S-Klasse, 7er, A8 – das Triumvirat der deutschen Luxus-Limousinen schien unantastbar. Doch aus Korea rollt ein Herausforderer heran, der es ernst meint: der Genesis G90. Schon sein Vorgänger war ein Achtungserfolg, doch die aktuelle Generation (RS4) will mehr. Sie tritt mit opulentem Design, modernster Technik und einem klaren Fokus auf Komfort an, um die etablierte Konkurrenz das Fürchten zu lehren. In Deutschland versucht Genesis den Angriff allerdings auf leisen Sohlen – angeboten wird der G90 offiziell nur als Langversion (LWB) über ausgewählte Partner. Ein Exot also. Aber vielleicht einer, den man auf dem Zettel haben sollte? Ich habe mich in den Fond des koreanischen Flaggschiffs fallen lassen – und war überrascht.
Was genau ist der Genesis G90 LWB und wer soll ihn kaufen?
Der Genesis G90 LWB ist die Langversion (+19 cm) der Oberklasse-Limousine von Genesis. Er basiert auf der M3-Plattform von Hyundai/Genesis (primär Heckantriebs-Architektur). In Deutschland wird er ausschließlich mit dem 3.5L V6 Biturbo Mild-Hybrid Motor und Allradantrieb angeboten. Hauptkonkurrenten sind Mercedes S-Klasse Langversion, BMW 7er und Audi A8 L.
Ein koreanischer Luxusliner für Deutschland, also. Aber nur auf Bestellung und nur als Langversion. Was heißt das im Klartext? Genesis zielt hier nicht auf den breiten Markt, sondern auf eine spitze Zielgruppe: Chauffeurdienste, Hotels, vielleicht ein paar Individualisten, denen die deutschen Platzhirsche zu alltäglich sind. Sie wollen über Exklusivität und vielleicht den Preis punkten. Und natürlich über das Design – das Ding sieht schon verdammt gut aus, muss man neidlos anerkennen. Diese zweigeteilten Leuchten, die eleganten Linien. Das hat was. Aber reicht das, um gegen das Image einer S-Klasse anzukommen? Schwierig. Sehr schwierig.
Wie schlägt sich der 3.5L V6 Biturbo mit Mild-Hybrid?
Der in Deutschland angebotene G90 LWB nutzt einen 3.5-Liter V6 Biturbo-Benziner mit 48V-Mildhybrid-System (integrierter Startergenerator, elektrischer Zusatzverdichter). Leistung: 305 kW (415 PS), 549 Nm. Gekoppelt an eine 8-Stufen-Automatik und serienmäßigen Allradantrieb.
Okay, 415 PS aus einem V6 Turbo. Das ist standesgemäß. Kein V8 mehr wie im Vorgänger (den gab’s hier aber eh kaum), aber der Biturbo schiebt die gut 2,3 Tonnen schwere Limousine souverän an (0-100 km/h in ca. 5,2 s). Das Mild-Hybrid-System mit dem elektrischen Verdichter soll das Turboloch minimieren – und das funktioniert erstaunlich gut. Der Antritt ist spontan, die Kraftentfaltung sehr linear und kultiviert. Die Automatik schaltet butterweich. Ist das auf S-Klasse Niveau? Fast. Der Sechszylinder von Mercedes läuft vielleicht noch eine Spur seidiger. Aber der Genesis-Antrieb ist keinesfalls eine Enttäuschung. Er passt perfekt zum gelassenen Charakter des Autos. Der technische Kompromiss ist der Verbrauch: Unter 12-13 Litern wird man diesen Koloss im Alltag kaum bewegen. Aber wer in dieser Liga kauft, schaut da vermutlich eh nicht drauf. Wichtiger ist die Laufkultur. Und die stimmt.
Ist der Innenraum die wahre Stärke – S-Klasse auf Koreanisch?
Der Innenraum des G90 LWB bietet zwei Reihen mit optional zwei luxuriösen Einzelsitzen im Fond (First-Class VIP-Sitze). Er verfügt über ein digitales Cockpit mit zwei 12,3-Zoll-Displays (Instrumente und Infotainment), ein Head-up-Display, ein Bang & Olufsen 3D-Soundsystem (23 Lautsprecher) und hochwertige Materialien wie Nappaleder und Echtholz. Besonderheiten sind Mood Curator (Innenraumbeduftung, Ambiente), elektrisch schließende Türen und UV-Sterilisation.
