Umfassender Test des Volvo XC90 Recharge (2025): Lohnt sich der Plug-in-Hybrid-Patriarch noch?

Er war der Vorreiter, der Begründer von Volvos neuer Design-Ära und lange Zeit das Aushängeschild für skandinavischen Luxus und Sicherheit: der Volvo XC90 der zweiten Generation. Seit 2015 auf dem Markt, hat er zahlreiche Updates erfahren und behauptet sich auch 2025 noch wacker im Segment der großen Premium-SUVs. Doch sein rein elektrischer Nachfolger, der EX90, steht bereits in den Startlöchern. Macht es da überhaupt noch Sinn, den XC90 – insbesondere als potenten Recharge Plug-in-Hybrid – in Betracht zu ziehen? Wir haben den schwedischen Patriarchen noch einmal genau unter die Lupe genommen.

Was ist der Volvo XC90 Recharge und an wen richtet er sich?

Der Volvo XC90 Recharge ist die Plug-in-Hybrid-Version des Flaggschiff-SUVs. Er kombiniert einen Vierzylinder-Turbobenziner (T8) mit einem Elektromotor und einer Batterie, um sowohl rein elektrisches Fahren als auch kraftvolle Hybrid-Performance zu ermöglichen. Mit seinen bis zu sieben Sitzen, dem luxuriösen Innenraum und dem Fokus auf Sicherheit richtet er sich primär an anspruchsvolle Familien und Geschäftsleute, die ein geräumiges, komfortables und repräsentatives SUV suchen, aber noch nicht bereit (oder in der Lage) sind, vollständig auf Elektromobilität umzusteigen. Er ist die Brückentechnologie für alle, die die Flexibilität eines Verbrenners schätzen, aber im Alltag oft elektrisch pendeln wollen.

Wie schlägt sich der Plug-in-Hybrid-Antrieb (T8) in der Praxis?

Das Herzstück des XC90 Recharge ist der T8-Antrieb. Ein 2.0-Liter-Vierzylinder-Benziner (mit Turbo und Kompressor bei älteren, nur Turbo bei neueren Versionen) treibt die Vorderachse an, während ein Elektromotor die Hinterachse bedient. Das Resultat ist ein elektrischer Allradantrieb ohne mechanische Verbindung. Die Systemleistung liegt bei beeindruckenden 335 kW (455 PS) und 709 Nm Drehmoment.


Die entscheidende Komponente ist die 18,8 kWh (brutto) Batterie. Sie ermöglicht eine rein elektrische WLTP-Reichweite von bis zu 70 Kilometern. Im realen Testbetrieb sind das eher 50 bis 60 Kilometer – genug für die meisten täglichen Pendelstrecken. Ist der Akku leer, arbeitet der XC90 als effizienter Vollhybrid. Der Übergang zwischen Elektro- und Benzinbetrieb erfolgt meist sanft, nur bei starker Leistungsanforderung meldet sich der Vierzylinder kernig zu Wort.

Mini-Fallstudie: Das tägliche Pendeln


  • Problem: 25 km Arbeitsweg (einfach), Lademöglichkeit zu Hause und in der Firma.
  • Aktion: Der XC90 Recharge wird jeden Abend geladen. Die Fahrten zur Arbeit und zurück erfolgen rein elektrisch im “Pure”-Modus.
  • Messbares Ergebnis: Der Benzinverbrauch für die täglichen Fahrten sinkt auf null. Nur für längere Wochenendausflüge wird der Verbrenner benötigt. Die Betriebskosten im Alltag sind minimal.

Ist die Ladeleistung noch zeitgemäß?

Hier zeigt der XC90 sein Alter. Als Plug-in-Hybrid ist er nicht für DC-Schnellladen ausgelegt. Das Aufladen erfolgt ausschließlich über Wechselstrom (AC). Die maximale Ladeleistung beträgt 6,4 kW (optional, Serie oft nur 3,7 kW).

Das bedeutet: An einer Wallbox oder öffentlichen AC-Säule dauert das Aufladen der leeren 18,8-kWh-Batterie rund 3 Stunden (mit 6,4 kW) bzw. über 5 Stunden (mit 3,7 kW). An einer Haushaltssteckdose sind es eher 8-10 Stunden. Das ist für das nächtliche Laden zu Hause völlig ausreichend, aber für ein schnelles Nachladen unterwegs unpraktisch. Hier liegt der klare Vorteil reiner E-Autos wie dem EX90.


Historischer Kontext: Der XC90 als Wendepunkt für Volvo

Als die zweite Generation des XC90 im Jahr 2015 erschien, war sie mehr als nur ein neues Modell. Sie war der erste Volvo auf der neuen Scalable Product Architecture (SPA) und begründete Volvos moderne Designsprache (“Thors Hammer”-Scheinwerfer) und das aufgeräumte Innenraumkonzept mit dem großen Vertikal-Touchscreen. Sie war auch ein Vorreiter bei der Elektrifizierung (früher T8 “Twin Engine”) und setzte Maßstäbe bei den Assistenzsystemen (“IntelliSafe”). Dieser XC90 hat das Image von Volvo nachhaltig modernisiert und die Marke erfolgreich im Premium-Segment neu positioniert. Er legte den Grundstein für alle nachfolgenden Volvo-Modelle auf der SPA-Plattform (S/V/XC60, S/V90). Der EX90 ist nun der nächste logische Schritt auf einer reinen E-Plattform.

