GMC Canyon (2026): Der teure Außenseiter für Individualisten

Wenn Sie in Deutschland einen Pickup fahren, sitzen Sie meistens in einem Ford Ranger oder einem VW Amarok. Das ist vernünftig, das ist solide, das ist… langweilig. Wer auf dem Baumarkt-Parkplatz wirklich auffallen will, muss importieren. Der GMC Canyon des Modelljahres 2026 ist der Geheimtipp für alle, denen ein Ford F-150 zu groß und ein Ranger zu gewöhnlich ist. Er sieht aus wie eine Festung auf Rädern, trägt Chrom wie Schmuck und verspricht “Professional Grade”. Doch der Import hat seinen Preis. Und ich spreche nicht nur von den gut 70.000 Euro, die Importeure für einen AT4X aufrufen. Ich spreche vom Motor. GMC zwingt uns einen Vierzylinder auf, wo die Konkurrenz mit V6-Power protzt. Ich habe den US-Boy über deutsche Autobahnen und durch bayerischen Schlamm gejagt, um herauszufinden: Ist das “TurboMax”-Triebwerk ein Geniestreich oder eine Beleidigung?

Der Motor: 4 Zylinder, die sich wie ein V8 fühlen wollen

Der 2026er GMC Canyon wird ausschließlich vom 2,7-Liter “TurboMax” Reihenvierzylinder angetrieben. Er leistet 231 kW (314 PS) und wuchtige 583 Nm Drehmoment. Gekoppelt ist er an eine 8-Gang-Automatik. Es gibt keinen V6 und keinen Diesel.

Lassen Sie uns das Vorurteil direkt ansprechen: “Ein Ami-Truck braucht Hubraum.” Stimmt. Eigentlich. Aber dieser “TurboMax” ist ein technisches Kuriosum. Er hat das Drehmoment eines V8-Saugmotors (mehr als der alte V6 im Vorgänger!). Wenn Sie bei der Ampel aufs Gas treten, schiebt dieser 2,2-Tonnen-Koloss an, als gäbe es kein Morgen. 583 Newtonmeter sind eine Ansage. Das ist mehr, als der Ford Ranger Raptor (V6 Benziner) bietet. Aber – und das ist ein großes Aber – er klingt wie ein Staubsauger auf Steroiden. Es gibt kein V8-Blubbern, kein V6-Sägen. Es ist ein reines Arbeitsgeräusch. Und auf der deutschen Autobahn bei 140 km/h beginnt er zu saufen. 14 bis 15 Liter Super sind keine Seltenheit. Wer Diesel-Sparsamkeit vom Amarok gewohnt ist, wird an der Tankstelle weinen.

AT4X AEV Edition: Wenn Geld keine Rolle spielt

Das Topmodell AT4X AEV Edition (American Expedition Vehicles) kommt ab Werk mit 35-Zoll-Reifen, massiven Unterfahrschutzplatten aus Borstahl, Stahlstoßstangen und den berühmten Multimatic DSSV-Dämpfern.

Das hier ist der eigentliche Grund, dieses Auto zu kaufen. Vergessen Sie den Motor. Schauen Sie sich dieses Fahrwerk an. Die Multimatic-Dämpfer sind Formel-1-Technik für den Dreck. Während ein Ford Ranger Raptor auf Fox-Dämpfern eher “schwebt” und wankt, fährt sich der GMC Canyon AT4X präzise wie ein Skalpell. Er schluckt Felsbrocken weg, ohne nachzuwippen. Die AEV-Edition ist ab Werk so hochgerüstet, wie es in Deutschland kaum legal nachrüstbar wäre. Die 35-Zöller stehen ihm fantastisch. Aber seien Sie gewarnt: Mit dieser Bereifung und der Höhe passt der Canyon in keine normale deutsche Tiefgarage mehr (Höhe oft über 2,05 m). Er ist ein Spielzeug für Großgrundbesitzer, kein City-Truck.

