Retrospektive & Ausblick: Maserati Quattroporte – Abschied vom V8, Warten auf den Elektro-Erben

Er war über Jahrzehnte der Inbegriff der italienischen Luxuslimousine mit Sportwagen-Herz: der Maserati Quattroporte. Sechs Generationen lang verkörperte er Grandezza, Leistung und den unvergleichlichen Klang eines V8 aus Maranello. Doch diese Ära ist nun endgültig vorbei. Die Produktion des aktuellen Quattroporte (M156) läuft aus, der legendäre V8 wird nicht mehr eingebaut. Ein Nachfolger steht zwar in den Startlöchern, rein elektrisch natürlich, ganz im Zeichen von Maseratis “Folgore”-Zukunft. Aber: Er kommt später. Deutlich später als geplant. Was bedeutet dieser Schwebezustand für die Marke? Und was bleibt vom Mythos Quattroporte, wenn der V8 verstummt und der Nachfolger auf sich warten lässt? Eine Analyse zwischen Wehmut und Ungewissheit.

Was war der letzte Maserati Quattroporte (M156)?

Der Maserati Quattroporte (M156) war eine Oberklasse-Luxuslimousine, produziert von 2013 bis 2024. Er basierte auf einer eigenen Plattform (nicht Giorgio) und wurde mit V6-Biturbo-Benzinern (GT, Modena), V6-Diesel (nur anfangs) und zuletzt dem 3.8L V8-Biturbo (Trofeo) angeboten, meist mit Heckantrieb (Q4 Allrad optional für V6). Hauptkonkurrenten waren Porsche Panamera, BMW 7er/8er Gran Coupé und Mercedes S-Klasse/AMG GT 4-Türer.

Der M156 war immer eine Schönheit. Lang, flach, elegant – typisch italienisch eben. Er sah auch nach über zehn Jahren Bauzeit noch gut aus. Aber er war eben auch… alt. Technisch basierte er auf einer Plattform aus der Fiat-Chrysler-Ära vor Stellantis. Das merkte man. Das Infotainment war lange Zeit eine Katastrophe (wurde später mit dem MIA-System besser), die Assistenzsysteme hinkten hinterher, die Verarbeitungsqualität im Detail war nicht immer auf deutschem Premium-Niveau. Sein Trumpf war immer das Design, das Image – und natürlich die Motoren, allen voran der Ferrari-V8. Er war die emotionale, extrovertierte Alternative zur oft kühlen Perfektion der Deutschen. Ein Auto fürs Herz, weniger für den Kopf.


Das Ende einer Legende: Warum musste der V8 sterben?

Der 3.8L V8 Biturbo (F154 Familie, gebaut von Ferrari) im Quattroporte Trofeo leistete 580 PS und war das Herzstück der Baureihe. Die Produktion dieses Motors wurde Ende 2023 eingestellt, da er zukünftige Emissionsvorschriften nicht mehr erfüllt und Ferrari die Lieferverträge auslaufen ließ. Maserati setzt künftig auf den eigenen Nettuno V6 und Elektrifizierung.

Ein trauriger, aber unvermeidlicher Schritt. Dieser V8 war ein Gedicht. Klang, Kraftentfaltung – pure Oper! Aber er war eben auch ein Säufer und passte nicht mehr in die Zeit (und nicht mehr zu Ferraris eigener Strategie). Dass Maserati ihn bis zuletzt im Ghibli, Levante und Quattroporte Trofeo angeboten hat, war ein letztes Aufbäumen. Jetzt ist Schluss. Der Nettuno V6 (im Grecale, MC20) ist zwar technisch brillant, aber er klingt anders, fühlt sich anders an. Der V8-Quattroporte ist damit endgültig Geschichte. Ein herber Verlust für die Marke und für die Fans. R.I.P., V8 Trofeo. Du warst großartig.


Wie schlug sich der M156 zuletzt gegen die Konkurrenz?

Trotz seines Alters und der technischen Defizite bot der Quattroporte einzigartige Qualitäten. Die folgende Tabelle vergleicht den späten Trofeo mit Konkurrenten seiner Zeit.

