Bentley und SUV. Das war mal ein Sakrileg, ähnlich wie bei Porsche damals. Aber genau wie der Cayenne den Zuffenhausenern die Kassen füllte, wurde der Bentayga für Bentley zum Überlebenselixier. Seit 2016 rollt der Luxus-Koloss auf Basis des VW-Konzernbaukastens (MLB Evo, wie Q7, Cayenne, Urus) und spaltet die Gemüter. Ist er ein echter Bentley, eine fahrende Ikone britischer Handwerkskunst? Oder nur ein extrem teuer aufgebrezelter Audi? Nach diversen Updates, der Einführung der Langversion EWB und potenten Hybrid-Optionen ist es Zeit für eine neue Bestandsaufnahme im Modelljahr 2025. Was kann der umstrittene Bestseller wirklich?
Was ist der Bentley Bentayga und wer kauft so etwas?
Der Bentley Bentayga ist ein großes Luxus-SUV (über 5,10 m lang, EWB über 5,30 m) auf der MLB Evo Plattform. Verfügbar mit V8-Biturbo, V6 Plug-in-Hybrid oder (auslaufend/limitiert) W12-Biturbo (Speed). Konkurriert primär mit Rolls-Royce Cullinan, Range Rover SV und Mercedes-Maybach GLS.
Wer kauft einen Bentayga? Leute, für die Geld keine Rolle spielt, aber ein Rolls-Royce Cullinan vielleicht zu protzig (ja, das gibt’s!) oder ein Range Rover nicht exklusiv genug ist. Es ist das Statement-SUV für den dezenten (haha!) Milliardär, den Fußball-Profi, den Immobilien-Tycoon. Man will Luxus, Leistung, Platz – und vor allem das geflügelte B am Grill. Ob die Plattform vom Audi Q7 kommt? Geschenkt. Bentley packt da so viel Leder, Holz und Handarbeit rein, dass man die Wolfsburger Gene kaum noch spürt. Es ist eine Demonstration von Opulenz auf Rädern. Punkt. Und ja, er verkauft sich blendend. Das muss man neidlos anerkennen. Bentley lebt vom Bentayga.
Welche Motoren prägen den Charakter 2025: V8, Hybrid oder der letzte W12?
Der Kernantrieb ist der 4.0 Liter V8 Biturbo (EA825, aus dem VW-Konzern) mit 550 PS und 770 Nm. Der Plug-in-Hybrid kombiniert einen 3.0 Liter V6 (Audi) mit einem E-Motor (Systemleistung bis 462 PS) und 18 kWh Batterie. Der 6.0 Liter W12 Biturbo im Speed (635 PS) ist offiziell ausgelaufen oder nur noch in Restbeständen/Sondermodellen verfügbar.
Der V8. Das ist der Motor, der am besten zum Bentayga passt. Kraftvoll, souverän, mit diesem herrlich unaufgeregten, aber präsenten Grollen. 550 PS reichen immer und überall. Er macht den schweren Bentayga (fast 2,5 Tonnen) erstaunlich flott (0-100 in 4,5 s). Ein Sahnestück, auch wenn er nicht mehr “typisch Bentley” ist wie die alten 6.75-Liter. Der Hybrid? Naja. Ein V6 im Bentley? Klingt schon falsch. Klar, die Systemleistung ist okay, die rund 40 km E-Reichweite sind ein Feigenblatt für die Stadt. Aber das Fahrgefühl? Weniger souverän, der V6 klingt angestrengt, wenn er gefordert wird. Und das Mehrgewicht des Akkus spürt man. Ehrlich gesagt: Das ist eher was für Märkte mit Steueranreizen oder für Leute, die lautlos ins Villenviertel schleichen wollen. Kein echter Bentley-Antrieb. Und der W12 im Speed? Eine Legende. Ein Monument. 635 PS, fast 3 Tonnen auf über 300 km/h katapultieren – Wahnsinn! Aber seine Zeit ist abgelaufen. Zu durstig, zu emissionslastig. Wer noch einen kriegt: Glückwunsch zum Sammlerstück. Für alle anderen bleibt der V8 die klare, stimmige Wahl.
