Umfassender Test des neuen Porsche Macan Electric (2025): Die 800V-Revolution im Kompakt-SUV?

Porsche macht ernst. Richtig ernst. Nach dem Taycan, der die E-Welt aufmischte, kommt jetzt der vielleicht wichtigste Schritt: der Bestseller Macan wird elektrisch. Und das nicht als halbgarer Kompromiss, sondern als radikaler Neustart auf der brandneuen, mit Audi entwickelten 800-Volt-PPE-Plattform. Der alte Verbrenner-Macan? Darf in Europa nicht mehr verkauft werden, danke EU-Bürokratie. Der Neue muss es also richten – und zwar sofort. Kann ein über 2,2 Tonnen schweres Elektro-SUV das legendäre Porsche-Fahrgefühl vermitteln? Ist er wirklich der sportliche Maßstab, der er sein will? Oder ist es nur ein teurer Audi Q6 e-tron im Sportdress? Ich habe dem Macan 4 und dem brutalen Macan Turbo auf den Zahn gefühlt. Das Ergebnis ist… beeindruckend. Und kompliziert.

Was genau ist der neue Porsche Macan Electric?

Der Porsche Macan Electric ist ein fünfsitziges, rein elektrisches SUV im C/D-Segment. Er basiert auf der Premium Platform Electric (PPE) mit 800-Volt-Architektur. Er wird in Deutschland als Macan 4 (Allrad, 408 PS) und Macan Turbo (Allrad, 639 PS) angeboten, beide nutzen eine ca. 100 kWh (brutto) Batterie.

Das ist also Porsches zweiter großer E-Wurf. Und diesmal soll er in die Masse gehen, soweit man bei Porsche von “Masse” sprechen kann. Die PPE-Plattform, das ist die Basis für alles, was im Konzern Rang und Namen haben will (der A6 e-tron kommt auch darauf). 800 Volt sind gesetzt. Das bedeutet: verdammt schnelles Laden. Das Design? Unverkennbar Macan, aber flacher, coupéhafter, aerodynamischer (cW-Wert 0,25!). Die Front mit den geteilten Leuchten (oben Tagfahrlicht, unten Hauptscheinwerfer) – kennen wir vom Taycan, sieht scharf aus. Er ist ein komplett anderes Auto als der Verbrenner-Vorgänger. Länger, breiter, aber flacher. Und er will beweisen, dass E-Mobilität und Porsche-DNA kein Widerspruch sind. Ein verdammt hoher Anspruch.


Welche Antriebsvarianten gibt es: Reicht der Macan 4 oder muss es der Turbo sein?

Beide Varianten nutzen dieselbe 100 kWh (brutto) / 95 kWh (netto) NMC-Batterie und Allradantrieb (Dual Motor, PSM).

  • Macan 4: Systemleistung 300 kW (408 PS) im Overboost, 650 Nm. 0-100 km/h: 5,2 s. WLTP-Reichweite: bis 613 km.
  • Macan Turbo: Systemleistung 470 kW (639 PS) im Overboost, 1130 Nm. 0-100 km/h: 3,3 s. WLTP-Reichweite: bis 591 km.

Okay, mal ehrlich: 408 PS im “Basis”-Modell? 5,2 Sekunden auf 100? Das ist mehr als ausreichend, das ist souverän. Das ist schneller als der alte Macan GTS! Der Macan 4 ist die rationale, völlig ausreichende Wahl. Er wird 90% der Käufer glücklich machen. Und der Turbo? 639 PS? 1130 Nm Drehmoment? Das ist schlichtweg geisteskrank! 3,3 Sekunden auf 100! Damit deklassiert er den alten Macan Turbo mit Verbrenner um Welten. Das ist 911 Turbo-Niveau in einem SUV. Braucht man das? Absolut nicht. Will man das? Verdammt ja! Der Turbo ist das Statement, die Demonstration des technisch Machbaren. Aber der technische Kompromiss ist klar: Er kostet deutlich mehr (über 30.000 Euro Aufpreis!) und opfert Reichweite für diese absurde Performance. Für mich? Ist der Macan 4 der eigentliche Star des Line-ups.

