BMW hat die Handschuhe ausgezogen. Der neue 7er, und insbesondere sein vollelektrisches Alter Ego, der i7, ist ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit. Weg ist die filigrane Eleganz früherer Generationen, her mit einer Frontpartie, die aussieht wie eine rollende Festungsmauer. Dieses Auto will nicht gefallen, es will dominieren. Es ist BMWs Versuch, die elektrische Luxusklasse neu zu definieren – nicht durch aerodynamische Effizienz-Rekorde wie der Mercedes EQS, sondern durch pure Präsenz, brachiale Kraft und ein digitales Erlebnis, das irgendwo zwischen Hightech-Lounge und Privatkino angesiedelt ist. Aber ist das noch ein BMW? Ist das noch die “Freude am Fahren”? Oder ist es ein 2,7 Tonnen schwerer Technologie-Overkill auf einer Kompromiss-Plattform? Ich habe den elektrischen Giganten gefahren.
Was genau ist der BMW i7 und wen will er ansprechen?
Der BMW i7 (G70e) ist die vollelektrische Variante der 7er-Reihe, basierend auf der CLAR-Multi-Energy-Plattform. Er nutzt eine 400-Volt-Architektur mit einer Netto-Batteriekapazität von ca. 101,7 kWh. Er ist als Luxuslimousine der Oberklasse positioniert und konkurriert direkt mit dem Mercedes EQS, dem Porsche Taycan und dem Lucid Air.
BMW nennt es “Power of Choice”. Man nimmt eine Plattform (CLAR) und baut darauf alles: Benziner, Diesel, Plug-in-Hybrid und eben Elektro. Das spart Kosten. Ich nenne es: Kompromiss. Im Gegensatz zum Mercedes EQS, der als reines E-Auto konzipiert wurde (und deshalb aussieht wie ein glattgelutschtes Ei), muss der i7 auch einen V8 beherbergen können. Das bedeutet: Längerer Vorderwagen, weniger optimiertes Packaging, kein Frunk. Aber dafür sieht er eben aus wie ein Auto. Ein sehr kontroverses zwar, aber kein aerodynamischer Kieselstein. Für wen er ist? Für den Vorstand, den Chauffeur, den Tech-Enthusiasten mit sehr dickem Geldbeutel, dem ein EQS zu beliebig und ein Tesla Model S zu karg ist. Es ist ein Auto für Leute, die ankommen wollen – und zwar so, dass es jeder merkt.
Welche Antriebsvarianten gibt es: Vernunft-Hecktriebler oder M-Performance-Hammer?
Alle i7-Modelle nutzen die 101,7 kWh (netto) Batterie. Die Hauptvarianten sind der i7 eDrive50 (Heckantrieb, 335 kW/455 PS), der i7 xDrive60 (Allrad, 400 kW/544 PS) und der i7 M70 xDrive (Allrad-Performance, 485 kW/659 PS).
Die Auswahl ist klarer geworden, seit BMW den eDrive50 nachgeschoben hat. Das ist der Einstieg. 455 PS, Heckantrieb – das klingt fast schon wieder nach klassischer BMW-Lehre, oder? Aber bei 2,6 Tonnen Leergewicht ist Heckantrieb im Winter? Mutig. Nein, ich denke, die meisten werden direkt zum i7 xDrive60 greifen. 544 PS, Allrad, 0-100 in 4,7 Sekunden. Das ist der souveräne Allrounder, der die perfekte Balance aus unanständiger Leistung und ultimativem Komfort bietet. Und der M70? Das ist die Ansage. Fast 660 PS, über 1000 Nm Drehmoment, 0-100 in 3,7 Sekunden. Das ist brachial. Das ist schneller als der alte V12. Aber es ist auch absurd schwer (über 2,7 Tonnen) und absurd teuer (über 180.000 Euro). Ein reines Statement-Car. Für 99% der Käufer ist der xDrive60 mehr als genug Auto für den Rest ihres Lebens.