Wie fühlt sich der Innenraum an – Immer noch eine Luxus-Lounge?

Absolut. Hier kann der XC90 auch nach fast zehn Jahren noch überzeugen. Das Design ist minimalistisch und zeitlos elegant. Die Materialqualität ist exzellent – weiches Leder, Echtholz-Einlagen, kühles Metall. Die Sitze gehören zum Besten, was der Markt zu bieten hat: extrem bequem, vielfach verstellbar und optional mit Massagefunktion.

Das vertikale 9-Zoll-Infotainmentsystem (basierend auf Google Android Automotive OS) funktioniert nach einigen Updates mittlerweile flüssig und intuitiv. Google Maps als Navigation, der Google Assistant für die Sprachsteuerung und der Zugang zum Play Store sind klare Vorteile. Der technische Kompromiss ist, dass das Display im Vergleich zu den riesigen Panoramabildschirmen neuerer Konkurrenten klein wirkt. Das optionale Bowers & Wilkins Soundsystem ist nach wie vor eine akustische Referenzklasse. Besonders hervorzuheben ist das exzellente Platzangebot, auch in der optionalen dritten Sitzreihe, die selbst für Erwachsene auf kürzeren Strecken nutzbar ist.

Die folgende Tabelle zeigt die Ladezeiten im Überblick:

Ladequelle
Ladeleistung
Ladezeit (0-100%) ca.
Haushaltssteckdose
2,3 kW
8-10 Stunden
Wallbox / AC-Säule
3,7 kW
5-6 Stunden
Wallbox / AC-Säule
6,4 kW
ca. 3 Stunden

Anekdote: Die schwedische Gelassenheit

Auf einer langen Autobahnfahrt im XC90 Recharge T8 mit aktiviertem “Pilot Assist” (adaptiver Tempomat mit Lenkunterstützung) erlebte ich die wahre Stärke dieses Autos. Das System hielt souverän die Spur und den Abstand, das Bowers & Wilkins System spielte leise Musik, die Massagesitze kneteten sanft den Rücken. Draußen zog die Hektik des Verkehrs vorbei, drinnen herrschte eine fast meditative Ruhe. Der XC90 ist kein Sportwagen, er will es auch nicht sein. Er ist eine Oase der Gelassenheit, ein Meister der entspannten Langstrecke. Das ist Luxus auf schwedische Art.

Was ist das stärkste Argument GEGEN den XC90 Recharge heute?

Das stärkste Gegenargument ist sein Alter und die kommende Konkurrenz aus eigenem Haus. Die SPA-Plattform ist ausgereizt. Im Vergleich zu neueren Modellen auf reinen E-Plattformen (wie dem EX90) oder moderneren Hybrid-Plattformen wirkt der XC90 an manchen Stellen nicht mehr ganz frisch:

  • Infotainment-Display: Wirkt klein im Vergleich zu aktuellen Standards.
  • AC-Ladeleistung: 6,4 kW sind für einen PHEV okay, aber nicht überragend.
  • Verbrenner-Basis: Der Vierzylinder kann unter hoher Last akustisch präsent werden und erreicht nicht die Souveränität eines Sechszylinders der deutschen Konkurrenz.
  • Preis: Der XC90 Recharge T8 ist kein Schnäppchen. Er startet bei über 85.000 Euro und kann mit Ausstattung leicht die 100.000-Euro-Marke knacken. Dafür bekommt man auch brandneue E-SUVs oder modernere PHEVs.
  • Der EX90: Der rein elektrische Nachfolger steht bereit und bietet modernere Technik, mehr Platz und (potenziell) niedrigere Betriebskosten.

Zukünftiger Ausblick: Das Erbe des XC90

Der XC90 der zweiten Generation wird als eines der wichtigsten Modelle in Volvos Geschichte eingehen. Er hat die Marke transformiert und den Weg für die heutige Positionierung geebnet. Sein Erbe lebt im Design und in der Sicherheitsphilosophie aller aktuellen Volvos weiter. Der Recharge T8 war dabei ein wichtiger Schritt in Richtung Elektrifizierung. Auch wenn seine Zeit als Flaggschiff abläuft, wird er als Gebrauchtwagen noch lange eine attraktive Option für Familien bleiben, die einen sicheren, luxuriösen und flexiblen Siebensitzer suchen.

Fazit: Der Volvo XC90 Recharge T8 ist auch 2025 noch ein beeindruckendes SUV. Sein zeitloses Design, der luxuriöse und geräumige Innenraum, das hohe Sicherheitsniveau und die solide elektrische Reichweite machen ihn zu einer attraktiven Wahl für eine bestimmte Käufergruppe. Wer die Flexibilität eines Plug-in-Hybrids sucht und Wert auf 7 Sitze und skandinavisches Understatement legt, macht hier nichts falsch. Wer jedoch die neueste Technologie, maximale Effizienz oder das schnellste Ladeerlebnis sucht, sollte auf den EX90 warten oder sich bei der jüngeren Konkurrenz umsehen. Der Patriarch darf langsam in den wohlverdienten Ruhestand treten, hat aber seine Qualitäten bis zuletzt bewahrt.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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