvoltbatterie (1,9 kWh brutto). Systemleistung: 398 kW (541 PS), 610 Nm.

T-Hybrid also. Klingt kryptisch, ist aber clever gemacht. Statt eines Plug-in-Systems mit großem Akku setzt Porsche auf einen Performance-Hybrid. Kernstück ist der neue 3.6 Liter Boxer, der schon allein 485 PS liefert. Dann der E-Turbo: Der ersetzt quasi das Wastegate und kann per Elektromotor sofort Ladedruck aufbauen (eliminiert Turboloch) oder als Generator Energie zurückgewinnen. Dazu kommt ein E-Motor im 8-Gang-PDK mit 40 kW (54 PS) und 150 Nm, der den Boxer unterstützt und rekuperiert. Gespeichert wird die Energie in einer winzigen, leichten 1,9 kWh Batterie unter der Fronthaube. Das ganze System wiegt nur 50 kg mehr als der alte GTS-Antrieb! Ergebnis: 541 PS Systemleistung, ansatzloses Ansprechverhalten, mehr Effizienz. Rein elektrisch fahren? Kann er nicht. Will er auch nicht. Das ist Hybridisierung im Dienste der Performance. Ziemlich clever, Porsche. Ziemlich clever.


Sind die Basis-Carrera-Modelle auch überarbeitet worden?

Ja, der 911 Carrera (ohne GTS) erhält überarbeitete 3.0-Liter Sechszylinder-Boxer-Biturbomotoren. Die Leistung steigt leicht auf 290 kW (394 PS). Optimierungen betreffen unter anderem den Ladeluftkühler (jetzt oben liegend, wie bei Turbo-Modellen) und die Turbolader vom bisherigen GTS.

Auch der “normale” Carrera profitiert vom Facelift, wenn auch weniger revolutionär. Mehr Leistung ist immer gut, 394 PS reichen dicke. Die technischen Kniffe vom alten GTS (Lader, Kühlung) machen ihn effizienter und wahrscheinlich noch etwas bissiger. Er bleibt der Einstieg in die 911-Welt, aber auf verdammt hohem Niveau. Und – ganz wichtig – er bleibt (vorerst?) ohne Hybridisierung. Für Puristen ist das vielleicht die eigentliche gute Nachricht. Er ist weiterhin als Coupé und Cabriolet mit Heckantrieb verfügbar.


Wie fährt sich der neue Elfer? Hybrid gegen Purist?

Das Fahrwerk wurde für alle 992.2 Modelle überarbeitet. PASM (Porsche Active Suspension Management) ist nun serienmäßig. Beim GTS T-Hybrid ist die Hinterachslenkung Standard, optional gibt es die Wankstabilisierung PDCC.

Der Carrera fühlt sich vertraut an, nur noch einen Tick präziser. Die Lenkung ist über jeden Zweifel erhaben, das Fahrwerk bietet eine unglaubliche Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit. Er bleibt der perfekte Allrounder. Aber der GTS T-Hybrid? Das ist eine neue Erfahrung. Das Ansprechverhalten ist absolut verzögerungsfrei. Kein Turboloch mehr, der Schub ist sofort da, ansatzlos, vehement. Der E-Motor füllt jede Gedenksekunde. Das fühlt sich fast wie ein Saugmotor an, nur mit dem irren Punch eines Turbos von unten raus. Gleichzeitig bleibt er dank der Fahrwerks-Updates und der (serienmäßigen) Hinterachslenkung unglaublich agil und präzise. Er klebt förmlich auf der Straße. Ist er noch so puristisch wie der alte GTS? Vielleicht nicht ganz. Man spürt die zusätzliche Technik arbeiten. Aber er ist brutal schnell und effektiv. Die Nürburgring-Zeit von 7:16.9 Minuten (über 8 Sekunden schneller als der Vorgänger!) spricht Bände. Der technische Kompromiss ist eine leichte Entkoppelung vom rein mechanischen Gefühl. Aber der Performance-Gewinn ist enorm.

Ist das neue digitale Cockpit ein Fortschritt oder Blasphemie?

Das Cockpit verfügt nun über ein frei stehendes, gebogenes 12,6-Zoll digitales Instrumentendisplay und behält den zentralen 10,9-Zoll PCM-Touchscreen. Der analoge Drehzahlmesser in der Mitte entfällt, kann aber digital dargestellt werden. Der Startknopf befindet sich links vom Lenkrad.

Puh, das war der Punkt, vor dem sich alle gefürchtet haben. Kein analoger Drehzahlmesser mehr im Elfer? Das ist wie Porsche ohne Heckmotor! Aber, und das muss ich zugeben: BMW hat’s vorgemacht, Porsche zieht nach – und sie machen es gut. Das Curved Display ist gestochen scharf, brillant ablesbar und vielfältig konfigurierbar. Man kann sich den klassischen Drehzahlmesser groß in die Mitte legen, flankiert von allen wichtigen Infos. Es sieht modern aus, es funktioniert. Vermisst man den Zeiger? Ja, ein bisschen. Ist es ein Beinbruch? Ehrlich gesagt, nein. Man gewöhnt sich dran. Das PCM-System bleibt weitgehend unverändert, was gut ist. Und der Startknopf links – eine Hommage an Le Mans – der bleibt! Das ist wichtig fürs Gefühl. Insgesamt ein modernisiertes Cockpit, das den Elfer ins digitale Zeitalter holt, ohne ihn komplett seiner Seele zu berauben. Ein akzeptabler Kompromiss.

Tipp von Alex Wind: Spielt mit den Ansichten des digitalen Cockpits! Es gibt eine reduzierte “Track”-Ansicht und die klassische Fünf-Tuben-Optik. Findet heraus, was euch am besten gefällt. Aber trauert dem Zeiger nicht zu lange nach. Die Zukunft ist digital. Leider.

