Wasserstoff. Das klingt nach Zukunft, nach sauberer Energie, nach der Lösung aller Reichweiten- und Ladeprobleme der Elektromobilität. Und Toyota hält unbeirrt an dieser Vision fest. Während andere Hersteller voll auf Batterie setzen, schicken die Japaner mit dem Mirai bereits die zweite Generation ihrer Brennstoffzellen-Limousine ins Rennen. Ein atemberaubend gezeichnetes Auto, das Oberklasse-Flair mit emissionsfreiem Fahren (zumindest lokal) verbinden will. Schnelles Tanken, hohe Reichweite – klingt nach der Eierlegenden Wollmilchsau. Aber ist der Mirai im Jahr 2025 wirklich eine ernsthafte Alternative zu Tesla, EQE & Co.? Oder bleibt er ein faszinierendes, aber sündhaft teures Experiment für Überzeugungstäter in einer Welt ohne Tankstellen? Ich habe den Praxistest gemacht. Mit offenem Visier.
Was ist der Toyota Mirai und an wen richtet er sich?
Der Toyota Mirai (zweite Generation, JPD20) ist eine fünfsitzige, rein elektrisch angetriebene Oberklasse-Limousine, die ihren Strom mittels einer Wasserstoff-Brennstoffzelle an Bord erzeugt. Er basiert auf der GA-L Plattform (Global Architecture – Luxury) und verfügt über Heckantrieb.
Okay, Schluss mit dem Technik-Sprech. Im Klartext: Das ist Toyotas Versuch, zu zeigen, dass Wasserstoff auch sexy sein kann. Weg vom Prius-Öko-Image, hin zu einer fast fünf Meter langen, flachen Luxus-Limousine, die aussieht wie aus einem Guss. Hut ab, das Design ist gelungen! Aber für wen ist das Ding? Für Leute, die elektrisch fahren wollen, aber keine Lust auf lange Ladepausen haben. Für Flottenbetreiber, die emissionsfrei unterwegs sein müssen, aber hohe Reichweiten brauchen. Und natürlich für Technik-Enthusiasten mit dem nötigen Kleingeld (über 65.000 Euro Basis!) und – ganz wichtig – einer Wasserstoff-Tankstelle in erreichbarer Nähe. Denn ohne die geht gar nichts. Er ist also eher ein Statement als ein Massenprodukt. Ein sehr elegantes Statement, zugegeben.
Wie funktioniert die Brennstoffzellen-Technik im Detail?
Im Mirai reagiert gasförmiger Wasserstoff (H2), gespeichert in drei Hochdrucktanks (700 bar), in der Brennstoffzelle mit Sauerstoff (O2) aus der Luft. Dabei entsteht elektrische Energie, die einen Elektromotor mit 134 kW (182 PS) antreibt. Als Nebenprodukt entsteht lediglich Wasserdampf. Eine kleine Lithium-Ionen-Pufferbatterie unterstützt bei Leistungsspitzen und speichert Rekuperationsenergie.
Man muss sich das wie ein kleines Kraftwerk an Bord vorstellen. Statt einen riesigen Akku mitzuschleppen, hat man seine Energiequelle dabei. Wasserstoff rein, Strom raus, Wasser raus. Klingt genial einfach. Ist es technologisch natürlich nicht. Die Brennstoffzelle ist ein komplexes Hightech-Bauteil mit Platin-Katalysatoren. Die Tanks müssen enormen Druck aushalten. Aber das Ergebnis ist faszinierend: Man fährt elektrisch, leise, emissionsfrei (lokal!), ohne sich über Ladezeiten Gedanken machen zu müssen. Theoretisch zumindest. Die Krux an der Sache ist nicht das Auto, sondern alles drumherum. Und natürlich die Frage: Wo kommt der Wasserstoff her und wie “grün” ist er wirklich? Aber dazu später mehr.
Wie weit kommt man wirklich und wie schnell ist er betankt?
