Genesis GV80 (2026): Wenn der Butler plötzlich Boxhandschuhe trägt

Lange Zeit war der Genesis GV80 der höfliche Gast auf der deutschen Premium-Party. Er sah aus wie ein Bentley zum halben Preis, war innen besser verarbeitet als ein Mercedes, aber fuhr sich so entspannt, dass Pulsbeschleunigung ein Fremdwort war. Doch mit dem Modelljahr 2026 ist die Höflichkeit vorbei. Genesis hat dem GV80 das Dach abgeschnitten, ihn GV80 Coupé getauft und ihm eine Technik implantiert, die wir sonst nur von AMG kennen: Einen elektrischen Zusatzverdichter. Während BMW beim X6 das Design immer weiter radikalisiert, setzt Genesis auf Eleganz mit Muskeln. In “Bering Blue” oder dem aggressiven “Magma Orange” (eine Hommage an die neue Performance-Linie) steht er da und fordert die deutsche Platzhirsche heraus. Ich bin das neue Topmodell mit dem E-Supercharger gefahren. Ist das nur Show, oder kann der Koreaner jetzt auch Sport?

Der E-Supercharger: 415 PS ohne Gedenksekunde?

Das Highlight im GV80 Coupé (und optional im SUV) ist der 3.5-Liter V6 mit 48V E-Supercharger. Er leistet 305 kW (415 PS) und 549 Nm. Der elektrische Verdichter soll das Turboloch eliminieren, bevor die zwei klassischen Turbos übernehmen.

Lassen wir die Technik-Vorlesung. Was passiert, wenn man drauf tritt? Es ist faszinierend. Normalerweise brauchen große Turbomotoren eine “Gedenksekunde”. Einatmen, Ladedruck aufbauen, losfahren. Der GV80 mit E-Verdichter überspringt das “Einatmen”. Er springt sofort los. Das Ansprechverhalten im “Sport+”-Modus ist giftig. Aber: Er ist kein X6 M60i. Die 415 PS haben mit den 2,2 Tonnen gut zu tun. Er ist schnell (ca. 5,6 Sekunden auf 100 km/h), aber er ist kein Rennwagen. Der Motor klingt kernig (leider auch etwas künstlich über die Boxen), aber er säuft wie ein Großer. Unter 12 Litern geht gar nichts, wer Spaß hat, sieht die 15. Wer Effizienz sucht, muss auf den angekündigten Hybrid (Ende 2026) warten. Wer Souveränität sucht, wird diesen Motor lieben.

Coupé vs. SUV: Schönheit muss nicht leiden

Das Coupé hat eine abfallende Dachlinie, einen integrierten “Ducktail”-Spoiler und exklusive 22-Zoll-Felgen.

Normalerweise bedeutet “Coupé-SUV”: Hinten sitzen nur Kinder, und der Hund muss zu Hause bleiben. Nicht so bei Genesis. Die Dachlinie fällt erst sehr spät ab. Ich (1,85 m) kann hinten sitzen, ohne den Dachhimmel zu polieren. Der Kofferraum ist flacher, aber die Grundfläche bleibt riesig. Genesis hat hier den besten Kompromiss der Klasse gefunden: Es sieht aus wie ein Coupé, nutzbar ist es aber fast wie ein SUV. Und die Carbon-Applikationen im Innenraum (beim Coupé Serie) wirken tatsächlich sportlich, nicht wie aufgeklebte Folie.

Das 27-Zoll-Kino: Besser als der Hyperscreen

Das dominierende Element im Innenraum ist das 27-Zoll-OLED-Display, das Tacho und Infotainment nahtlos verbindet.

