Maserati steht am Scheideweg. Die traditionsreiche Marke muss den Spagat zwischen ihrer ruhmreichen Verbrenner-Vergangenheit und einer rein elektrischen Zukunft meistern. Nirgendwo wird dieser Spagat deutlicher als beim Grecale, dem wichtigen Mittelklasse-SUV, das unterhalb des Levante positioniert ist. Er ist das erste Modell der Marke, das von Anfang an für drei Antriebsarten konzipiert wurde: als effizienter Mild-Hybrid, als brachialer Trofeo mit dem Nettuno V6-Herz aus dem MC20 und als zukunftsweisender, rein elektrischer Folgore. Doch kann ein SUV, das auf einer modifizierten Verbrenner-Plattform basiert, in allen drei Disziplinen überzeugen und den hohen Erwartungen an einen Maserati gerecht werden?
Was ist der Maserati Grecale und gegen wen tritt er an?
Der Grecale ist Maseratis Angriff im volumenstarken Segment der Mittelklasse-Premium-SUVs, dominiert vom Porsche Macan, aber auch von BMW X3 M, Mercedes-AMG GLC und Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio. Er nutzt eine stark modifizierte Version der exzellenten Giorgio-Plattform, die für ihre Fahrdynamik bekannt ist. Mit 4,85 Metern Länge ist er etwas größer als ein Macan und verspricht mehr Platz. Sein Design ist typisch Maserati: elegant, sportlich, mit dem dominanten Kühlergrill und den drei seitlichen Luftauslässen. Er will die italienische Alternative sein – stilvoller, exklusiver und emotionaler als die deutsche Konkurrenz.
Die drei Herzen des Grecale: Welcher Antrieb passt zu wem?
Maserati bietet eine klare Differenzierung, die weit über reine Leistungsstufen hinausgeht.
Mild-Hybrid (GT & Modena): Die Basis bilden die Modelle GT (300 PS) und Modena (330 PS). Beide nutzen einen 2.0-Liter Vierzylinder-Turbobenziner mit 48-Volt-Mildhybrid-System und einem elektrischen Zusatzverdichter (eBooster), um das Turboloch zu minimieren. Gekoppelt an eine 8-Stufen-Automatik und Allradantrieb, bieten sie souveräne Fahrleistungen (0-100 km/h in 5,6 / 5,3 s). Sie sind die vernünftige Wahl für den Alltag, kombinieren akzeptable Effizienz (Realverbrauch um 10-11 L/100km) mit ausreichend Temperament und einem Hauch Maserati-Flair. Der Klang ist allerdings eher zurückhaltend.
Trofeo (Nettuno V6): Das ist der emotionale Höhepunkt. Der Grecale Trofeo erbt eine leicht angepasste Version des 3.0-Liter V6-Biturbo “Nettuno” aus dem Supersportwagen MC20. Hier leistet er 530 PS und 620 Nm Dreoment. Er katapultiert das SUV in 3,8 Sekunden auf 100 km/h und rennt bis zu 285 km/h. Serienmäßig mit Luftfederung und Sperrdifferenzial ausgestattet, ist er der Sportler der Familie. Sein Sound ist präsent, kraftvoll und unverkennbar italienisch. Er ist die Wahl für Performance-Enthusiasten, die den letzten echten Maserati-Verbrenner-Sound in einem SUV suchen. Der Preis (ab ca. 125.000 €) und der Verbrauch (deutlich über 13 L/100km) sind allerdings entsprechend hoch.
Folgore (Elektro): Der Folgore markiert den Beginn der Elektro-Ära im Grecale. Zwei E-Motoren (je 205 kW) erzeugen eine Systemleistung von 410 kW (557 PS) und 820 Nm Dreoment. Die 105 kWh (brutto, ca. 98 kWh netto) große Batterie ermöglicht eine WLTP-Reichweite von ca. 500 km. Technisch basiert er auf einer 400-Volt-Architektur (keine 800V wie GranTurismo/GranCabrio Folgore!). Die Beschleunigung ist vehement (0-100 km/h in 4,1 s). Er ist die Wahl für Technik-Pioniere und umweltbewusste Luxuskäufer, die den Komfort und die ansatzlose Kraft eines E-Antriebs schätzen, aber auf italienisches Design nicht verzichten wollen. Sein größter Kompromiss ist die 400V-Technik und das hohe Gewicht (ca. 2.480 kg).
Tipp von Alex Wind: Der Modena Mild-Hybrid bietet den besten Kompromiss aus Preis, Leistung und Alltagstauglichkeit mit einem Hauch von Maserati-Exklusivität. Der Trofeo ist ein fantastisches, aber teures Liebhaberstück für V6-Fans. Der Folgore ist technologisch interessant, aber die 400V-Architektur ist angesichts des Preises (ebenfalls über 125.000 €) ein klarer Nachteil gegenüber 800V-Konkurrenten wie dem (kommenden) elektrischen Macan.
Wie schlägt sich der Folgore beim Laden und bei der Reichweite?
Die 105 kWh-Batterie ist eine der größten im Segment und verspricht gute Reichweiten. Im Realbetrieb sind ca. 400-450 km bei gemischter Fahrweise realistisch – ein solider Wert. Der Knackpunkt ist die 400-Volt-Architektur. Maserati gibt eine maximale DC-Ladeleistung von 150 kW an.
Mini-Fallstudie: Der Folgore am Schnelllader
- Problem: Große Batterie (105 kWh) muss auf der Langstrecke geladen werden.
- Aktion: Ansteuern einer HPC-Säule (≥ 150 kW).
