Im hart umkämpften deutschen Premium-Markt ist Genesis immer noch ein Außenseiter, aber einer mit verdammt guten Argumenten. Während Audi, BMW und Mercedes ihre E-SUV-Paletten ausbauen, schärft die Hyundai-Tochter ihr wichtigstes Modell nach: Der Genesis Electrified GV70 erhält für das Modelljahr 2025 ein umfassendes Facelift. Die Koreaner behalten die geniale 800-Volt-Schnellladetechnik bei, packen aber einen größeren 84-kWh-Akku und ein spektakuläres 27-Zoll-OLED-Display ins Cockpit. Wir haben den 490-PS-Geheimtipp getestet und klären, ob die deutsche Konkurrenz jetzt endgültig nervös werden muss.
Was ist der Electrified GV70 und was macht ihn so besonders?
Der Electrified GV70 ist die vollelektrische Version des erfolgreichen Mittelklasse-SUVs GV70. Anders als der kleinere GV60 basiert er nicht auf einer reinen E-Plattform (E-GMP), sondern teilt sich die Architektur mit seinen Verbrenner-Brüdern. Dies ist sein größter technischer Kompromiss. Doch Genesis hat diesen Kompromiss mit einer Technologie aufgewertet, die fast alle deutschen Konkurrenten in den Schatten stellt: einer 800-Volt-Architektur.
Dieses System, das man sonst nur bei Porsche, Audi oder den E-GMP-Geschwistern von Hyundai/Kia findet, ermöglicht phänomenale Ladezeiten. Für das Facelift 2025 kombiniert Genesis dies mit einem neuen 84-kWh-Akku (vorher 77,4 kWh) und einem radikal modernisierten Innenraum. Er ist der unauffällige Luxus-Sportler für alle, denen ein BMW iX3 zu schwach, ein Mercedes EQE SUV zu teuer und ein Tesla Model Y zu minimalistisch ist.
Wie schnell lädt er wirklich? Die 800-Volt-Disziplin
Hier liegt die unangefochtene Paradedisziplin des Genesis. Während viele Konkurrenten noch mit 400-Volt-Systemen arbeiten und Ladezeiten von 30 Minuten oder mehr benötigen, deklassiert der GV70 sie an der HPC-Säule.
Mini-Fallstudie: Der Autobahn-Ladestopp
- Problem: Längere Geschäftsreise, der Akku ist fast leer (10 %), der nächste Termin drängt.
- Aktion: Anfahrt an eine 350-kW-Schnellladesäule (z.B. Ionity). Das Navigationssystem hat die Batterie bereits automatisch vorkonditioniert.
- Messbares Ergebnis: Der Electrified GV70 zieht mit einer Ladeleistung von bis zu 240 kW. Die Ladung von 10 % auf 80 % dauert nur 19 Minuten. In dieser Zeit werden über 300 Kilometer an realer Reichweite nachgeladen.
Dieser Wert ist ein absoluter Gamechanger für die Langstreckentauglichkeit und ein Punkt, bei dem selbst der neue Porsche Macan Electric kaum schneller ist. Das ist der “Preis” der 800-Volt-Technik: Sie macht den Kompromiss der nicht-dedizierten E-Plattform fast vergessen.
Wie schlägt sich der neue 84-kWh-Akku in der Praxis?
Der größere Akku war ein notwendiger Schritt. Die WLTP-Reichweite steigt damit auf solide 479 Kilometer. Im realen Testbetrieb konnten wir diesen Wert fast bestätigen. Bei gemäßigten Temperaturen und einem gemischten Fahrprofil aus Stadt, Landstraße und Autobahn (Limit 130 km/h) ist eine reale Reichweite von 390 bis 420 Kilometern absolut realistisch.
Im reinen Autobahnbetrieb bei 130 km/h pendelt sich der Verbrauch bei etwa 22–24 kWh/100 km ein, was eine Reichweite von rund 350 Kilometern ermöglicht. Das ist kein Effizienz-Wunder, aber in Kombination mit den extrem kurzen Ladepausen ist der GV70 ein erstklassiges Reiseauto.
Fühlt sich der Innenraum dank des 27-Zoll-Displays jetzt wie eine S-Klasse an?
Fast. Der Innenraum war schon vor dem Facelift eine Stärke des GV70, mit makelloser Verarbeitung und edlen Materialien. Das Facelift 2025 hebt das Cockpit nun auf ein neues digitales Level. Das bisherige Layout mit getrenntem Tacho und Infotainment-Bildschirm fliegt raus.
