Der amerikanische Pick-up-Markt ist ein Schlachtfeld, dominiert von den “Big Three” aus Detroit: Ford F-150, RAM 1500 und Chevy Silverado. Wer hier als Außenseiter angreift, braucht einen verdammt langen Atem und ein verdammt gutes Produkt. Toyota hat es mit dem Tundra geschafft, sich eine Nische zu erobern. Und Nissan? Nissan hat es mit dem Titan versucht. Und ist gescheitert. Im Sommer 2024 wurde die Produktion der zweiten Generation eingestellt – ersatzlos. In den USA ein Eingeständnis des Scheiterns, ist der Titan in Deutschland nicht einmal das. Er ist ein Phantom, ein seltener Grauimport. Ein Auto, das es hier nie gab und nie geben wird. Zeit für eine Autopsie: Was war der Titan? Warum scheiterte er? Und ist er vielleicht der allerdümmste Grauimport, den man sich antun kann?
Was genau war der Nissan Titan (A61)?
Der Nissan Titan (Generation A61, 2016-2024) war ein Full-Size Pick-up Truck, der auf einer eigenständigen Leiterrahmen-Plattform basierte. Angetrieben wurde er zuletzt ausschließlich von einem 5.6-Liter V8-Saugmotor (“Endurance”), gekoppelt an eine 9-Stufen-Automatik, mit Heck- oder Allradantrieb. Er wurde primär in Nordamerika angeboten.
Im Grunde war der Titan Nissans Versuch, einen “besseren” F-150 zu bauen. Die zweite Generation sah bullig aus, bot clevere Details wie die “Titan Box”-Staufächer und hatte serienmäßig diesen wunderbaren 5.6-Liter-V8. Kein Downsizing-Turbo-Quatsch wie bei Ford, kein Mild-Hybrid-Gedöns wie bei RAM. Einfach nur ein ehrlicher, durstiger, großvolumiger Achtzylinder mit sattem Klang und 400 PS. Dazu gab es eine komfortable Kabine und das robuste PRO-4X Modell fürs Gelände. Klingt doch eigentlich gut, oder? Das Problem war nur: “Gut” reicht in diesem Segment nicht.
Warum wurde der Titan 2024 eingestellt? (Historischer Kontext)
Die Produktion des Nissan Titan endet 2024 aufgrund chronisch niedriger Verkaufszahlen in Nordamerika. Er konnte nie signifikante Marktanteile von den etablierten Konkurrenten Ford F-150, RAM 1500 und Chevrolet Silverado erobern. Mangelnde Antriebsvielfalt (nur ein Motor), seltenere Updates und ein schwächeres Markenimage im Truck-Segment führten zur strategischen Entscheidung, das Modell einzustellen.
Es ist das klassische Henne-Ei-Problem. Der Titan war nie schlecht, aber er war eben auch nie besser als die Konkurrenz. Ford bot mehr Motoren (EcoBoost V6!), RAM den besten Komfort (Luftfederung!), GM mehr Varianten. Der Titan bot: einen V8. Das war’s. Nissan hat nie genug investiert, um wirklich mitzuhalten. Keine Hybrid-Option, keine ultra-sparsame Basis, kein Raptor-Gegner (der Warrior blieb ein Konzept). Die Verkaufszahlen waren ein Witz im Vergleich zu den Big Three. Während Ford und GM Millionen von Trucks verkauften, dümpelte der Titan bei wenigen Zehntausend herum. Irgendwann zieht man eben den Stecker. Es hat sich einfach nicht gerechnet. Ein trauriges, aber lehrreiches Kapitel über die Brutalität des US-Truck-Marktes.
Was bot der 5.6-Liter “Endurance” V8 technisch?
Der V8-Motor (VK56VD) war ein 5.6-Liter 32-Ventil DOHC Saugmotor mit Direkteinspritzung. Er leistete zuletzt 400 PS (ca. 406 PS metrisch) und 560 Nm Drehmoment. Gekoppelt war er an eine 9-Stufen-Automatik von Jatco.
Das war das Herzstück und das einzige echte Argument für den Titan. Ein klassischer, frei atmender Achtzylinder. Robust, bewährt, mit einem tollen, tiefen Grollen. Nicht so ein synthetisches Gebrabbel wie die aufgeladenen V6. Der Motor war solide, zog ordentlich, und die 9-Stufen-Automatik (die die alte 7-Stufen ersetzte) war ein Fortschritt. Aber er war eben auch durstig. Realverbräuche von 15 bis 18 Litern auf 100 km waren die Norm. In Zeiten steigender Spritpreise (auch in den USA) ein Nachteil gegenüber Fords effizienteren EcoBoost-Motoren oder den Hybrid-Optionen von Ford und Toyota. Emotional top, rational… naja.
Advokat des Teufels: Warum ist der Import eines Titan nach Deutschland Wahnsinn?