Die drei Wasserstofftanks fassen insgesamt 5,6 kg H2. Die offizielle WLTP-Reichweite beträgt bis zu 650 km. Der Tankvorgang dauert an einer 700-bar-Zapfsäule ca. 5 Minuten.
650 Kilometer Reichweite! Das ist mal eine Ansage, da kommen selbst die besten Batterie-Stromer kaum mit. Und 5 Minuten tanken? Klingt wie in der guten alten Verbrenner-Welt. Aber Papier ist geduldig. Im realen Testbetrieb landeten wir bei gemischter Fahrweise und moderaten Temperaturen bei ca. 450 bis 500 Kilometern. Das ist immer noch ein sehr guter Wert, vergleichbar mit einem Langstrecken-Diesel. Der Verbrauch liegt bei rund 1 kg H2 pro 100 km. Und das Tanken? Ja, das geht wirklich schnell. Zapfpistole drauf (sieht ähnlich aus wie bei LPG), verriegeln, Knopf drücken, warten, fertig. Kein Vergleich zum halbstündigen Kaffeekränzchen an der E-Ladesäule. Wenn, ja wenn man eine H2-Tankstelle findet…
Das Nadelöhr: Wie steht es um H2-Tankstellen und Kosten?
Das Netz öffentlicher Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland umfasst derzeit ca. 100 Stationen und wird nur sehr langsam ausgebaut. Viele Stationen sind zudem unzuverlässig oder temporär außer Betrieb. Der Preis für ein Kilogramm Wasserstoff liegt bei ca. 13-16 Euro, was zu Kraftstoffkosten von ca. 13-16 Euro pro 100 km führt.
Und da zerplatzt der Traum vom sorglosen E-Fahren. Rund 100 Tankstellen in ganz Deutschland! Das ist ein schlechter Witz. Oft stehen die Dinger an Autobahnen oder in Ballungszentren. Wohnt man auf dem Land? Pech gehabt. Dazu kommt die Unzuverlässigkeit. Nicht selten steht man vor einer defekten Säule. Eine Routenplanung erfordert penible Vorbereitung und immer einen Plan B. Das ist Stress pur. Und die Kosten? 13 bis 16 Euro pro 100 km! Das ist teurer als Diesel! Zum Vergleich: Ein effizientes E-Auto (BEV) fährt dieselbe Strecke für 6-8 Euro (bei Haushaltsstrom) oder 9-12 Euro (an der Schnellladesäule). Wasserstoff fahren ist aktuell ein teures und unpraktisches Vergnügen. Punkt. Die Infrastruktur ist und bleibt die Achillesferse. Ohne massiven, staatlich geförderten Ausbau wird das nichts mit dem Massenmarkt. Daran ändert auch der schicke Mirai nichts.
Tipp von Alex Wind: Wer über einen Mirai nachdenkt: Prüfen Sie als ALLERERSTES die Verfügbarkeit UND Zuverlässigkeit der H2-Tankstellen auf Ihren täglichen Routen und typischen Langstrecken. Gibt es da Zweifel? Finger weg!
Fährt er sich wie eine Luxuslimousine?
Der Mirai basiert auf der GA-L Plattform (Lexus LS/LC). Er verfügt über eine Mehrlenker-Vorder- und Hinterachse und Heckantrieb. Das Fahrwerk ist auf Komfort ausgelegt. Die Geräuschdämmung ist auf hohem Niveau.
Ja, das tut er. Hier merkt man die edle Basis. Der Mirai gleitet unglaublich sanft und leise dahin. Das Fahrwerk bügelt Unebenheiten souverän weg, die Lenkung ist leichtgängig und präzise, aber gefühlsarm – typisch Luxuslimousine eben. Die Geräuschdämmung ist exzellent, man hört fast nichts vom Antrieb oder den Windgeräuschen. Der E-Motor schiebt mit seinen 182 PS zwar nicht brachial, aber absolut ausreichend und ansatzlos an (0-100 km/h in 9,0 s). Das ist kein Sportwagen, sondern ein extrem entspannter Cruiser für die Langstrecke. Das Fahrgefühl ist definitiv Oberklasse. Sehr angenehm.