Hier zeigt Genesis Mercedes, wie man es richtig macht. Kein riesiges Glasbrett, das spiegelt und blendet. Sondern ein schlanker, eleganter Screen mit einer Auflösung, die so scharf ist, dass es fast weh tut. Die Bedienung über den Dreh-Drück-Steller (Crystal Sphere) oder Touch ist intuitiv. Und die Materialien… meine Güte. Wo Sie im BMW X5 untenrum Hartplastik finden, finden Sie im GV80 weiches Leder oder unterschäumte Flächen. Die gesteppten Sitze sind S-Klasse-Niveau. Einziges Manko: Die Klimabedienung erfolgt über ein separates Touch-Feld. Es hat haptisches Feedback, aber man muss trotzdem hinschauen. Echte Drehregler wären hier der letzte Schritt zur Perfektion gewesen.

Fahrwerk: “Road Preview” bügelt (fast) alles weg

Die Kamera scannt die Straße und stellt die Dämpfer auf Schlaglöcher ein, bevor man sie überfährt.

Das funktioniert im Komfort-Modus brillant. Der GV80 schwebt. Aber im Coupé wollten die Ingenieure “Sportlichkeit” beweisen. Und das ist das Problem. Auf 22-Zoll-Felgen und im Sport-Modus reicht der GV80 kurze Stöße trocken durch. Er versucht, ein Sportwagen zu sein, der er physikalisch nicht ist. Mein Tipp: Lassen Sie ihn im “Comfort”-Modus oder konfigurieren Sie den “Custom”-Modus (Motor Sport, Fahrwerk Comfort). Dann haben Sie den perfekten Gran Turismo: Schnell, leise und bequem.

Preis-Check: Kein Schnäppchen mehr, aber fair

Ein voll ausgestattetes GV80 Coupé mit dem E-Supercharger kostet in Deutschland ca. 110.000 bis 115.000 Euro.

Das klingt nach viel Geld für einen “Hyundai-Konzern-Wagen”. Aber konfigurieren Sie mal einen BMW X6 xDrive40i oder einen Mercedes GLE 450 Coupé auf dieses Niveau (Nappa, 22 Zoll, alle Assistenten, Soundsystem). Da landen Sie bei 135.000 Euro. Sie sparen also den Wert eines Kleinwagens und bekommen dazu 5 Jahre Garantie und den inkludierten Service (Hol- und Bringdienst). Der Genesis ist nicht mehr “billig”. Aber er ist “preiswert” im wörtlichen Sinne.

Der Herausforderer im Ring

Feature
Genesis GV80 Coupé 3.5T E-SC
BMW X6 xDrive40i (Facelift)
Mercedes GLE 450 Coupé
Motor
V6 Biturbo + E-Verdichter
R6 Turbo + Mild-Hybrid
R6 Turbo + Mild-Hybrid
Leistung
415 PS
381 PS
381 PS
Drehmoment
549 Nm
540 Nm
500 Nm
0-100 km/h
ca. 5,6 s
5,4 s
5,6 s
Cockpit
27 Zoll OLED (Elegant)
Curved Display (Technisch)
Widescreen (Klassisch)
Verbrauch
Hoch (ca. 12-13 l)
Mittel (ca. 10-11 l)
Mittel (ca. 10-11 l)
Garantie
5 Jahre (inkl. Service)
3 Jahre
2 Jahre
Preis (Ausgestattet)
ca. 112.000 €
ca. 130.000 €
ca. 132.000 €

Fazit: Kaufen Sie ihn für den Auftritt, nicht für die Rundenzeit

Der Genesis GV80 Coupé (2026) ist ein Statement. Er sagt: “Ich habe Geld, aber ich muss keinen Stern fahren, um das zu beweisen.” Der E-Supercharger-Motor ist ein technischer Leckerbissen, der dem schweren Wagen die Trägheit nimmt. Wenn Sie akzeptieren, dass er trotz “Coupé”-Form und “Sport”-Modus am liebsten ein luxuriöser Gleiter ist, dann ist er das derzeit attraktivste Angebot im Segment. Er sieht teurer aus als er ist, und er fühlt sich teurer an als die deutsche Konkurrenz. Was will man mehr?

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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