Merkmal
Maserati Quattroporte Trofeo
Porsche Panamera Turbo S
BMW M760Li xDrive (G12)
Mercedes-AMG S 63 (W222)
Motor
3.8L V8 Biturbo (Ferrari)
4.0L V8 Biturbo
6.6L V12 Biturbo
4.0L V8 Biturbo
Leistung (ca.)
580 PS
630 PS
585 PS
612 PS
Antrieb
RWD
AWD
AWD
AWD
Charakter
Emotional, Klangstark
Präzise, Performance
Souverän, Luxus
Kraftvoll, Technologisch
Innenraum-Tech.
Mittelmäßig (Update half)
Sehr gut
Gut
Sehr gut
Exklusivität
Hoch
Hoch
Mittel
Hoch
Preis (damals, ca.)
ab 165.000 €
ab 185.000 €
ab 175.000 €
ab 170.000 €

Er war nie der Schnellste, nie der Modernste, nie der Perfekteste. Aber er hatte Stil. Er hatte diesen unglaublichen Motor. Er war ein Statement. Man kaufte ihn nicht trotz, sondern wegen seiner kleinen Macken. Er war der italienische Gentleman unter den deutschen Business-Anzügen. Ein Auto mit Seele in einer zunehmend seelenlosen Welt. Das konnte die Konkurrenz oft nicht bieten, bei aller technischen Brillanz.


Was wissen wir über den elektrischen Nachfolger – und warum verzögert er sich?

Der Nachfolger soll rein elektrisch werden (“Quattroporte Folgore”), kleiner und sportlicher positioniert sein als der M156 und auf einer fortschrittlichen Elektro-Plattform basieren (vermutlich STLA Large oder Derivat) mit 800-Volt-Technik. Der Start war für 2025 geplant, wurde aber auf unbestimmte Zeit (vermutlich 2026+) verschoben. Als Grund werden Nachbesserungen bei Performance und Reichweite genannt, um die internen Ziele zu erreichen.

Da ist also der Wurm drin. Der elektrische Nachfolger, der eigentlich schon fast da sein sollte, verspätet sich. Warum? Offiziell heißt es: Man will sicherstellen, dass er die Performance- und Reichweitenziele erfüllt. Klingt erstmal gut. Aber es könnte auch bedeuten, dass die STLA Large Plattform (die ja auch unter dem neuen Dodge Charger steckt) vielleicht doch noch nicht ganz so weit ist, wie man dachte. Oder dass Maserati merkt, dass man mit dem geplanten Konzept (kleiner, sportlicher) vielleicht doch nicht gegen Taycan & Co. ankommt und nochmal nachschärfen muss. Die 800 Volt und drei Motoren (wie im GranTurismo Folgore) scheinen gesetzt. Das wären dann über 760 PS, vielleicht sogar mehr. Reichweite? Muss deutlich über 500 km liegen, eher Richtung 600-700 km, um konkurrenzfähig zu sein. Das Ganze verpackt in einem schicken, aber eben kleineren Format als bisher. Ob das der traditionellen Quattroporte-Kundschaft gefällt? Schwierig. Der Name verpflichtet eben zu Größe und Präsenz. Diese Neupositionierung ist riskant. Und die Verzögerung? Kein gutes Zeichen.

Tipp von Alex Wind: Wer auf den elektrischen Quattroporte wartet: Geduld mitbringen. Und flexibel sein. Das finale Produkt könnte anders aussehen (und später kommen) als ursprünglich gedacht. Maserati ist im Umbruch, da wackelt schon mal der Zeitplan.

Historischer Kontext: Sechs Generationen viertüriger Grandezza

Der Quattroporte (wörtlich: “vier Türen”) ist eine der ältesten und traditionsreichsten Luxuslimousinen der Welt. Die erste Generation (AM107) kam 1963 auf den Markt und war damals eine der schnellsten Limousinen überhaupt. Jede Generation spiegelte ihre Zeit wider – vom eleganten Frua-Design (Quattroporte III) über die kantige Biturbo-Ära (Quattroporte IV) bis hin zur gefeierten fünften Generation (M139, Pininfarina-Design, Saug-V8) und dem nun auslaufenden M156. Der Quattroporte war immer mehr als nur ein Transportmittel. Er war ein Symbol für italienischen Stil, für die Verbindung von Luxus und Leistung. Der kommende elektrische Nachfolger hat also verdammt große Fußstapfen zu füllen.

Advokat des Teufels: War der letzte Quattroporte (M156) am Ende doch nur ein Blender?

