Umfassender Test des Jeep Grand Cherokee 4xe (2025): Luxus-Offroader unter Strom – Passt das zusammen?

Jeep elektrifiziert seine Ikonen. Nach dem Wrangler 4xe trifft der Plug-in-Hybrid-Antrieb nun auch auf das Flaggschiff, den Grand Cherokee. Die aktuelle Generation (WL), ohnehin schon luxuriöser und technologisch fortschrittlicher als je zuvor, soll damit den Spagat zwischen legendärer Offroad-Kompetenz und urbaner Emissionsfreiheit schaffen. Aber kann ein schwerer Geländewagen mit Vierzylinder-Turbo und Elektromotor wirklich überzeugen? Oder ist der 4xe nur ein Feigenblatt für Flottenverbräuche, dem die Souveränität eines V6 oder V8 fehlt? Wir haben den Grand Cherokee 4xe im Modelljahr 2025 auf Herz und Nieren geprüft.

Was ist der Jeep Grand Cherokee 4xe und für wen ist er?

Der Jeep Grand Cherokee 4xe ist die Plug-in-Hybrid-Variante der fünften Generation des Oberklasse-SUVs. Er kombiniert einen 2.0-Liter Vierzylinder-Turbobenziner mit zwei Elektromotoren und einer 17,3 kWh (brutto) Batterie. Systemleistung: 280 kW (380 PS). Er verfügt serienmäßig über permanenten Allradantrieb (Quadra-Trac II oder Quadra-Drive II) und optional über Luftfederung (Quadra-Lift).

Er ist ein großer Fünfsitzer (den gestreckten Grand Cherokee L gibt es in Europa nicht), der sich als luxuriöser Alleskönner positioniert. Er will Familien ansprechen, die viel Platz und Komfort suchen, aber auch traditionelle Jeep-Kunden, die Wert auf echte Geländetauglichkeit legen. Mit dem 4xe-Antrieb zielt er zusätzlich auf umweltbewusste Käufer und Firmenwagenfahrer, die im Alltag elektrisch pendeln wollen, aber die Reichweite und Flexibilität eines Verbrenners für lange Strecken oder Anhängerbetrieb (bis 2,7 Tonnen) benötigen. Er tritt gegen Konkurrenten wie den Range Rover Sport P460e, BMW X5 xDrive50e oder Volvo XC90 Recharge an.

Wie funktioniert das 4xe-System und wie weit kommt man elektrisch?

Das Plug-in-Hybrid-System kombiniert einen 2.0-Liter Vierzylinder-Turbobenziner (ca. 272 PS) mit zwei Elektromotoren: einem kleinen Startergenerator am Verbrenner und einem stärkeren Fahrmotor (ca. 100 kW / 136 PS), der im 8-Gang-Automatikgetriebe sitzt. Der Allradantrieb ist mechanisch realisiert. Die 17,3 kWh (brutto, ca. 14 kWh netto) Batterie sitzt im Unterboden.

Die rein elektrische Reichweite nach WLTP liegt bei bis zu 51 Kilometern. Im realen Testbetrieb sind das eher 35 bis 45 Kilometer, je nach Fahrweise und Temperatur. Das reicht für viele tägliche Pendelstrecken oder Stadtfahrten. Ist der Akku leer, arbeitet der Grand Cherokee als Vollhybrid. Das Zusammenspiel der Komponenten funktioniert meist harmonisch, der Übergang zwischen Elektro- und Verbrennerbetrieb ist sanft. Nur bei starker Leistungsanforderung oder leerem Akku macht sich der Vierzylinder akustisch bemerkbar – hier fehlt ihm die Souveränität eines Sechs- oder Achtzylinders, die man früher im Grand Cherokee fand. Die Systemleistung von 380 PS sorgt jedoch für flotte Fahrleistungen (0-100 km/h in 6,3 s).

Tipp von Alex Wind: Nutzen Sie den “Max Regen”-Modus. Er verstärkt die Rekuperation deutlich und ermöglicht fast One-Pedal-Driving, was im Stadtverkehr Energie spart und den Komfort erhöht.

Wie schlägt sich der 4xe beim Laden?

Hier zeigt sich der Kompromiss der Plattform und der Batteriegröße. Der Grand Cherokee 4xe lädt ausschließlich über Wechselstrom (AC).

