Ein Grollen verstummt. Ende 2023 lief der letzte Dodge Challenger mit V8-Motor vom Band – das Ende einer Ära, die 2008 mit der Wiedergeburt des legendären Muscle Cars begann. Über 15 Jahre lang war der Challenger auf seiner archaischen Plattform ein Fels in der Brandung gegen Downsizing und Elektrifizierung, ein Fest für Fans blubbernder HEMI-Motoren. Doch die Zukunft duldet keinen Stillstand. Während wir dem letzten echten V8-Muscle-Car von Dodge nachtrauern, steht sein Nachfolger schon bereit: der brandneue Dodge Charger, der als elektrisches Coupé die Fackel übernehmen soll. Eine Zäsur, die nicht größer sein könnte.
Was machte den letzten Dodge Challenger (LA-Plattform) so besonders?
Der Challenger (Generation LC/LA, 2008-2023) war mehr als nur ein Auto; er war ein Statement. In einer Zeit, in der Ford Mustang und Chevrolet Camaro immer sportlicher und europäischer wurden, blieb der Challenger seinen Wurzeln treu: ein großes, schweres Coupé mit Fokus auf Längsdynamik, Komfort und vor allem dem HEMI V8.
- Retro-Design: Er war eine brillante Hommage an das Original von 1970, mit einer Präsenz, die kein anderes modernes Muscle Car erreichte.
- Die Motoren: Das Herzstück. Vom “kleinen” 5.7L HEMI über den potenten 6.4L (392) bis hin zu den irrsinnigen Kompressor-V8 in den Hellcat-, Demon- und Redeye-Modellen mit bis zu über 800 PS. Diese Motoren waren laut, durstig und politisch völlig unkorrekt – und genau deshalb so beliebt.
- Alltagstauglichkeit: Im Gegensatz zu Mustang und Camaro bot der Challenger einen geräumigen Innenraum und einen riesigen Kofferraum. Er war der komfortabelste Grand Tourer unter den Muscle Cars.
- Preis-Leistung (V8): Insbesondere die Scat Pack-Modelle mit dem 6.4L V8 boten extrem viel Leistung und Charakter für vergleichsweise wenig Geld.
Der technische Kompromiss war seine Plattform, die im Kern noch auf alten Mercedes-Komponenten (E-Klasse W211) basierte. Das machte ihn schwer und im Handling weniger agil als seine Konkurrenten. Aber genau diese “Old School”-Attitüde war sein Erfolgsrezept.
Warum musste der V8-Challenger sterben?
Die Gründe sind vielfältig, aber unaufhaltsam:
- Emissionsvorschriften: Die immer strengeren globalen CO2- und Abgasnormen machten die großvolumigen V8-Saug- und Kompressormotoren untragbar.
- Plattform-Alter: Die LA-Plattform war technologisch am Ende. Sie konnte moderne Assistenzsysteme, Konnektivität und vor allem Elektrifizierung nicht mehr sinnvoll integrieren.
- Konzernstrategie (Stellantis): Unter dem neuen Mutterkonzern Stellantis liegt der Fokus klar auf Elektrifizierung und neuen, globalen Plattformen wie STLA. Ein Festhalten an der alten, V8-zentrierten Nische war strategisch nicht mehr gewollt.
Das Ende war also unausweichlich und lange angekündigt. Die “Last Call”-Sondermodelle 2023 waren der glorreiche, aber endgültige Abschied.
Der Nachfolger: Was ist der neue Dodge Charger (Daytona / Sixpack)?
Dodge wagt einen radikalen Schnitt. Der Nachfolger heißt Charger, basiert auf der STLA Large-Plattform und übernimmt die Rolle von beiden bisherigen Modellen. Er startet als zweitüriges Coupé (ersetzt den Challenger) und kommt später auch als Viertürer (ersetzt den alten Charger).
Die Revolution findet beim Antrieb statt:
- Charger Daytona (Elektro): Die Speerspitze zum Start. Nutzt eine 400-Volt-Architektur (obwohl STLA Large auch 800V könnte – eine Kostenentscheidung?), zwei E-Motoren (Allrad) und eine ca. 100 kWh Batterie.
- Daytona R/T: 340 kW (462 PS), Boost auf 370 kW (503 PS). 0-100 km/h ca. 4,7 s. Reichweite ca. 510 km.
- Daytona Scat Pack: 440 kW (598 PS), Boost auf 500 kW (680 PS). 0-100 km/h ca. 3,3 s. Reichweite ca. 418 km.
- Besonderheit: Der “Fratzonic Chambered Exhaust” – ein System, das einen künstlichen V8-Sound erzeugen soll, um den emotionalen Verlust zu kompensieren.
- Charger Sixpack (Benzin): Folgt später. Nutzt den neuen 3.0-Liter “Hurricane” Reihensechszylinder-Biturbo in zwei Leistungsstufen:
- Sixpack S.O. (Standard Output): 426 PS.
- Sixpack H.O. (High Output): 558 PS. Damit übertrifft selbst der “kleine” Sixpack bereits den alten 5.7L V8, der H.O. liegt auf Niveau des 6.4L V8.