Tipp von Alex Wind: Vergessen Sie den Hybrid, es sei denn, Sie müssen. Der V8 ist der einzig wahre Motor für dieses Auto. Souverän, klangvoll, standesgemäß. Alles andere ist fauler Kompromiss.
Wie schlägt sich das Interieur: Handwerkskunst trifft (überfällige) Digitalisierung?
Das Interieur bietet Platz für vier oder fünf Personen (EWB auch als 4+1). Es zeichnet sich durch handverarbeitetes Leder, Holzfurniere und Metall-Applikationen aus (“Mulliner”-Individualisierung möglich). Das Cockpit umfasst digitale Instrumente (12,3 Zoll) und einen zentralen Touchscreen (10,9 Zoll) mit Bentley-Infotainment (basierend auf VW-System) und kabellosem Apple CarPlay/Android Auto.
Hier ist Bentley zu Hause. Leder, das nach Leder riecht. Holz, das aussieht und sich anfühlt wie Holz. Alles handgenäht, perfekt eingepasst. Die Rändelungen der Schalter, das Gewicht der Lüftungsdüsen – das ist eine andere Welt als bei der deutschen Konkurrenz. Hier spürt man die Manufaktur-Qualität. Besonders im EWB (Extended Wheelbase) mit den optionalen “Airline Seats” im Fond – Liegesitze mit Massage, Belüftung, Fußstützen – das ist First Class auf Rädern. Aber die Digitalisierung? Naja. Das Infotainment-System (im Grunde ein aufgehübschtes VW/Audi-System) ist okay, aber nicht mehr topaktuell. Es funktioniert, keine Frage. Aber im Vergleich zum Hyperscreen von Mercedes oder dem Curved Display von BMW wirkt es etwas klein und weniger integriert. Bentley hinkt hier technologisch immer etwas hinterher. Der Fokus liegt klar auf den Materialien, nicht auf den Pixeln. Muss man mögen.
Sind die Hybrid-Modelle eine echte Alternative oder nur Alibi?
Die Plug-in-Hybrid Modelle nutzen einen 3.0L V6 TFSI (Audi) und einen E-Motor (100 kW). Die Batteriekapazität beträgt 18 kWh (brutto, ca. 14 kWh netto). Die rein elektrische Reichweite liegt bei ca. 40-43 km (WLTP). AC-Laden erfolgt mit bis zu 7,2 kW.
Wie schon gesagt: Alibi. 40 Kilometer elektrische Reichweite in einem Auto dieser Preisklasse? Das ist ein Witz. Damit erfüllt man gerade so die gesetzlichen Mindestanforderungen für irgendwelche Steuer-Schlupflöcher. Im realen Leben sind das vielleicht 30 Kilometer. Genug, um lautlos vom Golfclub nach Hause zu schleichen. Aber ernsthaft elektrisch fahren? Kaum. Dazu kommt das Mehrgewicht und der weniger souveräne Antrieb. Nein, der Hybrid im Bentayga ist keine überzeugende Alternative. Er ist ein Zugeständnis an politische Korrektheit, mehr nicht. Wer elektrisch fahren will, kauft was anderes. Wer Bentley fahren will, nimmt den V8.
Bleibt er der dynamischste Luxus-Panzer? Die Fahrwerks-Magie.
Der Bentayga nutzt eine adaptive Luftfederung und die aktive 48-Volt-Wankstabilisierung “Bentley Dynamic Ride”. Optional ist eine Allradlenkung (im EWB Serie) verfügbar. Das Fahrverhalten ist eine Mischung aus souveränem Komfort und überraschender Agilität.