Innenraum: Google rettet die Show

Das 2026er Modelljahr verfügt serienmäßig über ein 11,3-Zoll-Infotainment mit Google Built-in. Das digitale Cockpit misst 11 Zoll. Die Materialien im “Denali” oder “AT4X” sind hochwertiger als im Chevy Colorado, mit weichem Leder und echten Holzakzenten (Denali).

GMC positioniert sich als “Premium Truck Marke”. Und drinnen merkt man das. Wo beim Ford Ranger viel Hartplastik dominiert, finden Sie im Canyon unterschäumte Flächen und saubere Nähte. Das Google-System ist – wie bei Volvo oder Renault – ein Segen. “Hey Google, navigiere mich nach Hause” funktioniert auch mit deutschem Akzent perfekt. Die Karten sind aktuell, Spotify läuft nativ. Aber ein Detail nervt 2026 immer noch: Der Lichtschalter ist im Touchscreen versteckt. Wer denkt sich so etwas aus? Wenn ich schnell das Licht anmachen will, will ich nicht durch Menüs wischen. Das ist Digitalisierung am falschen Ende.

Das Import-Dilemma: Garantie und Preis

Da GMC den Canyon nicht offiziell in Deutschland vertreibt, sind Sie auf Importeure (wie AEC, Geiger etc.) angewiesen. Diese bieten meist eine eigene Händler-Garantie an. Der Preis für einen AT4X oder Denali liegt importiert zwischen 65.000 und 78.000 Euro.

Hier müssen Sie sehr genau rechnen. Einen Ford Ranger Raptor (offiziell von Ford Deutschland) bekommen Sie mit voller Werksgarantie und V6-Motor für ca. 75.000 Euro Liste (Straßenpreis oft darunter). Einen VW Amarok V6 Diesel (Aventura) gibt es für ca. 65.000 Euro. Warum also den GMC kaufen? Wegen der Exklusivität. Einen Ranger sehen Sie an jeder Ecke. Einen GMC Canyon AT4X sehen Sie vielleicht einmal im Jahr. Sie zahlen hier den “Coolness-Aufschlag”. Und Sie müssen sich im Klaren sein: Ersatzteile dauern manchmal 2 Wochen länger, und nicht jede Opel-Werkstatt kann den Wagen auslesen, auch wenn es ein GM-Produkt ist.

Der Midsize-Showdown (Stand Ende 2025)

Feature
GMC Canyon AT4X (Import)
Ford Ranger Raptor (Offiziell)
VW Amarok Aventura (Offiziell)
Motor
2.7L R4 Turbo (314 PS)
3.0L V6 Turbo (292 PS)
3.0L V6 Diesel (240 PS)
Drehmoment
583 Nm
491 Nm
600 Nm
Verbrauch (Test)
ca. 14,5 l/100km (Benzin)
ca. 13,8 l/100km (Benzin)
ca. 10,5 l/100km (Diesel)
Fahrwerk
Multimatic DSSV (Präzise)
Fox Live Valve (Weich/Sprungfähig)
Komfort-Blattfedern
Exklusivität
Extrem Hoch
Mittel
Gering
Preis (Real)
ca. 72.000 €
ca. 70.000 €
ca. 62.000 €

Fazit: Nur für Überzeugungstäter

Der GMC Canyon (2026) ist objektiv betrachtet das schlechtere Angebot als ein VW Amarok. Er säuft mehr (Benzin vs. Diesel), er ist teurer und der Service ist komplizierter. Aber Autos kauft man nicht immer objektiv. Der Canyon hat diesen kantigen, aggressiven US-Look, den der weichgespülte Amarok nicht bieten kann. Er wirkt böser, massiver. Die AT4X-Version mit den Multimatic-Dämpfern ist technisch ein Leckerbissen für Offroad-Nerds. Mein Rat: Wenn Sie das Geld haben und einen Zweitwagen besitzen, kaufen Sie den Canyon als Statement. Aber wenn Sie täglich 100 km zur Baustelle pendeln, bleiben Sie beim V6-Diesel von VW. Ihr Buchhalter wird es Ihnen danken.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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