Zitat von Alex Wind: “Der Macan 4 ist der Porsche, den man kauft. Der Macan Turbo ist der Porsche, von dem man träumt. Aber 408 PS reichen in Deutschland für absolut alles – außer vielleicht, um einen Taycan Turbo S an der Ampel zu ärgern.”

Wie schlägt er sich bei realer Reichweite und Effizienz?

Die 95 kWh Netto-Batterie ist eine Ansage. Die WLTP-Werte (bis 613 km) klingen fantastisch. Aber was bleibt davon in der Praxis übrig, bei über 2,2 Tonnen Gewicht?


  • Reichweite (Macan 4): Im realen Testbetrieb bei gemischter Fahrweise landeten wir bei ca. 450 bis 500 Kilometern. Das ist ein sehr guter, solider Wert.
  • Autobahn (Macan 4): Bei konstant 130 km/h sind immer noch ca. 380-420 Kilometer drin. Auch das ist top und zeigt, dass die PPE-Plattform effizient arbeitet. Der Verbrauch pendelte sich (je nach Fahrweise) zwischen 20 und 24 kWh/100 km ein.
  • Turbo: Der Turbo braucht naturgemäß mehr, besonders wenn man die Leistung nutzt. Rechnet hier real eher mit 400-450 km (Mix) bzw. 330-370 km (Autobahn).

Fazit: Ja, die Reichweite ist absolut langstreckentauglich. Porsche liefert hier ab. Kein Vergleich zu den Reichweiten-Zittern der ersten E-Auto-Generation.

800 Volt in Reinform: Wie schnell lädt der Macan?

Die PPE-Plattform nutzt 800V-Technologie. Die maximale DC-Ladeleistung beträgt 270 kW. AC-Laden erfolgt serienmäßig mit 11 kW (dreiphasig).

Das ist Porsches Paradedisziplin, bekannt vom Taycan. Und der Macan enttäuscht nicht. 270 kW Peak! Mini-Fallstudie: Der Macan am 350-kW-HPC-Lader


  • Problem: Akku muss von 10 % auf 80 % geladen werden.
  • Aktion: Ansteuern einer Ionity-Säule (350 kW), Navi-basierte Vorkonditionierung ist aktiv.
  • Messbares Ergebnis: Die Ladung dauert offiziell nur 21 Minuten. Das ist phänomenal! In der Praxis hielt er die hohe Ladeleistung sehr lange. Wir haben in knapp 10 Minuten Strom für über 200 Kilometer nachgeladen. Das ist der Benchmark. Punkt. Hier deklassiert er fast alle (außer Taycan und e-tron GT). Die 400V-Konkurrenz (iX, EQE SUV) braucht deutlich länger. Einziger Wermutstropfen? 11 kW AC ist Serie. 22 kW AC (wie es der Taycan optional bietet) wären für das Laden in der Stadt noch schöner gewesen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Ladetechnisch ist der Macan eine 1+.

Ist das noch Porsche-Feeling? Fahrwerk und Fahrdynamik im Check

Serienmäßig adaptives Fahrwerk (PASM), optional Zweikammer-Luftfederung. Optional Hinterachslenkung (bis 5 Grad). Macan Turbo serienmäßig mit elektronischer Quersperre (PTV Plus) hinten.

Das war die größte Sorge. Fährt sich ein 2,3 Tonnen schwerer E-Panzer noch wie ein Porsche? Die Antwort ist ein klares: Ja! Was die Ingenieure hier geleistet haben, ist schlichtweg Magie. Das Auto fährt sich deutlich agiler, als es das Gewicht vermuten lässt. Die Lenkung ist Porsche-typisch – präzise, direkt, mit perfektem Feedback. Das optionale Luftfahrwerk mit Hinterachslenkung ist Pflicht! Es macht den Macan in der Stadt handlich (Wendekreis 11,1 m) und auf der Landstraße unglaublich stabil. Die Gewichtsverteilung ist hecklastig (48:52), der Schwerpunkt liegt tief. Der Turbo mit dem aktiven Sperrdifferenzial (PTV Plus) krallt sich förmlich aus der Kurve. Er untersteuert fast nie. Das Fahrgefühl ist nicht ganz so puristisch-mechanisch wie im alten Verbrenner-GTS, klar. Es ist digitaler, gefilterter. Aber es ist extrem schnell, präzise und souverän. Er fühlt sich an wie ein großer Hot Hatch, nicht wie ein SUV. Im Vergleich zu einem Tesla Model Y Performance? Eine andere Welt. Der Porsche fährt, der Tesla beschleunigt nur.