Hier spielt Genesis seine Karten aus! Was die Koreaner hier abliefern, ist schlichtweg beeindruckend. Die Materialqualität? Absolut auf Augenhöhe mit Mercedes und BMW, vielleicht sogar besser als bei Audi. Dieses Nappaleder, die Holzeinlagen, die Metall-Applikationen – alles fasst sich fantastisch an und ist perfekt verarbeitet. Das Design ist elegant, modern, aber nicht überladen. Die Bedienung über den zentralen Touchscreen und den Dreh-Drück-Steller funktioniert gut. Und der Fond in der LWB-Version? Ein Traum. Die optionalen VIP-Sitze lassen sich fast flachlegen, bieten Massage, Belüftung, eigene Bildschirme. Dazu Features wie elektrisch schließende Türen (EasyClose) oder der Mood Curator – das ist First Class. Ehrlich gesagt: Hier muss sich der G90 vor niemandem verstecken. Das ist sein Revier.
Tipp von Alex Wind: Wer den G90 als Chauffeur-Limousine oder für maximalen Reisekomfort sucht: Unbedingt die VIP-Sitze im Fond ordern. Das hebt das Erlebnis auf ein anderes Level und ist der eigentliche Kaufgrund für die Langversion.
Wie fährt er sich? Gleiter oder verkappter Sportler?
Serienmäßig mit adaptiver Luftfederung und kamerabasierter “Road Preview”-Funktion. Optional mit Hinterachslenkung (bis zu 4 Grad). Fahrverhalten primär auf Komfort ausgelegt.
Ganz klar: Der G90 ist eine Sänfte. Die Luftfederung bügelt in Kombination mit der kamerabasierten Vorausschau (“Road Preview”) fast jede Unebenheit glatt. Das Auto gleitet förmlich dahin. Die Geräuschdämmung ist phänomenal, es herrscht eine fast schon unheimliche Stille an Bord. Die optionale Hinterachslenkung macht den langen Radstand (über 3,30 Meter!) erstaunlich handlich in der Stadt und stabiler auf der Autobahn. Ist er sportlich? Nein. Selbst im Sportmodus bleibt er komfortabel, die Lenkung ist präzise, aber sehr leichtgängig und gefühlsarm. Das ist kein Auto zum Kurvenräubern, sondern zum entspannten Reisen. Genau das, was die Zielgruppe will. Er fährt sich nicht ganz so souverän-unerschütterlich wie eine S-Klasse, aber verdammt nah dran. Und deutlich komfortabler als ein 7er BMW.
Historischer Kontext: Vom Hyundai Equus zum ernsthaften Premium-Player
Genesis ist als Marke noch jung (eigenständig seit 2015), aber die Wurzeln des G90 reichen weiter zurück. Sein direkter Vorgänger war der Hyundai Equus, Hyundais erster Versuch in der Luxusklasse. Mit der Gründung von Genesis wurde der Equus zum G90 (Generation HI). Er war solide, luxuriös, aber es fehlte ihm an Image und Feinschliff, um wirklich gegen die Deutschen zu bestehen. Die aktuelle Generation (RS4) ist der erste G90 auf einer neueren Plattform und der erste, der konsequent die neue Genesis-Designsprache trägt. Er ist der Beweis, dass Genesis/Hyundai nicht nur Volumen, sondern auch echten Luxus kann. Der Schritt, ihn (wenn auch nur als LWB) offiziell nach Deutschland zu bringen, ist ein Zeichen für das gewachsene Selbstbewusstsein der Marke.
Advokat des Teufels: Was sind die größten Schwachstellen des G90 in Deutschland?
Trotz seiner beeindruckenden Qualitäten kämpft der G90 hierzulande mit erheblichen Nachteilen:
- Markenimage & Bekanntheit: Genesis ist immer noch ein Nischenanbieter. Das Prestige einer S-Klasse oder eines 7ers erreicht die Marke (noch) nicht. Wer über 120.000 Euro für eine Limousine ausgibt, will oft auch das entsprechende Logo am Grill.
