Es gibt Autos, die sind auf der anderen Seite des Atlantiks Bestseller, während sie hierzulande nicht einmal in den Händlerlisten auftauchen. Der Nissan Versa ist so ein Fall. In den USA ist diese kleine Stufenheck-Limousine oft das günstigste Neufahrzeug, das man für Geld kaufen kann – ein ehrliches, einfaches Auto für den Einstieg in die Mobilität. Bei uns? Fehlanzeige. Nissan hat diesem Segment längst den Rücken gekehrt. Aber warum eigentlich? Verpassen wir ein unschlagbares Schnäppchen? Oder ist der Versa ein Relikt, das in unsere moderne, SUV- und Hatchback-verliebte Welt einfach nicht mehr passt? Eine Analyse.
Was genau ist der aktuelle Nissan Versa (N18)?
Der Nissan Versa (Generation N18, Facelift 2023) ist eine viertürige Subkompakt-Limousine, die auf der Nissan V-Plattform basiert. Er wird primär in Nordamerika angeboten und ist technisch auf einen niedrigen Einstiegspreis optimiert. Angetrieben wird er von einem 1.6-Liter Vierzylinder-Saugmotor, kombiniert mit einem CVT-Getriebe oder 5-Gang-Schaltgetriebe.
Im Klartext: Das ist die moderne Interpretation des Dacia Logan, nur auf Japanisch für den US-Markt. Ein einfaches Auto von A nach B. Vier Türen, ein ordentlicher Kofferraum, simple Technik. Das Design des Facelifts sieht mit dem V-Motion-Grill sogar ganz passabel aus. Innen? Ein 7-Zoll-Touchscreen, Basis-Assistenzsysteme – das Nötigste ist an Bord. Aber der Fokus ist klar: Kosten. Unter 20.000 Dollar! Das ist eine Ansage. Dagegen wirkt selbst ein Dacia Sandero hierzulande fast schon luxuriös.
Warum wird der Versa (und dieses Segment) in Deutschland nicht angeboten?
Nissan bietet den Versa in Deutschland nicht an, da das Segment der B-Segment-Limousinen (Kleinwagen-Stufenheck) in Westeuropa praktisch inexistent ist. Hiesige Kunden bevorzugen klar kompakte Schrägheckmodelle (Hatchbacks) wie VW Polo, Opel Corsa oder Kleinwagen-SUVs (B-SUVs) wie den Ford Puma oder den Nissan Juke. Die Nachfrage rechtfertigt die Kosten für Homologation und Vertrieb nicht.
Seien wir ehrlich: Wer bei uns kauft eine kleine Stufenheck-Limousine? Niemand. Das Image dieser Fahrzeuggattung ist hierzulande tot, verbunden mit Begriffen wie “Opa-Auto” oder “osteuropäischer Billigheimer”. Wir Deutschen wollen Flexibilität! Wir wollen eine große Heckklappe. Deshalb fahren wir Golf, Polo, A-Klasse – oder eben gleich einen SUV. Nissan hat das längst erkannt und bietet uns stattdessen den (deutlich profitableren) Juke an. Den Versa hierher zu bringen, wäre wie Eis am Nordpol zu verkaufen. Völlig aussichtslos. Der Markt dafür ist weggebrochen.
Welche Technik steckt im 2025er US-Modell?
Der Nissan Versa (2025) nutzt einen 1.6-Liter Vierzylinder-Saugmotor (HR16DE) mit ca. 124 PS (91 kW) und 155 Nm Drehmoment. Gekoppelt ist dieser an ein stufenloses Xtronic CVT-Getriebe oder (im Basismodell) an ein 5-Gang-Schaltgetriebe. Er verfügt über Frontantrieb. Das Fahrwerk besteht aus McPherson-Federbeinen vorne und einer Verbundlenkerachse hinten.
Das ist Technik von vorgestern. Und das meine ich nichtmal böse. Es ist simpel, bewährt, günstig in der Herstellung und wahrscheinlich haltbar. Kein Turbo, kein Mild-Hybrid, kein komplizierter Schnickschnack. Ein Saugmotor, ein CVT-Getriebe (oder für Puristen ein 5-Gang-Schalter!). Das fährt. Es wird niemanden vom Hocker reißen (0-100 in ca. 10-11 Sekunden), aber es bringt dich zuverlässig zur Arbeit. Der Verbrauch? Mit 6-7 Litern (US-Norm) okay, aber auch keine Sensation mehr im Vergleich zu modernen Hybriden. Die Verbundlenkerachse hinten? Billig-Standard. Das ist ein Auto, das auf absolute Kostenminimierung getrimmt ist. Ein reines Vernunft-Gerät.
Technische Daten (Auszug) | Nissan Versa (2025, US-Modell) |
Motor | 1.6L Vierzylinder-Sauger (HR16DE) |
Leistung | ca. 124 PS (91 kW) |
Drehmoment | ca. 155 Nm |
Getriebe | 5-Gang Manuell oder Xtronic CVT |
Antrieb | Frontantrieb |
Plattform | Nissan V-Plattform |
Länge | ca. 4,49 m |
Preis (USA) | ab ca. 16.500 USD |
Advokat des Teufels: Warum ein Grauimport völliger Wahnsinn wäre
Ein Grauimport des Nissan Versa nach Deutschland ist aus wirtschaftlicher und praktischer Sicht absurd. 1. Kosten: Der größte Vorteil – der niedrige US-Preis (ca. 17.000 $) – würde durch Transport (ca. 4.000 €), Zoll (10 %), Einfuhrumsatzsteuer (19 %) und eine extrem teure Einzelabnahme/Homologation (§21 StVZO) pulverisiert. Der Wagen würde hierzulande am Ende über 25.000-28.000 Euro kosten. 2. Konkurrenz: Für diesen Preis erhält man in Deutschland voll ausgestattete VW Polo, Skoda Fabia oder Dacia Sandero Stepway, die moderner, effizienter und besser auf den europäischen Markt zugeschnitten sind. 3. Service/Ersatzteile: Obwohl Nissan-Händler existieren, ist der Versa hier unbekannt. Spezifische Karosserie- oder Interieurteile wären nur per teurem Import aus den USA zu beschaffen. 4. Wiederverkauf: Ein unbekannter Exot in einem unpopulären Segment ohne Service-Historie? Unverkäuflich, außer mit massivem Verlust.