Das Design ist eine aggressive Weiterentwicklung des klassischen Charger/Challenger-Looks, aber modernisiert und aerodynamisch optimiert. Der Innenraum ist volldigital mit großen Displays.
Tipp von Alex Wind: Der wahre Nachfolger des V8-Feelings könnte paradoxerweise der Charger Sixpack H.O. werden. Der drehfreudige Reihensechszylinder-Biturbo verspricht hohe Leistung und (hoffentlich) einen charaktervollen Klang, wenn auch anders als der V8. Der elektrische Daytona Scat Pack ist zwar brutal schnell, aber eben ein E-Auto mit künstlichem Sound.
Anekdote: Das V8-Beben
Ich stand neben einem Challenger Hellcat Redeye, als der Fahrer den Motor startete. Dieses tiefe, unheilvolle Grollen, das den ganzen Boden zum Vibrieren brachte, gefolgt vom heiseren Bellen beim ersten Gasstoß – das ist eine Urgewalt, die kein Elektroauto, kein künstlicher Soundgenerator jemals nachbilden kann. Es ist nicht nur Lärm, es ist ein physisches Erlebnis. Genau das geht mit dem Ende des Challengers verloren.
Zukünftiger Ausblick & Grauimport-Frage
Der neue Dodge Charger Daytona wird primär für Nordamerika gebaut. Ob und wann er offiziell nach Europa kommt, ist noch unklar. Stellantis hat zwar europäische Pläne für die STLA Large-Plattform (Alfa Romeo Giulia/Stelvio, Maserati), aber ein US-Muscle-Car wie der Charger ist hier eine Nische.
Ein Grauimport wird sicher möglich sein, sobald die Fahrzeuge in den USA verfügbar sind. Die Hürden sind bekannt:
- Kosten: Hoher US-Preis + Transport + Zoll + EUSt. + Homologation. Der Daytona Scat Pack (ca. 70.000 $+) dürfte hierzulande weit über 100.000 € kosten.
- Homologation: Als neues Modell auf einer globalen Plattform könnte die EU-Zulassung einfacher sein als bei Exoten, aber Umbauten (Licht etc.) sind wahrscheinlich.
- Service: Dodge hat kein offizielles Netz mehr in Deutschland. Service wäre auf wenige Spezialisten oder Stellantis-Partner (z.B. Jeep/RAM-Händler) angewiesen, die sich mit der STLA-Plattform auskennen müssen.
- Laden (Daytona): 400V-Technik mit CCS-Anschluss sollte unproblematisch sein, aber die Ladeleistung (max. ca. 183 kW laut US-Daten) ist nicht auf dem Niveau der 800V-Konkurrenz.
Was ist das größte Risiko für den neuen Charger?
Das größte Risiko ist die Akzeptanz bei der Kern-Zielgruppe. Dodge hat sich eine extrem loyale Fangemeinde aufgebaut, die auf V8-Motoren, Heckantrieb und das “Old School”-Feeling schwört. Ob diese Fans bereit sind, auf ein schweres Elektroauto mit Allradantrieb und künstlichem Sound umzusteigen (Daytona) oder einen Reihensechszylinder als V8-Ersatz zu akzeptieren (Sixpack), ist die große Frage. Dodge versucht, die Brücke mit aggressivem Design und Performance-Features zu schlagen, aber der Bruch mit der V8-Tradition ist brutal.
Die folgende Tabelle zeigt den Wandel:
Merkmal | Dodge Challenger R/T Scat Pack (alt) | Dodge Charger Daytona Scat Pack (neu) | Dodge Charger Sixpack H.O. (neu) |
Konzept | 2-Türer Coupé, RWD | 2-Türer Coupé, AWD | 2-/4-Türer, AWD |
Motor | 6.4L V8 Sauger | Elektro (Dual Motor) | 3.0L R6 Biturbo |
Leistung | 492 PS | 680 PS (Boost) | 558 PS |
0-100 km/h | ca. 4,5 s | ca. 3,3 s | ca. 4,0 s (?) |
Gewicht (ca.) | ca. 1.950 kg | ca. 2.650 kg | ca. 2.100 kg (?) |
Sound | Echter V8-Sound | Künstlicher E-Sound | R6-Sound |
Plattform | Alt (Mercedes-Basis) | Neu (STLA Large) | Neu (STLA Large) |
Fazit: Der Abschied vom Dodge Challenger V8 ist schmerzhaft für Fans des puren, ungefilterten Muscle Cars. Er war der Letzte seiner Art. Sein Nachfolger, der neue Dodge Charger, schlägt ein radikal neues Kapitel auf – elektrisch oder mit einem modernen Reihensechser. Ob er die Faszination seines Vorgängers erreichen kann, bleibt abzuwarten. Der Daytona ist technologisch ein Sprung nach vorn, aber emotional ein Fragezeichen. Der Sixpack könnte der heimliche Erbe des V8-Feelings werden. Für deutsche Fans bleibt die Verfügbarkeit ohnehin die größte Hürde. Der V8-Challenger wird als Gebrauchtwagen zur Legende, während der neue Charger versucht, seine eigene Geschichte zu schreiben.

