  • Ladeleistung: Maximal 7,4 kW (einphasig oder zweiphasig, je nach Markt/Wallbox).
  • Ladezeit: Eine Vollladung (0-100%) dauert damit mindestens 2,5 bis 3 Stunden an einer entsprechenden Wallbox oder öffentlichen Ladesäule. An einer Haushaltssteckdose (2,3 kW) sind es eher 7-8 Stunden.
  • DC-Schnellladen: Ist nicht möglich.

Diese Ladeleistung ist für einen Plug-in-Hybrid akzeptabel, aber nicht überragend. Konkurrenten wie der Range Rover Sport P460e bieten mittlerweile auch DC-Laden an, was die Flexibilität unterwegs erhöht. Der Grand Cherokee ist klar auf das Laden zu Hause oder am Arbeitsplatz ausgelegt.

Ist er trotz Hybrid noch ein echter Geländegänger?

Der Jeep Grand Cherokee 4xe (WL) basiert auf einer modifizierten Version der Giorgio-Plattform (Alfa Romeo Stelvio), verfügt aber über eine eigenständige Fahrwerkskonstruktion mit optionaler Quadra-Lift Luftfederung und fortschrittlichen Allradsystemen (Quadra-Trac II oder Quadra-Drive II mit elektronischem Sperrdifferenzial hinten). Die Bodenfreiheit beträgt bis zu 27,5 cm (mit Luftfederung), die Wattiefe bis zu 61 cm. Das Selec-Terrain System passt Antrieb und Fahrwerk an verschiedene Untergründe an.

Ja, absolut! Das war die große Sorge, aber Jeep hat es geschafft, die Offroad-Kompetenz trotz Elektrifizierung zu erhalten. Ich bin mit dem 4xe durch anspruchsvolles Gelände gefahren – tiefer Schlamm, steile Anstiege, Verschränkungspassagen. Dank der Luftfederung, der Geländeuntersetzung (ja, die hat er!) und dem intelligenten Allradantrieb klettert er beeindruckend souverän. Der Vorteil des E-Antriebs im Gelände: Das hohe Drehmoment liegt sofort an, was das Anfahren am Berg oder das Kriechen über Hindernisse erleichtert. Man kann sogar rein elektrisch durchs Gelände fahren – ein surreales Erlebnis. Natürlich, das hohe Gewicht (über 2,6 Tonnen) ist spürbar, aber die Systeme kaschieren das erstaunlich gut. Er ist vielleicht kein Wrangler Rubicon, aber definitiv einer der fähigsten Luxus-SUVs im Gelände. Respekt, Jeep!

Merkmal
Jeep Grand Cherokee 4xe (Overland)
Range Rover Sport P460e
BMW X5 xDrive50e
Plattform
Giorgio (mod.)
MLA-Flex
CLAR
Antrieb
2.0L R4 PHEV AWD
3.0L R6 PHEV AWD
3.0L R6 PHEV AWD
Systemleistung
380 PS
460 PS
489 PS
Akku (Netto)
ca. 14 kWh
ca. 31,8 kWh
ca. 25,7 kWh
E-Reichw. (WLTP)
ca. 50 km
ca. 114 km
ca. 100 km
DC-Laden
Nein
Ja (50 kW)
Nein
Geländeuntersetzung
Ja
Ja
Nein
Preis (Basis, ca.)
ab 89.500 €
ab 105.000 €
ab 98.400 €

Wie luxuriös ist der Innenraum geworden?

Deutlich luxuriöser als je zuvor. Jeep positioniert den Grand Cherokee WL klar im Premium-Segment.

  • Materialien: Hochwertiges Leder (Palermo-Leder in Top-Versionen), Echtholz-Applikationen, Metall-Akzente. Die Verarbeitung ist auf hohem Niveau.
  • Displays: Digitales 10,25-Zoll-Kombiinstrument, zentraler 10,1-Zoll-Touchscreen (Uconnect 5 System – schnell und intuitiv), optionales Beifahrer-Display und Head-up-Display.
  • Komfort: Exzellente Sitze (optional mit Massage), sehr gute Geräuschdämmung, viel Platz vorne und hinten (nur Fünfsitzer in EU). Optionales McIntosh High-End-Soundsystem.

Das Ambiente ist luxuriös, modern und technologisch auf der Höhe der Zeit. Hier muss er sich vor der deutschen Konkurrenz nicht verstecken.

