Volkswagen und die SUV-Offensive – eine unendliche Geschichte. Nachdem Polo, Golf und Tiguan den Markt erobert hatten, brauchte es… noch mehr SUVs! So kam der T-Cross. Und als ob das nicht reichte, schob VW den Taigo hinterher. Ein SUV-Coupé im Kleinwagenformat, basierend auf dem brasilianischen Nivus, gebaut auf der gleichen Polo-Plattform wie der T-Cross. Mehr Design, flacheres Heck, gleicher Radstand. Verwirrend? Und wie! Die Frage, die sich mir stellt: Ist der Taigo nur ein modisches Accessoire für Leute, die einen T-Cross uncool finden? Oder kann dieser “schicke Polo” mehr, als nur gut auszusehen? Ich habe mir den 2025er Jahrgang geschnappt – mit Dreizylinder und Vierzylinder.
Was ist der VW Taigo und für wen ist er gedacht?
Der Volkswagen Taigo ist ein fünftüriges Crossover-SUV im B-Segment (Kleinwagen-SUV-Coupé). Er basiert auf der MQB-A0-Plattform (wie Polo und T-Cross) und wird ausschließlich mit Benzinmotoren (TSI) und Frontantrieb angeboten. Er positioniert sich als designorientierte Alternative zum praktischeren T-Cross.
Er ist VWs Antwort auf den Lifestyle-Trend. Ein Ford Puma, ein Renault Captur – die sehen alle irgendwie schnittig aus. Da wirkte der T-Cross daneben wie ein Rentner-Golf auf Stelzen. Also musste was her. Man nahm den T-Cross (oder besser: den Polo), bügelte das Dach glatt, malte ein schickes Coupé-Heck dran und nannte das Ganze Taigo. Fertig. Zielgruppe? Klare Sache: Junge Leute, Paare, Design-Liebhaber, denen der T-Cross zu bieder und der Polo zu flach ist. Ein Auto, das mehr “Lifestyle” als “Lastesel” signalisieren soll. Ob das funktioniert? Offenbar ja, man sieht ihn erstaunlich oft. Aber er opfert eben Praktikabilität für die Optik. Ein klassischer Kompromiss.
Welche Motoren gibt es: Sparsamer Dreizylinder oder potenter Vierzylinder?
Die Motorenpalette umfasst Dreizylinder- (1.0 TSI) und Vierzylinder-Benziner (1.5 TSI). Ein Diesel oder Allradantrieb sind nicht verfügbar.
- 1.0 TSI (Dreizylinder): Mit 70 kW (95 PS) oder 85 kW (115/116 PS). Gekoppelt an 5/6-Gang-Schaltgetriebe oder 7-Gang-DSG.
- 1.5 TSI (Vierzylinder): Mit 110 kW (150 PS). Ausschließlich mit 7-Gang-DSG.
Okay, die Motoren kennen wir in- und auswendig aus dem gesamten VW-Kleinwagen-Regal. Der 95-PS-Dreizylinder? Ehrlich gesagt, nur was für die absolute Spar-Ausstattung, um einen niedrigen Basispreis ins Schaufenster zu stellen. 11,1 Sekunden auf 100 in einem Auto, das sportlich aussehen will? Das passt nicht. Der 115-PS-Dreizylinder (jetzt oft mit 116 PS) ist die Vernunftwahl. Reicht für den Alltag, läuft erstaunlich kultiviert und ist sparsam (Real um 6-6,5 Liter). Aber der wahre Segen für den Taigo ist der 1.5 TSI mit 150 PS. Ja, er ist deutlich teurer. Aber dieser Vierzylinder macht aus dem lauen Lüftchen einen echten Wirbelwind (0-100 in 8,3 s). Er ist laufruhig, kraftvoll, souverän auf der Autobahn und hat sogar Zylinderabschaltung (ACT). Das ist der Motor, der zum dynamischen Anspruch der Karosserie passt. Alles andere ist nur halber Kram.
Zitat von Alex Wind: “Der 1.0 TSI bewegt den Taigo. Der 1.5 TSI lässt ihn leben. Wer den Coupé-Aufschlag zahlt, sollte nicht am Motor sparen, sonst ist die Show schnell vorbei.”
Wie schlägt sich das Cockpit und das Infotainment (MIB3)?
Der Innenraum verfügt serienmäßig über ein digitales Cockpit (8 Zoll oder optional 10,25 Zoll “Digital Cockpit Pro”) und ein Infotainmentsystem (basierend auf MIB3) mit 8-Zoll oder 9,2-Zoll-Touchscreen. Materialien sind überwiegend Hartplastik.