Hier merkt man die Verwandtschaft zu Cayenne und Urus positiv. Das Fahrwerk ist schlichtweg brillant. Im Komfort-Modus schwebt der Bentayga förmlich dahin, bügelt alles glatt. Aber wehe, man stellt auf “Sport”. Dann strafft sich alles, die Bentley Dynamic Ride (aktive Stabis) eliminiert quasi jede Seitenneigung, und das schwere Schiff lässt sich mit einer Präzision und Agilität um Ecken werfen, die man ihm niemals zutrauen würde. Die optionale Allradlenkung (im EWB Serie, sonst optional) macht ihn in der Stadt handlicher und bei hohem Tempo noch stabiler. Ja, er ist immer noch einer der dynamischsten Vertreter seiner Zunft, vielleicht nicht ganz so spitz wie ein Urus oder Cayenne Turbo GT, aber deutlich agiler als ein Cullinan oder Maybach GLS. Ein beeindruckender Spagat.
Kann dieser Luxusliner überhaupt ins Gelände?
Serienmäßig permanenter Allradantrieb, Luftfederung mit Niveauregulierung und verschiedene Offroad-Fahrmodi (“All-Terrain Specification” optional). Bodenfreiheit bis ca. 24 cm, Wattiefe ca. 50 cm.
Kann er? Ja. Sollte er? Eher nicht. Klar, die technische Basis (MLB Evo mit Luftfederung und Allrad) ist fähig. Man kommt damit weiter als mit 99% aller anderen Autos. Feldwege, nasse Wiesen, verschneite Zufahrten – alles kein Problem. Aber wer fährt mit einem 250.000-Euro-Bentley mit 22-Zoll-Felgen und handpoliertem Lack ernsthaft ins schwere Gelände? Niemand. Es ist gut zu wissen, dass er es könnte. Es gehört zum Image. Aber artgerechte Haltung sieht anders aus. Dafür gibt’s den Defender. Oder einen alten G. Der Bentayga ist ein Luxus-SUV für die Straße, das auch mal schlechte Wege meistert. Mehr nicht. Und das ist auch okay so.
Anekdote: Offroad im Smoking
Ich durfte den Bentayga mal auf einem speziell präparierten Offroad-Parcours fahren. Steile Anstiege, Verschränkungspassagen, Wasserdurchfahrten. Das Auto kletterte mit einer stoischen Ruhe überall hoch und durch, die Luftfederung pumpte die Karosserie nach oben, die Elektronik regelte alles. Währenddessen saß ich im klimatisierten Nappaleder-Sessel, hörte leise Klassik aus dem Naim-Soundsystem und bekam vom Drama draußen kaum etwas mit. Es war absurd. Wie in einem Smoking einen Baum fällen. Technisch beeindruckend, aber irgendwie deplatziert.
Unerwarteter Anwendungsfall: Das ultimative Zugfahrzeug für die Riva
Wer eine klassische Riva Aquarama (oder ein anderes edles Boot) besitzt und standesgemäß zum nächsten See trailern will – für den ist der Bentayga V8 das perfekte Zugfahrzeug. Mit bis zu 3,5 Tonnen Anhängelast, souveränem Allradantrieb, Luftfederung für stabiles Fahrverhalten und dem nötigen Image zieht er jedes Luxus-Spielzeug mühelos und stilvoll. Das ist vielleicht einer der wenigen Anwendungsfälle, wo die Kombination aus Luxus, Kraft und Robustheit wirklich Sinn macht.
Der evolutionäre Weg: Wie der Bentayga Bentley neu erfand.