- Messbares Ergebnis: Die Ladung von 20 % auf 80 % dauert offiziell 29 Minuten. Das ist für eine so große Batterie an einem 400V-System relativ schnell, aber Konkurrenten mit 800V (Porsche Macan EV: 10-80% in ca. 21 Min trotz ähnlicher Akkugröße) sind hier klar im Vorteil. Man braucht Geduld. AC-Laden ist mit bis zu 22 kW möglich, was an öffentlichen Säulen sehr gut ist.
Ist die Giorgio-Plattform auch als E-Auto überzeugend?
Die Giorgio-Plattform ist berühmt für ihre exzellente Fahrdynamik bei Giulia und Stelvio. Maserati hat sie für den Grecale (insbesondere den Folgore) stark modifiziert, um die große Batterie im Unterboden unterzubringen. Das Ergebnis ist beeindruckend:
- Handling: Trotz des hohen Gewichts (besonders beim Folgore) lenkt der Grecale präzise ein, bleibt lange neutral und bietet dank des serienmäßigen Allradantriebs und der optionalen Luftfederung (Serie bei Trofeo/Folgore) eine tolle Balance aus Agilität und Komfort. Er fühlt sich sportlicher an als viele Konkurrenten.
- Komfort: Die Luftfederung bügelt Unebenheiten souverän weg. Der Geräuschkomfort ist in allen Varianten hoch, im Folgore naturgemäß am höchsten.
- Kompromisse: Man merkt dem Folgore seine Verbrenner-Basis an. Der Kardantunnel im Fond ist noch vorhanden (wenn auch flacher), und es gibt keinen Frunk. Das Packaging ist nicht ganz so optimal wie bei reinen E-Plattformen.
Wie fühlt sich der Innenraum an – echter Maserati-Luxus?
Ja, hier punktet der Grecale auf ganzer Linie. Das Cockpit ist eine gelungene Mischung aus Digitalisierung und italienischer Eleganz.
- Displays: Ein 12,3-Zoll-Digitalinstrument, ein zentraler 12,3-Zoll-Touchscreen (MIA-System) und ein weiteres 8,8-Zoll-Display für Komfortfunktionen. Dazu die ikonische, nun digitale Maserati-Uhr.
- Materialien: Feines Leder (optional gesteppt), offenporiges Holz, Carbon oder Aluminium – je nach Ausstattung. Die Verarbeitung ist auf sehr hohem Niveau, deutlich besser als beim Ghibli.
- Platzangebot: Vorne sehr gut, im Fond klassenüblich (besser als im Macan). Der Kofferraum ist ordentlich (535 Liter bei Mild-Hybrid, 570 Liter bei Trofeo, 535 Liter bei Folgore).
Der Innenraum fühlt sich besonders, luxuriös und modern an – ein echter Maserati.
Anekdote: Der Sound-Dilemma
Ich fuhr den Trofeo und den Folgore direkt hintereinander. Der V6 des Trofeo brüllt, sprotzt und knistert beim Schalten – pure Emotion. Dann der Umstieg in den Folgore. Er beschleunigt noch ansatzloser, fast surreal. Maserati hat ihm einen künstlichen E-Sound komponiert, der versucht, dynamisch zu klingen. Er ist nicht schlecht gemacht, aber er wirkt eben… künstlich. Nach der Oper des Nettuno-V6 fühlt sich der synthetische Sound des Folgore wie ein netter Versuch an, die Stille zu füllen, aber er kann das mechanische Drama nicht ersetzen. Das ist die größte Herausforderung für Maserati in der E-Zukunft.
Wie schlägt sich der Grecale gegen den Porsche Macan?
Der Porsche Macan ist der erklärte Hauptkonkurrent. Der Vergleich fällt je nach Antrieb unterschiedlich aus.
Merkmal | Maserati Grecale Modena | Maserati Grecale Trofeo | Maserati Grecale Folgore | Porsche Macan S (Verbrenner) | Porsche Macan EV 4 | Porsche Macan EV Turbo |
Konzept | Mild-Hybrid SUV | High-Perf. V6 SUV | Elektro SUV (400V) | V6 Turbo SUV | Elektro SUV (800V) | Elektro SUV (800V) |
Leistung | 330 PS | 530 PS | 557 PS | 380 PS | 408 PS | 639 PS |
0-100 km/h | 5,3 s | 3,8 s | 4,1 s | 4,8 s | 5,2 s | 3,3 s |
Technik-Basis | Giorgio (modifiziert) | Giorgio (modifiziert) | Giorgio (modifiziert) | MLB Evo | PPE (800V) | PPE (800V) |
Preis (Basis, ca.) | 81.000 € | 125.000 € | 125.000 € | 84.000 € | 84.000 € | 115.000 € |
Fazit des Vergleichs: Der Grecale Trofeo ist ein direkter Performance-Konkurrent zum alten Macan GTS/Turbo. Die Mild-Hybride positionieren sich gegen Macan Basis/S. Der Grecale Folgore muss sich jedoch dem neuen, technologisch überlegenen Macan EV stellen und verliert hier klar beim Thema Ladeleistung (400V vs. 800V) und Plattform-Effizienz.
Fazit: Der Maserati Grecale ist ein überzeugendes und dringend benötigtes Modell für die Marke. Er sieht fantastisch aus, fährt sich dynamisch, bietet einen luxuriösen Innenraum und deckt mit drei Antriebsarten eine breite Spanne ab. Der Mild-Hybrid ist eine vernünftige Wahl, der Trofeo ein emotionales Highlight für V6-Fans. Der Folgore ist ein starker erster Schritt in die E-Zukunft, leidet aber unter seiner 400-Volt-Architektur und dem hohen Preis im Vergleich zur modernsten Konkurrenz. Insgesamt ist der Grecale eine charakterstarke italienische Alternative, die dem Porsche Macan erfolgreich Paroli bietet – zumindest solange der V6 noch singen darf.



