Hier merkt man, wo der Taigo herkommt: aus der Kleinwagen-Ecke. Das Cockpit-Layout ist klar, VW-typisch ergonomisch (mit physischen Klimareglern oder Touch-Slidern, je nach Baujahr/Ausstattung – ein Graus!). Und das Digital Cockpit ist Serie – das ist gut! Das MMI-System (MIB3) funktioniert auch gut, schnell, mit kabellosem App-Connect (oft). Aber die Materialien? Puh. Hartplastik, wohin man fasst. Am Armaturenbrett (außer R-Line?), an den Türen. Das sieht okay aus, fasst sich aber billig an. Da war der Polo früher mal wertiger! Hier merkt man den Sparzwang des MQB-A0-Baukastens brutal. Ein Ford Puma oder Peugeot 2008 wirken innen deutlich schicker und hochwertiger. Das ist ein klarer Minuspunkt für ein Auto, das über Lifestyle und Design kommen will.
Wie praktisch ist das “Coupé”-Heck wirklich? (Kofferraum & Platz im Fond)
Der Kofferraum fasst 440 Liter (bis 1.222 Liter bei umgeklappter Rückbank). Das Platzangebot im Fond ist trotz abfallender Dachlinie gut, die Kopffreiheit ausreichend für Personen bis ca. 1,85 m.
Überraschung! Das ist die große Stärke des Taigo. Obwohl er ein “Coupé” ist, ist sein Kofferraum mit 440 Litern sogar größer als der des T-Cross (385-455 Liter, je nach Rückbank-Position)! Wie das? Weil der Taigo den längeren Überhang des Polo (als Limousine in anderen Märkten) nutzt, während der T-Cross einen kürzeren Überhang hat. Clever! Er ist also der schönere und der praktischere der beiden Polo-SUVs, zumindest beim reinen Kofferraumvolumen. Verrückt, oder? Und im Fond? Ich bin 1,80 m und saß hinten erstaunlich gut. Die Kopffreiheit reicht aus, die Beinfreiheit ist identisch zum T-Cross (gleicher Radstand). Der technische Kompromiss des Coupé-Designs ist hier also erstaunlich gering. Ein klarer Pluspunkt für den Taigo.
Wie fährt er sich – mehr Polo oder mehr T-Cross?
Das Fahrwerk (McPherson vorne, Verbundlenkerachse hinten) ist komfortabel abgestimmt, agiler als im T-Cross, aber weniger direkt als im Polo. Die Lenkung ist leichtgängig, das Fahrverhalten sehr sicher und gutmütig (frontantriebstypisch untersteuernd).
Er fährt sich genau wie das, was er ist: ein höhergelegter Polo. Er ist deutlich agiler und wankt weniger als der höhere T-Cross. Das gefällt mir gut. Er lenkt sauber ein, bleibt lange neutral und fährt sich absolut idiotensicher. Aber das sportliche Versprechen der Optik? Löst er nicht ganz ein. Die Lenkung ist zu leichtgängig, zu gefühllos. Es fehlt die letzte Präzision, das Feedback, das ein Ford Puma bietet. Der Puma ist der Sportler in dieser Klasse, der Taigo ist der komfortable Gleiter im Sport-Dress. Er fährt sich gut, ja. Aber aufregend? Eher nicht. Außer man nimmt den 1.5 TSI, der bringt immerhin Längsdynamik rein. Insgesamt eine sehr ausgewogene, aber eben auch etwas langweilige Abstimmung. Typisch VW.
Historischer Kontext: Vom brasilianischen Nivus zum europäischen Taigo
Der Taigo ist ein interessantes Beispiel für globale Plattform-Strategien. Er wurde ursprünglich als “Nivus” für den brasilianischen Markt entwickelt, basierend auf der dortigen MQB-A0-Plattform. Volkswagen erkannte das Potenzial des Konzepts (B-SUV-Coupé) und entschied, das Modell (mit technischen und optischen Anpassungen für EU-Standards, z.B. bessere Materialien, Assistenzsysteme) auch in Europa anzubieten. Produziert wird der Taigo für Europa in Spanien (Pamplona). Er ist ein “Welt-Auto”, das erfolgreich eine Nische zwischen dem pragmatischen T-Cross und dem klassischen Polo besetzt.
Advokat des Teufels: Was ist das stärkste Argument GEGEN den Taigo?
Das stärkste Gegenargument ist die miserable Materialanmutung im Innenraum in Relation zum selbstbewussten Preis.
Man muss es klar sagen: Der Taigo ist zu teuer für das, was er innen bietet. VW lässt sich das schicke Blechkleid gut bezahlen. Ein Taigo mit 115 PS und DSG in der “Style”- oder “R-Line”-Ausstattung knackt locker die 30.000-Euro-Marke. Und dafür sitze ich dann in einer Hartplastik-Landschaft, die sich anfühlt wie ein 20.000-Euro-Auto. Das passt nicht zusammen! Konkurrenten wie der Peugeot 2008 oder der Renault Captur bieten für ähnliches Geld ein deutlich hochwertigeres, stilvolleres Interieur. Und ein Ford Puma fährt sich dazu noch sportlicher. Der Taigo gewinnt beim Kofferraum, ja. Aber der Premium-Anspruch, den das Design suggeriert, wird im Innenraum brutal gebrochen. Das ist der größte Kompromiss.