- Dünnes Händler- & Servicenetz: Das Netz an Genesis-Studios und Servicepartnern ist extrem überschaubar. Die Wartung oder Reparatur könnte aufwendig sein, lange Anfahrtswege inklusive. Das ist für eine Chauffeur-Limousine, die Geld verdienen muss, ein K.O.-Kriterium.
- Wiederverkaufswert: Als Exot einer jungen Marke ist der Wertverlust schwer kalkulierbar und potenziell deutlich höher als bei den etablierten deutschen Konkurrenten.
- Nur eine Variante (LWB, V6): Keine Auswahl bei Länge oder Motorisierung (kein Basismodell, kein V8, kein Hybrid/Elektro in DE). Das schränkt die Zielgruppe weiter ein.
- Preis: Obwohl oft etwas günstiger als vergleichbar ausgestattete Deutsche, ist der G90 LWB mit einem Basispreis von ca. 115.000 Euro immer noch extrem teuer. Der Preisvorteil ist nicht (mehr) riesig.
Man muss schon sehr bewusst “anders” sein wollen, um diese Nachteile in Kauf zu nehmen.
Anekdote: Die schließende Tür
Ich saß im Fond des G90 LWB, die Tür stand offen. Statt mich vorzubeugen und sie zuzuziehen, drückte ich einfach einen Knopf in der Mittelkonsole. Sanft und lautlos schwang die schwere Tür ins Schloss. Ein kleines Detail, ja. Aber genau diese Details, dieses Gefühl von mühelosem Luxus, machen den Unterschied in dieser Klasse. Und der G90 beherrscht sie erstaunlich gut. Man fühlt sich wichtig in diesem Auto. Vielleicht sogar wichtiger als in manchem deutschen Konkurrenten.
Zukünftiger Ausblick: Wie geht es mit Genesis’ Luxuslimousinen weiter?
Der G90 ist aktuell das Verbrenner-Flaggschiff. Aber die Zukunft ist elektrisch. Genesis hat bereits den Electrified G80 und plant weitere E-Modelle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch der Nachfolger des G90 (oder ein neues Flaggschiff darüber) rein elektrisch sein wird, möglicherweise auf der kommenden eM-Plattform von Hyundai/Genesis. Der aktuelle G90 mit seinem V6-Mildhybrid ist also eher ein Brückenmodell – technologisch beeindruckend, aber eben noch nicht der finale Schritt in die E-Zukunft der Marke im Luxussegment. Wann dieser Schritt kommt? Wahrscheinlich gegen Ende des Jahrzehnts.
Merkmal | Genesis G90 LWB (2025) | Mercedes S 500 L 4MATIC | BMW 740i xDrive | Audi A8 L 55 TFSI quattro |
Konzept | Luxuslimo LWB, V6 MHEV | Luxuslimo LWB, R6 MHEV | Luxuslimo, R6 MHEV | Luxuslimo LWB, V6 MHEV |
Leistung (ca.) | 415 PS | 449 PS | 381 PS | 340 PS |
Innenraum-Luxus | Sehr hoch | Exzellent | Sehr hoch | Sehr hoch |
Marken-Prestige | Mittel | Sehr hoch | Sehr hoch | Hoch |
Servicenetz DE | Schwach | Exzellent | Exzellent | Gut |
Preis (Basis LWB, ca.) | ab 115.000 € | ab 129.000 € | ab 114.000 € | ab 111.000 € |
Fazit: Der Genesis G90 LWB ist eine beeindruckend gute Luxuslimousine. Er sieht fantastisch aus, bietet einen Innenraum auf absolutem Top-Niveau, fährt extrem komfortabel und ist vollgestopft mit moderner Technik. Er muss sich qualitativ und technologisch nicht vor S-Klasse & Co. verstecken. Seine größten Schwächen in Deutschland sind das dünne Servicenetz, das noch fehlende Markenprestige und der hohe Wertverlust. Wer darüber hinwegsehen kann und eine exklusive, extrem komfortable Chauffeur- oder Reiselimousine sucht, findet im G90 eine faszinierende Alternative. Er ist ein Angriff auf leisen Sohlen – aber einer, den man durchaus ernst nehmen sollte. Die Koreaner lernen verdammt schnell.