Historischer Kontext: Wie passt der Hybrid in die 60-jährige 911-Geschichte?

Der 911 war immer ein Meister der Evolution, nicht der Revolution. Luftkühlung zu Wasser, Saugmotor zu Turbo – jeder Schritt wurde kontrovers diskutiert und hat sich am Ende durchgesetzt. Die Hybridisierung ist nun der nächste logische, wenn auch emotionale Schritt in Zeiten von CO2-Vorgaben und Performance-Ansprüchen. Der T-Hybrid ist dabei typisch Porsche: Keine reine Öko-Lösung, sondern eine Technologie zur Leistungssteigerung, abgeleitet aus dem Motorsport (919 Hybrid). Er fügt sich in die Tradition ein, technische Innovationen zu nutzen, um den 911 schneller, besser und gleichzeitig (zumindest relativ) effizienter zu machen. Es ist kein Verrat an der Ikone, sondern ihre Anpassung an eine neue Zeit. Der technische Kompromiss ist immer derselbe: Mehr Komplexität für mehr Performance. Bisher hat der 911 das immer gemeistert.

Advokat des Teufels: Was spricht gegen den 911 (992.2)?

Trotz aller Lobeshymnen ist auch der neue Elfer nicht perfekt:

  1. Der Preis: Ein 911 war nie billig, aber die Preise steigen unaufhaltsam. Schon der Basis-Carrera startet bei über 128.000 Euro, der GTS T-Hybrid bei über 170.000 Euro. Mit ein paar Extras knackt man schnell die 200.000-Euro-Marke. Das ist schlichtweg astronomisch.
  2. Die Digitalisierung: Das neue Cockpit ist gut, aber der Wegfall des analogen Drehzahlmessers und die zunehmende Verlagerung von Funktionen auf den Touchscreen mag Puristen stören.
  3. Die Komplexität (Hybrid): Der T-Hybrid Antrieb ist ein hochkomplexes System. Langzeithaltbarkeit und Reparaturkosten müssen sich erst noch beweisen.
  4. Der Sound (Hybrid): Obwohl Porsche verspricht, den Klang optimiert zu haben, wird der neue 3.6L mit E-Unterstützung anders klingen als der bisherige 3.0L Biturbo im GTS. Ob besser oder schlechter, ist subjektiv.
  5. Verfügbarkeit: Die Nachfrage wird (wie immer) riesig sein, die Lieferzeiten lang.

Anekdote: Das leise Fauchen des E-Turbos

Beim ersten Beschleunigen im GTS T-Hybrid achtete ich genau auf die Geräusche. Man hört den Boxer, klar. Aber da ist noch etwas anderes. Ein leises, hochfrequentes Fauchen, fast wie ein Jet-Triebwerk im Miniaturformat. Das ist der E-Turbo, der Ladedruck aufbaut, noch bevor der Abgasstrom richtig da ist. Es ist kein lautes Geräusch, aber es signalisiert diese ansatzlose Bereitschaft, diese eliminierte Verzögerung. Ein faszinierendes technisches Detail, das man nicht nur spürt, sondern auch subtil hört.

Zukünftiger Ausblick: Der Weg zum vollelektrischen 911?

Porsche-Chef Oliver Blume hat gesagt: Der 911 wird das letzte Modell sein, das elektrifiziert wird. Der T-Hybrid ist der erste Schritt auf diesem Weg – ein Performance-Hybrid, kein Plug-in. Er verlängert das Leben des Verbrenners im Elfer, macht ihn fit für zukünftige Emissionsnormen (Euro 7?). Wie lange das gut geht? Schwer zu sagen. Ein vollelektrischer 911 ist vor 2030 kaum vorstellbar, vielleicht sogar erst Mitte der 2030er. Bis dahin wird der Hybrid (und der reine Verbrenner im Carrera?) die Fahne hochhalten. Der 992.2 ist also ein Brückenmodell – technologisch wegweisend, aber eben noch nicht das Ende der Verbrenner-Geschichte beim Elfer. Zum Glück!

Merkmal
Porsche 911 Carrera GTS T-Hybrid
Aston Martin Vantage (2025)
Mercedes-AMG GT 63 Coupé
Konzept
Heckmotor, RWD/AWD, Perf.-Hybrid
Front-Mittelmotor, RWD
Front-Mittelmotor, AWD
Motor
3.6L B6 Turbo + E-Motor
4.0L V8 Biturbo
4.0L V8 Biturbo (MHEV?)
Leistung (ca.)
541 PS
665 PS
585 PS
0-100 km/h (ca.)
3,0 s
3,5 s
3,2 s
Technik-Highlight
T-Hybrid, E-Turbo
Neues Fahrwerk/Interieur
Aktive Aero, Hinterachslenk.
Preis (Basis, ca.)
ab 170.600 €
ab 210.000 €
ab 189.000 €

Fazit: Das Facelift 992.2 ist ein großer Schritt für den Porsche 911. Das neue digitale Cockpit ist gewöhnungsbedürftig, aber gut gemacht. Die eigentliche Sensation ist der Carrera GTS T-Hybrid. Er beweist eindrucksvoll, dass Hybridisierung im Elfer nicht Verzicht, sondern ein Gewinn an Performance und Effizienz sein kann – ohne das Auto unkenntlich zu machen. Das ansatzlose Ansprechverhalten ist phänomenal, die Fahrdynamik bleibt auf absolutem Top-Niveau. Ja, ein Stück analoge Seele geht verloren, und der Preis ist schwindelerregend. Aber der 911 erfindet sich wieder einmal neu, ohne sich selbst untreu zu werden. Der Mythos lebt – jetzt eben auch unter Strom. Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Chapeau, Porsche!

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