Ist der Innenraum Premium-würdig?
Das Interieur bietet Platz für fünf Personen. Es verfügt über ein digitales Cockpit mit 8-Zoll-Fahrerdisplay und einem zentralen 12,3-Zoll-Touchscreen (Toyota Smart Connect System). Die Materialien sind hochwertig (Soft-Touch, Leder-Optik), die Verarbeitung gut. Das Platzangebot im Fond ist durch die Wasserstofftanks und den Kardantunnel eingeschränkt. Der Kofferraum ist mit 272 Litern sehr klein.
Jein. Die Materialien fassen sich gut an, die Verarbeitung ist Toyota-typisch solide. Das Design ist modern, fahrerorientiert. Aber Premium auf S-Klasse-Niveau? Eher nicht. Das Infotainment-System ist das bekannte Toyota-System – funktional, mit Apple CarPlay/Android Auto, aber nicht besonders aufregend. Und das Platzangebot? Vorne okay, aber hinten wird’s eng. Der Mitteltunnel (für einen der H2-Tanks) stört massiv, die Kopffreiheit ist mäßig. Und der Kofferraum? Ein Witz! 272 Liter! Das ist Kleinwagen-Niveau. Schuld sind die drei großen Wasserstofftanks, die im Unterboden und hinter der Rückbank platziert sind. Hier fordert die Technik ihren Tribut an die Praktikabilität. Für eine fast fünf Meter lange Limousine ist das einfach zu wenig. Luxuriös ja, praktisch nein.
Der evolutionäre Weg: Vom kantigen Pionier zur eleganten Limousine?
Der erste Mirai (ab 2014) war ein technischer Pionier, aber optisch… nun ja, gewöhnungsbedürftig. Kantig, zerklüftet, sah er aus wie ein aufgeblasener Prius auf Steroiden. Er war ein reines Technologie-Statement. Die zweite Generation (ab 2020) ist das genaue Gegenteil: Eine wunderschöne, fließende Limousine auf einer hochwertigen Plattform. Toyota wollte zeigen, dass Wasserstoff nicht nur vernünftig, sondern auch begehrenswert sein kann. Der technische Kompromiss war der Wechsel von Front- auf Heckantrieb und die GA-L Plattform, was die Kosten in die Höhe trieb und das Packaging (Platzangebot) erschwerte. Es war der Versuch, Wasserstoff aus der Öko-Ecke ins Premium-Segment zu heben. Ein mutiger, aber vielleicht nicht ganz erfolgreicher Schritt.
Advokat des Teufels: Was spricht knallhart GEGEN den Mirai?
Neben der katastrophalen Tankstellen-Infrastruktur und den hohen Wasserstoff-Kosten sind es vor allem: 1. Der hohe Anschaffungspreis: Über 65.000 Euro für eine Limousine mit mäßiger Leistung und eingeschränkter Praktikabilität. 2. Der geringe Kofferraum: Macht ihn als Familien- oder Reiseauto unattraktiv. 3. Die begrenzte Leistung: 182 PS sind für eine Oberklasse-Limousine heute unterdurchschnittlich. 4. Die unsichere Zukunft: Bleibt Wasserstoff im PKW eine Nische? Wie sieht es mit dem Wiederverkaufswert aus? 5. Die Effizienz-Frage: Der Gesamtwirkungsgrad (“Well-to-Wheel”) von grünem Wasserstoff ist deutlich schlechter als bei Batterie-Elektroautos. Ist das wirklich nachhaltig?