Also, mal im Ernst. Wer macht sowas? Wer zahlt 28.000 Euro für einen importierten Billig-Nissan, wenn er für 20.000 Euro einen top ausgestatteten Sandero bekommt, der wahrscheinlich das modernere Auto ist? Oder für 28.000 Euro schon fast einen Basis-Golf? Das ist Wahnsinn. Dieses Auto lebt von seinem Preis in den USA. Sobald man es auf ein Schiff stellt, ist dieser Vorteil weg. Völlig sinnlos.
Historischer Kontext: Das Erbe von Almera, Tiida und Sunny
In den 80er und 90er Jahren war Nissan in der europäischen Kompakt- und Kleinwagenklasse mit Modellen wie Sunny und Almera (auch als Stufenheck) durchaus erfolgreich. Sie galten als zuverlässige, preiswerte Alternativen zum Golf oder Kadett. Mit dem Tiida (ab 2007) versuchte man, eine Art Weltauto zu etablieren, scheiterte aber am biederen Design und der starken Konkurrenz. Danach gab Nissan das Segment der klassischen Kompaktlimousine in Europa auf und ersetzte es erfolgreich durch den Crossover-Pionier Qashqai und den Kleinwagen Note. Der Versa ist quasi der geistige Nachfolger von Sunny/Almera Stufenheck, aber eben nur für Märkte, in denen diese Karosserieform noch gefragt ist. Europa gehört nicht mehr dazu.
Zitat von Alex Wind: “Der Versa ist der lebende Beweis, wie krass sich die Märkte auseinanderentwickelt haben. In den USA ein Bestseller, bei uns nicht mal mehr im Prospekt. Der Europäer will sein Schrägheck. Basta.”
Anekdote: Die Mietwagen-Lotterie in Florida
Ich erinnere mich an einen USA-Urlaub. Mietwagen gebucht, Kategorie “Compact”. Ich hoffte auf einen Focus oder Corolla Hatchback. Was bekam ich? Einen Nissan Versa. Silber. CVT. Plastik-Lenkrad. Das Auto roch nach Neuwagen und Verzweiflung. Aber wisst ihr was? Das Ding fuhr. Klimaanlage lief, Apple CarPlay funktionierte, der Kofferraum schluckte zwei riesige Koffer. Er war langweilig, er war laut, das CVT jaulte. Aber er hat den Job gemacht. Und das ist der ganze Zweck dieses Autos. Ein unauffälliger, billiger Diener. Nicht mehr, nicht weniger. Für deutsche Autobahnen? Gott bewahre.
Unerwarteter Anwendungsfall: Das ultimative “Burner”-Auto für Filmproduktionen?
Okay, wenn man wirklich einen Anwendungsfall in Europa sucht… vielleicht für Filmproduktionen? Wenn man ein generisches, modernes, aber billiges amerikanisches Auto braucht, das man spektakulär crashen kann? Ein Import eines Versa wäre vermutlich billiger als einen echten US-Polizeiwagen zu schrotten. Aber selbst das ist an den Haaren herbeigezogen. Nein, ehrlich. Mir fällt kein vernünftiger Grund ein, warum dieses Auto hier sein sollte.
Wie schlägt sich der Versa im Vergleich zu dem, was wir hier haben?
Merkmal | Nissan Versa 1.6 CVT (Import) | Dacia Sandero TCe 90 (DE) | Skoda Fabia 1.0 TSI (DE) | VW Polo 1.0 TSI (DE) |
Konzept | Limousine (B-Segment) | Hatchback (B-Segment) | Hatchback (B-Segment) | Hatchback (B-Segment) |
Leistung (ca.) | 124 PS (Sauger) | 91 PS (Turbo) | 95 / 115 PS (Turbo) | 95 / 115 PS (Turbo) |
Motor-Charakter | Linear, aber zäh (CVT) | Spritziger (Turbo) | Spritziger (Turbo) | Spritziger (Turbo) |
Kofferraum | ca. 425 L (Limousine) | 328 L (Hatchback) | 380 L (Hatchback) | 351 L (Hatchback) |
Preis (Import/Liste) | > 25.000 € (geschätzt) | ab ca. 11.500 € | ab 18.000 € | ab 21.000 € |
Service (DE) | Extrem schlecht | Gut | Exzellent | Exzellent |
Fazit: Der Nissan Versa ist ein ehrliches, einfaches Auto, das in Nordamerika als eines der günstigsten Neufahrzeuge seine absolute Berechtigung hat. Für den deutschen Markt ist er jedoch völlig irrelevant. Das Segment der Kleinwagen-Limousinen ist hier tot, und unsere europäischen Hatchbacks (Polo, Fabia, Sandero) sind moderner, effizienter und bieten dank Heckklappe mehr Variabilität. Ein Grauimport wäre wirtschaftlicher Wahnsinn, da der Preisvorteil komplett verpuffen würde und man ein Auto ohne Service und Garantie erhielte. Der Versa bleibt, was er ist: ein amerikanischer Preis-König, der hierzulande keine Chance hätte – und auch keine braucht.





