Trotz V8-Herz und schönem Kleid – der M156 hatte unübersehbare Schwächen: 1. Veraltete Technik: Infotainment, Assistenzsysteme, Plattform – vieles war nicht mehr auf dem Stand der Konkurrenz. 2. Qualität & Zuverlässigkeit: Die Verarbeitungsqualität im Detail war schwankend, die Zuverlässigkeit (insbesondere Elektronik) galt als problematisch. Hohe Wartungskosten. 3. Platzangebot: Trotz seiner Größe war der Innenraum (besonders im Fond) nicht so geräumig wie bei S-Klasse Langversion oder 7er. 4. Preis-Leistungs-Verhältnis: Er war extrem teuer für das Gebotene, der Wertverlust enorm.

Man muss es so hart sagen: Objektiv betrachtet war der M156 in seinen letzten Jahren kein wirklich gutes Auto mehr im Vergleich zur Konkurrenz. Er lebte vom Mythos, vom Design und vom Motor. Aber technologisch war er abgehängt. Ein Blender? Vielleicht zu hart. Aber definitiv ein Auto, das mehr versprach, als es oft halten konnte. Man musste ihn schon sehr lieben (oder leasen), um über die Schwächen hinwegzusehen.

Zukünftiger Ausblick: Kann der Elektro-Quattroporte den Mythos retten?

Die Aufgabe für den elektrischen Nachfolger ist gigantisch. Er muss nicht nur technologisch überzeugen (Reichweite, Laden, Performance), sondern auch die emotionale Lücke füllen, die der V8 hinterlässt. Kann ein leiser Stromer die Grandezza und das Drama eines Quattroporte verkörpern? Maserati versucht es mit brachialer Leistung (Folgore-Strategie) und hochwertigem Design. Aber der Erfolg hängt davon ab, ob es gelingt, ein einzigartiges “Maserati-Fahrgefühl” auch im E-Zeitalter zu kreieren und gleichzeitig die Qualitätsprobleme der Vergangenheit abzulegen. Die Verzögerung zeigt, wie schwierig dieser Spagat ist. Die Zukunft des Quattroporte – und vielleicht der ganzen Marke – hängt am Gelingen dieses elektrischen Neuanfangs. Es ist eine Wette mit hohem Einsatz.

Anekdote: Der Opernbesuch im V8

Ich fuhr einmal mit einem Quattroporte GTS zur Oper. Im Anzug. Das Auto passte perfekt. Auf der Hinfahrt im Stadtverkehr glitt er leise und komfortabel dahin, der V8 nur ein fernes Grollen. Nach der Vorstellung, auf der leeren nächtlichen Stadtautobahn, ein kurzer Gasstoß. Der V8 erwachte, die Oper auf der Bühne wurde abgelöst von der Oper aus vier Endrohren. Gänsehaut. Diese Kombination aus Eleganz, Kultur und brachialer Urgewalt – das war der Quattroporte. Das wird man vermissen.

Merkmal
Maserati Quattroporte Trofeo (alt)
Porsche Panamera Turbo E-Hybrid (neu)
BMW i7 M70 xDrive
Mercedes-AMG GT 63 S E Perf.
Konzept
Luxuslimo, V8 RWD
Luxuslimo, V8 PHEV AWD
Luxuslimo, BEV AWD
4-Türer Coupé, V8 PHEV AWD
Leistung (ca.)
580 PS
680 PS (System)
659 PS
843 PS (System)
0-100 km/h (ca.)
4,5 s
3,2 s
3,7 s
2,9 s
Preis (ca.)
ca. 170.000 € (zuletzt)
ab 192.000 €
ab 168.000 €
ab 208.000 €

Fazit: Der Maserati Quattroporte M156 verlässt die Bühne – und mit ihm der legendäre Ferrari-V8. Was bleibt, ist die Erinnerung an eine wunderschöne, aber technisch nicht immer perfekte Limousine mit viel Herz und Klang. Als Gebrauchtwagen ist er eine Option für Liebhaber mit Risikobereitschaft. Der elektrische Nachfolger lässt auf sich warten und steht vor der Herkulesaufgabe, den Mythos neu zu erfinden. Ob ihm das gelingt, ist eine der spannendsten Fragen in der automobilen Luxuswelt. Der Thron des Quattroporte ist vorerst verwaist. Eine Zäsur für Maserati.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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