Wie gut ist das neue Cockpit (Taycan-Stil)?

Das Cockpit ist neu und orientiert sich am Taycan/Cayenne Facelift. Es verfügt über ein gebogenes 12,6-Zoll digitales Kombiinstrument, einen zentralen 10,9-Zoll Touchscreen und optional ein 10,9-Zoll Beifahrerdisplay. Es läuft auf Android Automotive OS.

Endlich! Das alte, Tasten-überladene Audi-Cockpit des Vorgängers ist weg. Das neue Layout ist clean, modern, fahrerorientiert. Das Curved Display (ohne Hutze) ist brillant ablesbar. Und – Halleluja! – es gibt eine separate, physische Tastenleiste für die Klimasteuerung! Porsche hat gelernt (im Gegensatz zu VW). Das Infotainment basiert auf Android Automotive, ist schnell, logisch und bietet Apps (Spotify etc.) nativ. Besser als das alte PCM. Die Sitzposition? Perfekt. Tief integriert, sportlich. Die Materialien? Exzellent, wie man es von Porsche erwartet. Das Platzangebot im Fond ist okay, aber die Coupé-Linie kostet Kopffreiheit für Riesen. Der Kofferraum (540 Liter + 84 Liter Frunk!) ist absolut alltagstauglich. Ein rundum gelungenes Cockpit.

Historischer Kontext: Vom Erfolgsmodell zum Elektro-Pionier

Der erste Macan (ab 2014, auf Audi Q5-Basis) war ein gigantischer Erfolg. Er erschloss Porsche neue, jüngere Käuferschichten und wurde schnell zum Bestseller. Er bewies, dass man Porsche-DNA auch in ein Kompakt-SUV packen kann. Der Schritt, die zweite Generation nur noch elektrisch zu bringen (zumindest in Europa), ist extrem mutig. Es ist eine “Alles-oder-Nichts”-Wette auf die neue PPE-Plattform und die Zukunft der E-Mobilität. Der Macan Electric ist nach dem Taycan der zweite, aber vielleicht wichtigste Pfeiler in Porsches E-Strategie. Er muss den Erfolg des Verbrenners wiederholen – eine Herkulesaufgabe.

Advokat des Teufels: Was sind die größten Haken am E-Macan?

  1. Der Preis: Ein Porsche ist teuer. Ein E-Porsche erst recht. Der Macan 4 startet bei über 84.000 Euro, der Turbo bei über 114.000 Euro. Das ist deutlich mehr als der alte Verbrenner (der zuletzt bei ca. 65.000 € startete). Und Konkurrenten wie das Tesla Model Y Performance (ca. 60.000 €) bieten ähnliche Längsdynamik für fast die Hälfte des Geldes.
  2. Gewicht: Über 2,2 (Macan 4) bzw. 2,3 Tonnen (Turbo) sind extrem schwer für ein Kompakt-SUV. Das merkt man beim Verbrauch und beim Reifen/Bremsen-Verschleiß.
  3. Plattform-Bruder Q6 e-tron: Der technisch sehr ähnliche Audi Q6 e-tron (gleiche PPE-Plattform, 800V, 100 kWh Akku) ist günstiger (startet bei ca. 75.000 €) und bietet als SUV mehr Platz/Praktikabilität. Man zahlt beim Macan einen saftigen Aufpreis für Design und Fahrdynamik.
  4. Software-Verzögerung: Wie beim Q6 e-tron kam es auch beim Macan zu erheblichen Software-Verzögerungen, die den Marktstart nach hinten verschoben. Bleibt die Frage, ob die komplexe E³ 1.2 Architektur nun wirklich stabil läuft.

Preis der Fehlkonfiguration: Macan 4 vs. Macan Turbo – Wann lohnt der Aufpreis?