Wie weit kommt der i7 wirklich? (Reichweite & Ladeleistung im Check)
Der i7 nutzt eine 101,7 kWh Netto-Batterie und eine 400-Volt-Architektur. Die maximale DC-Ladeleistung beträgt 195 kW. AC-Laden ist mit 11 kW (optional 22 kW) möglich. Die WLTP-Reichweite liegt zwischen 590 km (M70) und 625 km (xDrive60).
625 Kilometer WLTP (xDrive60). Das ist die offizielle Zahl. Aber wir wissen, was WLTP wert ist, oder? Ein feuchter Händedruck. Im realen Testbetrieb mit dem xDrive60, bei gemischter Fahrweise und normalen Temperaturen, landeten wir bei ca. 450 bis 500 Kilometern. Fährt man zügig Autobahn (konstant 130-140 km/h), muss man eher mit 350 bis 380 Kilometern rechnen. Das ist gut, keine Frage. Aber ein Mercedes EQS 580 (mit ähnlichem Akku) kommt dank seiner Aerodynamik (cW-Wert 0,20 vs. 0,24 beim i7) spürbar weiter. Die kantige Front des i7 fordert eben ihren Tribut beim Verbrauch, der sich bei uns um 22-25 kWh/100 km einpendelte.
Und das Laden? Nur 400 Volt! In einem Flaggschiff, das weit über 140.000 Euro kostet! Während Porsche, Audi und sogar Hyundai/Kia längst auf 800 Volt setzen. BMW sagt, die 195 kW Peak seien dank einer stabilen Ladekurve super. Naja. Mini-Fallstudie (Analyse): Der i7 am Schnelllader
- Problem: Der riesige 101,7 kWh Akku muss von 10 % auf 80 % geladen werden.
- Aktion: Ansteuern einer 300+ kW HPC-Säule, Vorkonditionierung aktiv.
- Messbares Ergebnis: Die Ladung dauert offiziell 34 Minuten. Im Test waren es eher 35-38 Minuten. Das ist nicht langsam. Aber ein Porsche Taycan oder Kia EV9 (mit 800V) schaffen den gleichen Hub in 18-24 Minuten. Das ist fast die Hälfte der Zeit! Auf der Langstrecke macht das einen Riesenunterschied. Immerhin: Der optionale 22 kW AC-Lader ist ein Muss. Damit ist der Akku an der öffentlichen Säule oder der heimischen Power-Wallbox in unter 5 Stunden voll, statt in 10 Stunden mit dem 11 kW-Standardlader.
Zitat von Alex Wind: “Dem i7 einen 11-kW-AC-Lader in die Basis zu packen, ist wie einen Maßanzug mit Plastikschuhen zu verkaufen. Der 22-kW-Lader ist kein Extra, er ist eine Notwendigkeit. Alles andere ist bei der Akkugröße unpraktikabel.”
Das Fahrwerk: Wie viel “Freude am Fahren” steckt im 2,7-Tonnen-Schiff?
Serienmäßig adaptive Zweikammer-Luftfederung an beiden Achsen und Niveauregulierung. Optional “Executive Drive Pro” mit aktiver Wankstabilisierung (48V) und Integral-Aktivlenkung (Hinterachslenkung bis 3,5 Grad).
Hier ist BMW zu Hause. Das ist der Punkt, an dem der i7 den EQS alt aussehen lässt. Der i7 fährt! Serienmäßig schwebt er auf seiner Luftfederung dahin – ein absoluter Komfort-König. Aber wer das Paket “Executive Drive Pro” ordert (und das sollte jeder tun!), bekommt ein anderes Auto. Die aktive Wankstabilisierung (48V-System) hält diese 2,7-Tonnen-Burg in Kurven fast vollkommen waagerecht. Kein Nicken beim Bremsen, kein Wanken in der Kurve. Es ist fast schon unheimlich. Dazu die Hinterachslenkung, die den Wendekreis (über 12 Meter) auf 3er-Niveau drückt und das Auto bei hohem Tempo stabilisiert. Nein, der i7 ist kein M2. Er ist viel zu schwer und die Lenkung zu entkoppelt. Aber die Art und Weise, wie er seine Masse kaschiert und mit unerschütterlicher Ruhe und Präzision um Kurven zirkelt, ist schlichtweg phänomenal. Er ist die fahraktivste Sänfte der Welt. Ein Meisterstück der Fahrwerkstechnik.