Bentley war traditionell eine Marke für luxuriöse Limousinen und Coupés. Der Bentayga (ab 2016) war ein radikaler Bruch mit dieser Tradition – und eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Unter VW-Regie sollte Bentley profitabler werden und neue Märkte (insbesondere China und USA) erschließen, wo SUVs boomten. Der Bentayga nutzte geschickt die Synergien der MLB Evo-Plattform, verpasste ihr aber ein unverkennbares Bentley-Gesicht und vor allem ein Interieur in Manufaktur-Qualität. Der Erfolg gab Bentley recht: Der Bentayga wurde schnell zum Bestseller und sicherte das finanzielle Überleben der Marke. Er hat Bentley transformiert – weg vom reinen Traditionshersteller, hin zu einem modernen Luxus-Anbieter, der auch SUV kann. Puristen mögen es bedauern, aber ohne den Bentayga gäbe es Bentley in seiner heutigen Form vielleicht nicht mehr.
Die andere Seite der Medaille: Was ist das stärkste Argument GEGEN den Bentayga?
Das stärkste Gegenargument ist die Plattform-Verwandtschaft und der Preis in Relation zur Technologie.
- Plattform: Man zahlt Bentley-Preise (ab ca. 210.000 € für den V8) für eine Technik-Basis, die auch in einem Audi Q7 (ab ca. 73.000 €) steckt. Auch wenn Bentley massiv veredelt – die grundlegende Architektur bleibt dieselbe.
- Technologie: Das Infotainment ist nicht mehr das Neueste. Die Hybrid-Technik (400V, kleine E-Reichweite, kein DC-Laden) ist für den Preis unterdurchschnittlich. Konkurrenten (Range Rover PHEV) bieten hier mehr.
- Preis: Er ist exorbitant teuer. Der Sprung zu einem Range Rover SV oder selbst zu einem Lamborghini Urus ist teilweise nicht mehr riesig. Und ein Rolls-Royce Cullinan bietet nochmal eine andere Dimension von Luxus und Image (wenn auch zu einem noch höheren Preis).
Man muss sich fragen: Ist die Handwerkskunst im Innenraum und das Bentley-Logo diesen massiven Aufpreis gegenüber einem technisch ebenbürtigen (oder teils überlegenen) Cayenne Turbo oder Audi SQ7/SQ8 wert? Das ist die Gretchenfrage.
Merkmal | Bentley Bentayga V8 | Rolls-Royce Cullinan | Range Rover SV P530 | Mercedes-Maybach GLS 600 |
Plattform | MLB Evo | Architecture of Luxury | MLA-Flex | MHA |
Motor | 4.0L V8 Biturbo | 6.75L V12 Biturbo | 4.4L V8 Biturbo (BMW) | 4.0L V8 Biturbo (MHEV) |
Leistung (ca.) | 550 PS | 571 PS | 530 PS | 557 PS |
Fokus | Performance & Luxus | Ultimativer Luxus | Allround Luxus & Offroad | Opulenz, Chauffeur |
Innenraum-Qualität | Exzellent (Handarbeit) | Benchmark | Sehr gut | Sehr gut |
Preis (Basis, ca.) | ab 210.000 € | ab 360.000 € | ab 190.000 € | ab 175.000 € |
Fazit: Der Bentley Bentayga ist auch 2025 noch ein beeindruckendes Statement im Luxus-SUV-Segment. Er kombiniert auf einzigartige Weise brachiale Leistung (als V8), überraschende Fahrdynamik und exquisite Handwerkskunst im Innenraum. Der EWB setzt Maßstäbe beim Fond-Komfort. Die Hybrid-Versionen bleiben jedoch ein schwacher Kompromiss, und die digitale Technik hinkt der Konkurrenz leicht hinterher. Sein größtes Problem ist der immense Preis in Relation zur technischen Basis aus dem Konzernregal. Wer jedoch einen Bentley will, den stört das nicht. Er kauft das Image, die Handarbeit, das Gefühl, etwas Besonderes zu fahren. Und das liefert der Bentayga zweifellos – wenn auch zu einem sehr, sehr hohen Preis. Ein teurer Kompromiss? Vielleicht. Aber ein verdammt luxuriöser.