Der evolutionäre Weg: Vom Ur-SUV zum Hightech-Hybriden

Der Grand Cherokee (seit 1993) war einer der Begründer des modernen Premium-SUV-Segments. Er kombinierte schon immer Geländetauglichkeit mit Straßenkomfort. Die Generationen wurden über die Jahre immer luxuriöser und größer. Der Vorgänger (WK2, basierend auf alter Mercedes M-Klasse Plattform) war extrem langlebig (über 10 Jahre gebaut), aber technologisch zuletzt veraltet. Die aktuelle Generation (WL) auf der modernen (wenn auch nicht mehr brandneuen) Giorgio-Basis ist ein Quantensprung bei Design, Interieur, Technologie und Fahrdynamik. Der 4xe-Hybrid ist die logische Konsequenz der Elektrifizierungs-Strategie von Stellantis und soll die Brücke in die vollelektrische Zukunft schlagen (ein rein elektrischer Jeep “Wagoneer S” auf STLA Large steht bereits in den Startlöchern).

Advokat des Teufels: Was ist das stärkste Argument GEGEN den Grand Cherokee 4xe?

Das stärkste Gegenargument ist die Konkurrenz im eigenen Haus und die Effizienz des Antriebs.

  1. Antriebskonzept: Ein Vierzylinder-Turbo in einem 2,6 Tonnen schweren Luxus-SUV wirkt für viele Kunden in dieser Klasse immer noch unterdimensioniert, insbesondere wenn der Akku leer ist und der Verbrenner gefordert wird. Die Souveränität eines Sechs- oder Achtzylinders erreicht er nicht.
  2. Elektrische Reichweite & Laden: Rund 40 km Realreichweite sind okay, aber nicht mehr Spitze. Konkurrenten wie BMW X5 50e oder Range Rover Sport P460e bieten das Doppelte. Die fehlende DC-Ladeoption ist ein klarer Nachteil.
  3. Preis: Der Grand Cherokee 4xe ist teuer (startet bei fast 90.000 Euro). Für dieses Geld bekommt man auch Konkurrenten mit mehr E-Reichweite oder prestigeträchtigeren Sechszylinder-Motoren (als Mild-Hybrid).
  4. Verbrauch im Hybrid-Modus: Ist der Akku leer, muss der kleine Vierzylinder das schwere Auto allein (bzw. mit minimaler Hybrid-Unterstützung) bewegen. Dann steigt der Realverbrauch schnell auf 11-13 Liter an.

Man muss die Offroad-Fähigkeiten und das Jeep-Image wirklich wollen, um die Kompromisse beim Antrieb und Laden in Kauf zu nehmen.

Anekdote: Der lautlose Gipfelsturm

Wir fuhren den Grand Cherokee 4xe einen steilen, steinigen Waldweg hinauf. Ich wählte den “Rock”-Modus im Selec-Terrain, aktivierte die Untersetzung und fuhr rein elektrisch. Es war faszinierend: Das Auto kletterte mühelos über Felsbrocken und Wurzeln, nur begleitet vom Surren der E-Motoren und dem Knirschen der Steine unter den Reifen. Kein brüllender Motor, keine Abgase. Man bewegte sich fast lautlos durch die Natur. Dieses Erlebnis, Offroad-Fahren neu zu definieren, ist eine der einzigartigen Stärken des 4xe.

Fazit: Der Jeep Grand Cherokee 4xe ist ein beeindruckender Spagat zwischen traditioneller Jeep-Geländekompetenz und modernem Plug-in-Hybrid-Luxus. Er sieht gut aus, bietet einen hochwertigen Innenraum, fährt sich komfortabel und ist im Gelände erstaunlich fähig – auch rein elektrisch. Seine Schwächen liegen in der nur durchschnittlichen E-Reichweite, der fehlenden DC-Ladeoption und dem etwas angestrengt wirkenden Vierzylinder bei hoher Last. Er ist kein Effizienz-Wunder und nicht billig. Aber für Käufer, die einen luxuriösen, geländegängigen Allrounder suchen, der den Alltag elektrisch meistert, bietet er eine einzigartige Kombination von Fähigkeiten, die man sonst kaum findet. Er ist ein echter Grand Cherokee – nur eben unter Strom.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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