Ist das 31-Zoll-Kino im Fond mehr als nur ein Gimmick?
Optional verfügbar ist der 31,3 Zoll 8K BMW Theatre Screen, der aus dem Dachhimmel klappt. Er wird kombiniert mit dem Bowers & Wilkins Diamond Surround Sound System (optional bis zu 36 Lautsprecher) und integriertem Amazon Fire TV.
Das ist der ultimative “Shut up and take my money”-Moment. Man sitzt hinten, drückt einen Knopf auf dem 5,5-Zoll-Touchscreen in der Türverkleidung. Die Jalousien fahren hoch, das Licht wird gedimmt, die Sitze (optional “Executive Lounge” mit Liegefunktion) fahren in Position, und dieser 31-Zoll-8K-Bildschirm klappt aus dem Dach. Das ist kein Auto mehr, das ist ein Privatjet für die Straße. Das B&W System mit Bass-Shakern in den Sitzen tut sein Übriges. Ist das ein Gimmick? Ja, natürlich! Braucht man das? Nein! Ist es das coolste Feature im gesamten Automobilbau aktuell? Absolut! Für den Chauffeur-Betrieb oder reiche Kids auf dem Rücksitz ist das der Hammer. Für den Selbstfahrer? Völlig irrelevant, aber schön zu wissen, dass man es könnte.
Wie schlägt sich das Cockpit mit OS 8.5 und Interaction Bar?
Das Cockpit wird vom BMW Curved Display (12,3 Zoll Instrumente, 14,9 Zoll Infotainment) dominiert, das auf dem Operating System 8.5 (oder 9) läuft. Markant ist die “Interaction Bar”, eine kristalline Leiste mit Ambientebeleuchtung und integrierten Touch-Bedienfeldern.
Das Cockpit ist… gewöhnungsbedürftig. Das Curved Display ist brillant, keine Frage. Das OS 8.5 ist schneller und logischer als das OS 8 davor. Und (Gott sei Dank!) es gibt noch den iDrive-Controller in der Mittelkonsole. Das rettet die Ergonomie, denn viele Funktionen (inklusive Klima) sind tief im Touchscreen vergraben. Aber diese “Interaction Bar”… Puh. Eine blinkende, kristalline Leiste quer durchs Auto. Soll modern sein, wirkt auf mich aber eher wie Kirmes-Bude trifft Swarovski. Geschmackssache. Die automatischen Türen (optional), die auf Knopfdruck auf- und zugehen? Nettes Spielzeug, bis man an einer engen Parklücke steht. Die Materialqualität? Exzellent. Kaschmir-Wolle, Leder, Glas – alles top. Aber das Design wirkt überladen. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Der evolutionäre Weg: Vom E38 zum G70e – ein radikaler Bruch?
Der 7er war immer BMWs Aushängeschild, aber oft der “sportliche” Zweite hinter der S-Klasse. Vom eleganten E38 über den revolutionären (und gehassten) E65 Bangle-7er bis hin zum soliden G11. Der neue G70/G70e ist der radikalste Bruch in dieser Geschichte. Er pfeift auf traditionelle Eleganz und setzt auf pure, fast schon brutale Präsenz und Technologie. Er will nicht mehr nur der Fahrer sein, er will auch der beste Chauffeur-Wagen sein (Theatre Screen). Und er nutzt die CLAR-Kompromiss-Plattform, um den Übergang ins E-Zeitalter zu managen, bevor die “Neue Klasse” (vermutlich 2028/29 auch im Luxussegment) alles übernimmt. Er ist ein Statement des Wandels – ob es ein schönes ist, muss jeder selbst entscheiden.
Advokat des Teufels: Was sind die größten Haken des i7?
Neben der kontroversen Optik und der nur durchschnittlichen 400V-Ladetechnik?