Der Aufpreis vom Macan 4 zum Turbo beträgt über 30.000 Euro.

  • Szenario: Käufer will den schnellsten Macan, primär für Autobahn und Status.
    • Fehlkonfiguration: Kauft den Macan 4. Er wird sich ständig ärgern, dass er “nur” 408 PS hat und ein Tesla Model Y Performance ihm an der Ampel wegfährt.
    • Richtige Wahl: Kauft den Macan Turbo. 639 PS, 3,3 Sekunden. Statement gesetzt.
  • Szenario: Käufer will einen agilen, reichweitenstarken E-Porsche für den Alltag und die Landstraße.
    • Fehlkonfiguration: Kauft den Macan Turbo. Zahlt 30.000 € mehr für Performance, die er nie nutzt, und hat weniger Reichweite.
    • Richtige Wahl: Kauft den Macan 4. Spart Geld, hat mehr Reichweite, und die 408 PS sind mehr als genug für 99% aller Fahrsituationen.
  • Fazit: Die Fehlkonfiguration ist, den Turbo zu kaufen, wenn man ihn nicht wirklich will (und braucht). Der Macan 4 ist das rational und fahrdynamisch ausgewogenere Auto. Der Turbo ist ein brachialer Luxus, den man sich leisten können muss – und wollen.

Zukünftiger Ausblick: Was kommt nach 4 und Turbo?

Die PPE-Plattform ist skalierbar. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Porsche nachschieben wird:

  • Ein Basismodell (nur Heckantrieb?): Günstiger, noch mehr Reichweite (analog zum Taycan Basis). Wäre in Europa sinnvoll.
  • Ein Macan GTS: Eine sportlichere Version zwischen 4 und Turbo, vielleicht mit der Leistung des Turbo, aber fokussierterem Fahrwerk?
  • Ein Macan S?Porsche wird diese wichtige Baureihe sicher weiter auffächern, um alle Preispunkte und Leistungswünsche (zwischen 80.000 und 120.000 Euro) abzudecken.
Merkmal
Porsche Macan 4 Electric
Tesla Model Y Perf.
BMW iX3 (alt, G08 LCI)
Mercedes EQC 400 (alt)
Audi Q6 e-tron 55
Konzept
Premium E-SUV, 800V
E-SUV, 400V
E-SUV, 400V (Verbrenner-Basis)
E-SUV, 400V (Verbrenner-Basis)
Premium E-SUV, 800V
Leistung (ca.)
408 PS (Boost)
534 PS
286 PS (RWD)
408 PS
388 PS
Akku (Netto)
95 kWh
ca. 75 kWh (?)
74 kWh
80 kWh
100 kWh
Reichw. (WLTP)
ca. 613 km
ca. 514 km
ca. 490 km
ca. 430 km
ca. 610 km
Ladeleistung (max)
270 kW
250 kW
155 kW
110 kW
270 kW
Ladezeit (10-80%)
ca. 21 Min.
ca. 27 Min.
ca. 32 Min.
ca. 40 Min.
ca. 21 Min.
Preis (Basis, ca.)
ab 84.100 €
ab 59.990 €
(Eingestellt)
(Eingestellt)
ab 74.700 €

Fazit: Der Porsche Macan Electric ist ein technischer Meilenstein. Er schafft es, die Fahrdynamik und das Premium-Gefühl eines echten Porsche fast verlustfrei ins Elektro-Zeitalter zu übertragen. Die PPE-Plattform setzt mit 800V-Technik, exzellenter Ladeleistung (270 kW) und hoher Reichweite Maßstäbe. Das Fahrwerk ist (mit den richtigen Optionen) eine Klasse für sich und lässt das hohe Gewicht vergessen. Das neue Cockpit ist ein riesiger Fortschritt. Ja, er ist sündhaft teuer, besonders im Vergleich zu Tesla. Und der technisch sehr ähnliche Audi Q6 e-tron ist günstiger und praktischer. Aber der Macan fährt sich eben wie ein Porsche. Und dieses Gefühl ist für viele den Aufpreis wert. Der König der Kompakt-SUVs ist tot – lang lebe der elektrische König! Er hat das Zeug dazu.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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