Preis der Fehlkonfiguration: 115 PS DSG vs. 150 PS DSG – Am falschen Ende gespart?
Der Aufpreis für den 1.5 TSI (150 PS) gegenüber dem 1.0 TSI (115/116 PS), beide mit DSG, liegt bei rund 2.000 – 2.500 Euro.
- Szenario: Käufer will den sportlichen “R-Line”-Look, fährt oft Autobahn.
- Fehlkonfiguration: Kauft den 1.0 TSI (115 PS). Das Auto sieht schnell aus, ist es aber nicht. Auf der Autobahn wird der Dreizylinder laut und angestrengt, der Verbrauch steigt. Der Fahrspaß hält nicht, was die Optik verspricht.
- Richtige Wahl: Kauft den 1.5 TSI (150 PS). Souveräne Leistung, leiserer Motorlauf bei hohem Tempo, Zylinderabschaltung bei Teillast. Passt perfekt zum dynamischen Anspruch und zum Langstrecken-Komfort.
- Fazit: Die Fehlkonfiguration ist, den 1.0 TSI zu nehmen, wenn man mehr als nur Stadtverkehr fährt. Die 2.000 Euro Aufpreis für den 1.5 TSI sind exzellent investiertes Geld in Souveränität, Laufkultur und Fahrspaß. Wer am Motor spart, kauft nur die Hülle, nicht das Erlebnis.
Unerwarteter Anwendungsfall: Der schicke Pizza-Flitzer 2.0?
Okay, zugegeben, das ist weit hergeholt. Aber denkt mal drüber nach: Für einen Lieferservice oder einen urbanen Kurierdienst, der auf Stil wert legt? Der Taigo bietet mehr Kofferraum als ein Polo (für die Thermoboxen), sieht deutlich repräsentativer aus als ein Dacia Sandero, ist wendig in der Stadt und (als 95/115 PS) relativ sparsam im Unterhalt. Und das Wichtigste: Er fällt auf! Ein Lieferdienst, der mit einer Flotte schicker Taigos vorfährt? Das macht mehr her als der übliche Corsa-Einheitsbrei. Der technische Kompromiss? Der Anschaffungspreis ist natürlich höher. Aber für “Premium-Lieferdienste” (Gourmet-Essen etc.)? Vielleicht gar nicht so dumm…
Merkmal | VW Taigo 1.5 TSI | Ford Puma 1.0 EcoBoost Hybrid (155 PS) | Renault Captur TCe 160 EDC | Peugeot 2008 PureTech 130 |
Konzept | B-SUV Coupé | B-SUV Crossover (sportlich) | B-SUV Crossover (komfortabel) | B-SUV Crossover (stylisch) |
Motor | 1.5L R4 Turbo | 1.0L R3 Turbo MHEV | 1.3L R4 Turbo MHEV | 1.2L R3 Turbo |
Leistung (ca.) | 150 PS | 155 PS | 158 PS | 131 PS |
Fahrgefühl | Ausgewogen, Sicher | Agil, Sportlich | Sehr komfortabel | Komfortabel |
Kofferraum (ca.) | 440 L | 456 L (+ MegaBox) | 422 L (Verschiebebank) | 434 L |
Innenraum-Anmutung | Mäßig (Hartplastik) | Gut | Gut | Sehr gut |
Preis (Index) | Mittel | Mittel | Mittel | Mittel/Hoch |
Fazit: Der VW Taigo ist ein cleverer Schachzug von Volkswagen. Er sieht (von außen) teurer aus, als er ist, und bietet überraschenderweise mehr Kofferraum als sein praktischerer Bruder T-Cross. Er fährt sich sicher, komfortabel und unaufgeregt, wie man es von einem VW erwartet. Der 1.5 TSI ist die einzig standesgemäße Motorisierung, die der sportlichen Optik gerecht wird. Sein größter Schwachpunkt ist die billige Materialanmutung im Innenraum, die in krassem Gegensatz zum Außendesign und dem selbstbewussten Preis steht. Wer ein stilvolles, geräumiges B-Segment-Coupé mit solider Technik sucht und über das Hartplastik hinwegsehen kann, macht hier nichts falsch. Wer aber Fahrdynamik (Puma) oder Innenraum-Flair (Peugeot/Renault) sucht, findet stärkere Alternativen. Ein pragmatischer Blender – aber ein verdammt praktischer.


