- Das Gewicht: 2,7 Tonnen. Das ist LKW-Niveau. Das frisst Energie, Reifen und Bremsen, egal wie gut die Rekuperation ist.
- Die CLAR-Plattform: Es ist und bleibt ein Kompromiss. Kein Frunk, ein spürbarer Mitteltunnel im Fond, weniger effizientes Packaging als bei reinen E-Plattformen (EQS, Lucid).
- Software-Abhängigkeit: Fast alles ist digital. Wenn die Software hängt (und das tut sie bei OS 8.5/9 immer noch gelegentlich), steht man dumm da. Die Komplexität ist enorm.
- Preis: Er ist absurd teuer. Der xDrive60 startet bei ca. 140.000 Euro. Mit Theatre Screen, Executive Lounge und M-Paket landet man schnell bei 170.000 Euro und mehr.
- Glaubwürdigkeit (Sicherheit): Obwohl vollgestopft mit Assistenten, schnitt der 7er/i7 im Euro NCAP Test 2023 “nur” mit vier Sternen (Basis) bzw. fünf Sternen (mit optionalem Safety Pack) ab, was für ein Flaggschiff dieser Preisklasse ein schwaches Ergebnis ist. Insbesondere der Schutz von Fußgängern wurde kritisiert.
Zukünftiger Ausblick: Wartet der wahre E-7er in der “Neuen Klasse”?
Ja. Das ist das unübersehbare Damoklesschwert über dem i7. Die “Neue Klasse” (NK), die ab 2025/26 startet, wird die dedizierte E-Architektur von BMW sein. Mit 800 Volt, Gen6-Rundzellen, 30% mehr Reichweite, 30% schnellerem Laden und einem völlig neuen Bedienkonzept (Panoramic Vision). Der Nachfolger des i7, der auf dieser NK-Plattform basieren wird (vermutlich 2028/29), wird den aktuellen i7 (G70e) technisch deklassieren. Das macht den G70e zu einem extrem teuren Übergangsmodell. Einem luxuriösen, technologisch beeindruckenden, aber eben zeitlich begrenzten Statement, bevor die wirkliche E-Revolution bei BMW beginnt. Das dürfte den Restwertprognosen von Schwacke & Co. nicht gerade guttun.
Merkmal | BMW i7 xDrive60 | Mercedes EQS 580 4MATIC | Porsche Taycan 4S | Lucid Air Grand Touring |
Konzept | Luxuslimo, CLAR (400V) | Luxuslimo, EVA2 (400V) | Sportlimo, J1 (800V) | Luxuslimo, LEAP (900V+) |
Leistung (ca.) | 544 PS | 544 PS | 571 PS (Boost) | 831 PS |
Akku (Netto) | 101,7 kWh | 108,4 kWh | ca. 89 kWh | 112 kWh |
Reichw. (WLTP) | ca. 625 km | ca. 700 km | ca. 490 km | ca. 839 km |
Ladeleistung (max) | 195 kW | 200 kW | 270 kW | > 300 kW |
Preis (Basis, ca.) | ab 139.000 € | ab 142.000 € | ab 120.000 € | ab 129.000 € |
Fazit: Der BMW i7 (2025) ist ein technologisches Statement. Er setzt Maßstäbe beim Fahrkomfort (dank Executive Drive Pro), bei der Innenraum-Anmutung und beim Fond-Entertainment (Theatre Screen). Er fährt sich für seine schiere Masse erstaunlich agil. Aber er ist auch ein Auto der fundamentalen Kompromisse. Das Design polarisiert extrem. Die CLAR-Plattform limitiert Effizienz und Packaging (kein Frunk). Und die 400-Volt-Ladetechnik ist für ein Flaggschiff dieser Preisklasse, das 2023 auf den Markt kam, schlichtweg nicht mehr zukunftsweisend – besonders im Wissen um die 800V-Architektur der “Neuen Klasse”. Er ist ein beeindruckender, unheimlich luxuriöser und fahraktiver elektrischer 7er, aber nicht das beste Elektroauto, das man für 150.000 Euro kaufen kann. Er ist ein Übergangs-König.


