Der Mirai ist ein Auto voller Kompromisse, die nur durch die (theoretischen) Vorteile der schnellen Betankung und hohen Reichweite aufgewogen werden. Aber diese Vorteile kann man in der Praxis kaum nutzen. Er ist ein teures Nischenprodukt für Überzeugte. Nüchtern betrachtet gibt es kaum rationale Gründe, ihn einem guten Batterie-Elektroauto vorzuziehen.
Zukünftiger Ausblick: Hat Wasserstoff im PKW noch eine Chance?
Toyota hält (als einer der wenigen großen Hersteller neben BMW und Hyundai) weiterhin an der Wasserstoff-Brennstoffzelle fest. Der Fokus scheint sich aber auch hier zu verschieben: Kleinere, effizientere Brennstoffzellen der nächsten Generation, möglicherweise in Kombination mit Plug-in-Hybrid-Technik (wie bei Konzepten gezeigt) oder als Range Extender. Auch der Einsatz im Nutzfahrzeugbereich oder in stationären Anwendungen wird wichtiger. Ob es eine direkte dritte Generation des Mirai als reine FCEV-Limousine geben wird, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass die Technologie in anderer Form weiterlebt, während der Massenmarkt vorerst batterieelektrisch bleibt. Der aktuelle Mirai könnte somit ein wunderschöner, aber letztlich erfolgloser Versuch bleiben, den Wasserstoff-PKW zu etablieren.
Unerwarteter Anwendungsfall: Die rollende Powerbank?
Ja, der Mirai hat tatsächlich eine externe Stromabgabefunktion (V2L – Vehicle-to-Load). Über einen Adapter kann man an der (nicht vorhandenen) Ladebuchse Strom mit bis zu 9 kW Leistung entnehmen. Da die Brennstoffzelle kontinuierlich Strom erzeugt (solange Wasserstoff im Tank ist), kann der Mirai theoretisch als leistungsstarkes Notstromaggregat dienen – zum Beispiel für ein kleines Haus bei einem Stromausfall oder zum Betreiben von Werkzeugen auf einer Baustelle ohne Stromanschluss. Das ist ein interessanter Nebeneffekt der Technologie, der in bestimmten Nischen durchaus nützlich sein kann.
Merkmal | Toyota Mirai (2025) | Hyundai Nexo | Mercedes EQE 300 | BMW i5 eDrive40 |
Antrieb | FCEV (H2), RWD | FCEV (H2), FWD | BEV, RWD | BEV, RWD |
Leistung (ca.) | 182 PS | 163 PS | 245 PS | 340 PS |
Reichweite (WLTP) | ca. 650 km | ca. 666 km | ca. 630 km | ca. 580 km |
Tanken/Laden (10-80%) | ca. 5 Min. | ca. 5 Min. | ca. 32 Min. | ca. 30 Min. |
“Tankstellen” (DE) | ca. 100 (H2) | ca. 100 (H2) | > 100.000 (AC/DC) | > 100.000 (AC/DC) |
Kofferraum | 272 L | 461 L | 430 L | 490 L |
Preis (Basis, ca.) | ab 66.000 € | ab 80.000 € | ab 67.000 € | ab 70.000 € |
Fazit: Der Toyota Mirai ist ein technologisch faszinierendes und optisch wunderschönes Auto. Er beweist, dass Wasserstoff-Fahren im Alltag funktionieren kann – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Doch genau da liegt das Problem: Die mangelhafte Tankstellen-Infrastruktur, die hohen Wasserstoff-Kosten und die praktischen Nachteile (kleiner Kofferraum) machen ihn für die allermeisten Käufer unattraktiv. Er ist ein teurer Exot für Pioniere, der gegen die immer besseren und günstigeren Batterie-Elektroautos einen schweren Stand hat. Ob die Wasserstoff-Hoffnung im PKW-Bereich noch eine Zukunft hat, muss sich erst noch zeigen. Der Mirai allein kann sie nicht retten, so elegant er auch ist. Eine teure Sackgasse? Im Moment sieht es leider danach aus.



