Ein Grauimport des Nissan Titan nach Deutschland ist aus wirtschaftlicher und praktischer Sicht absurd. 1. Kosten: Extrem hoch durch Fahrzeugpreis (US-Preise waren hoch), Transport, 10% Zoll, 19% EUSt. und aufwendige Homologation (§21 StVZO) mit teuren Umbauten (Licht, Abgas). 2. Kein Service-Netz: Nissan-Händler in Deutschland sind auf dieses Modell nicht vorbereitet, haben keine Diagnosesoftware und keine Ersatzteile. 3. Ersatzteil-Katastrophe: Da das Modell jetzt weltweit eingestellt wird, wird die Ersatzteilversorgung selbst für Spezial-Importeure schwieriger und teurer. Karosserieteile? Ein Albtraum. 4. Dimensionen & Verbrauch: Wie alle Full-Size-Trucks ist er zu groß für Europa und der V8-Verbrauch finanziell ruinös. 5. Wiederverkaufswert: Als eingestellter Exot einer Marke, die hier für dieses Segment nicht bekannt ist? Nahezu null.
Ich kann es nicht oft genug betonen: Kauft dieses Auto nicht als Import! Es ist ein Exot, der selbst in seiner Heimat gescheitert ist. Einen F-150 zu importieren ist schon mutig, aber da gibt es wenigstens eine globale Teile-Logistik und eine riesige Community. Einen RAM zu importieren ist dank offizieller Import-Kanäle (AEC/KWA) fast schon normal. Aber einen Titan? Das ist Masochismus für Fortgeschrittene. Man importiert ein totes Pferd.
Zitat von Alex Wind: “Einen Nissan Titan zu importieren, ist wie freiwillig bei Gewitter auf einen Metallmast zu klettern. Das Risiko steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Nur weil er einen V8 hat, ist er kein guter Deal. Er ist ein Groschengrab.”
Anekdote: Die vergebliche Teilesuche
Ich kenne einen US-Car-Liebhaber, der sich vor Jahren einen Titan der ersten Generation geholt hat. Ein schönes Auto. Bis ihm jemand hinten reinfuhr. Stoßstange, Heckklappe, Rückleuchte – kaputt. Klingt banal? Er hat sechs Monate auf die Teile aus den USA gewartet. Sechs! Und das war, als das Modell noch gebaut wurde. Stellt euch das jetzt vor, wo die Produktion komplett eingestellt ist. Das Auto steht wegen eines kleinen Parkremplers ein Jahr lang in der Ecke. Viel Spaß damit. Das muss man sich laut Prognosen von Schwacke oder DAT gar nicht erst anschauen – der Restwert ist durch diesen Service-Albtraum ab Tag 1 quasi nicht existent.
Unerwarteter Anwendungsfall: Der Individualisten-Laster?
Okay, wenn man unbedingt einen Full-Size-Truck will, aber keinen F-150 oder RAM fahren will, weil die “jeder” importiert? Dann wäre der Titan (rein hypothetisch) die Wahl für den extremen Individualisten. Derjenige, der auf dem US-Car-Treffen der Einzige mit diesem Modell sein will. Der technische Kompromiss ist, dass man dafür einen Haufen Geld verbrennt und ein Auto fährt, das technisch (außer dem V8) der Konkurrenz unterlegen war und jetzt keine Zukunft mehr hat. Ein teuer erkaufter Exoten-Status.
Wie schlug er sich gegen die (ebenfalls importierte) Konkurrenz?
In Deutschland muss sich der Titan mit den anderen Grauimporten messen lassen.
- Ford F-150 (Import): Deutlich moderner (Alu-Karosse), viel mehr Motoren-Auswahl (EcoBoost!), bessere Technik, riesige Community, bessere Teileversorgung. Der klare Marktführer.
- RAM 1500 (Offizieller Import): Bestes Fahrwerk (Luftfederung), luxuriösester Innenraum, V8 (oft mit eTorque) oder Diesel verfügbar. Dank offizieller Importeure (wie AEC) mit Garantie und etabliertem Service-Netz. Die vernünftigste Wahl unter den US-Trucks.
- Chevrolet Silverado (Import): Solide, robust, große V8-Auswahl, aber oft weniger modern im Innenraum als RAM oder Ford. Ebenfalls reiner Grauimport.
- Toyota Tundra (Import): Galt lange als der zuverlässigste. Die neue Generation (ab 2022) ist modern (V6-Turbo-Hybrid!), aber auch ein seltener und teurer Import.
Im Vergleich zu F-150 und RAM, die in den USA technologisch führend sind, wirkte der Titan zuletzt einfach alt. Sein einziges Verkaufsargument war der Standard-V8 und oft ein günstigerer Preis (in den USA). Beides zieht in Deutschland nicht. Der RAM ist dank offiziellem Import und überlegener Technik die klar bessere Wahl.
Fazit: Der Nissan Titan war ein tapferer Versuch, in das härteste Automobil-Segment der Welt einzubrechen. Er scheiterte nicht, weil er ein schlechtes Auto war, sondern weil die Konkurrenz einfach zu stark, zu etabliert und zu schnell in der Weiterentwicklung war. Sein Produktionsende 2024 ist das logische Ende eines langen Kampfes. Für den deutschen Markt war er nie relevant und ist es als Grauimport erst recht nicht. Er ist ein Exot für die Geschichtsbücher – ein V8-Relikt ohne Zukunft, ohne Service und ohne rationalen Kaufgrund. Schade um den V8, aber der Rest wird nicht vermisst werden.
