Ersetzt wird es durch ein gigantisches, 27 Zoll breites OLED-Panoramadisplay, das sich fugenlos vom Fahrer bis zur Mitte erstreckt. Die Darstellung ist gestochen scharf, die Farben brillant. Genesis kombiniert diesen Hightech-Ansatz jedoch clever mit physischen Bedienelementen: Die Klimasteuerung und die wichtigsten Fahrfunktionen sind weiterhin über eine separate Touch-Leiste mit haptischen Drehreglern steuerbar. Das ist der perfekte Kompromiss aus moderner Optik und intuitiver Bedienbarkeit – ein klarer Vorteil gegenüber der “Touch-Wüste” vieler Konkurrenten.
Wie fährt sich ein 490-PS-SUV, das eine Verbrenner-Plattform nutzt?
Souverän, aber nicht hyper-sportlich. Der Electrified GV70 kommt serienmäßig mit zwei E-Motoren (Allradantrieb), die zusammen 435 PS leisten. Über eine Boost-Taste am Lenkrad werden für 10 Sekunden 490 PS (360 kW) und 700 Nm Drehmoment freigesetzt. Der Sprint von 0 auf 100 km/h gelingt dann in beeindruckenden 4,2 Sekunden.
Man spürt jedoch den technischen Kompromiss der Plattform. Mit über 2,3 Tonnen Leergewicht ist der Genesis schwer. Das serienmäßige adaptive Fahrwerk (“Road Preview” per Kamera) leistet hervorragende Arbeit, um den Wagen komfortabel abzurollen. Es bügelt Unebenheiten souverän aus. In schnellen Kurven kann es die hohe Masse aber nicht gänzlich verbergen; der Wagen schiebt sanft über die Vorderräder und neigt sich spürbarer als ein BMW iX3 oder ein Porsche Macan mit Luftfederung. Er ist kein Kurvenräuber, sondern ein extrem kraftvoller und luxuriöser Gleiter.
Tipp der HH-AUTO Redaktion: Nutzen Sie die Rekuperations-Paddel am Lenkrad. Der GV70 bietet ein exzellentes “i-Pedal”-System (One-Pedal-Driving), das im Stadtverkehr perfekt funktioniert und die Reichweite spürbar erhöht.
Der evolutionäre Weg: Vom Verbrenner-Klon zum E-Geheimtipp
Der Electrified GV70 ist ein Kind des Übergangs. Genesis brauchte schnell ein E-SUV in der wichtigen Mittelklasse, hatte aber nur die Verbrenner-Plattform des GV70 zur Verfügung. Anstatt eine schwache 400-Volt-Lösung zu implementieren (wie BMW beim iX3), griff man ins Konzernregal und adaptierte die 800-Volt-Architektur der E-GMP-Plattform (Hyundai Ioniq 5, Kia EV6) in das Verbrenner-Chassis.
Dies war ein genialer Schachzug. Der “Preis” war ein höherer Boden im Fond und ein kleinerer Kofferraum (503 Liter) als beim Verbrenner-Bruder. Die erste Version (bis 2024) war ein exzellentes, aber unauffälliges Auto. Mit dem Facelift 2025 (84-kWh-Akku, 27-Zoll-Display) emanzipiert sich das Modell nun vollständig. Es ist kein “Kompromiss” mehr, sondern ein eigenständiges Hightech-Angebot, das die Nachteile der Plattform mit überlegener Lade- und Cockpit-Technologie überkompensiert.
Was ist das stärkste Argument GEGEN den Genesis Electrified GV70?
Das stärkste Gegenargument ist die Plattform und das damit verbundene Gewicht. Obwohl die 800-Volt-Technik überragend ist, bleibt der GV70 ein “umgebauter” Verbrenner. Das führt zu zwei Nachteilen, die reine E-Plattformen nicht haben:
- Ineffizienz: Mit einem Realverbrauch von über 22 kWh/100 km ist er durstiger als ein Tesla Model Y oder ein effizienter konzipierter BMW iX3. Die 84-kWh-Batterie kompensiert dies zwar, aber der technische Makel bleibt.
- Platzangebot: Im Fond ist die Beinfreiheit gut, aber der Fahrzeugboden ist aufgrund der darunter liegenden Batterie relativ hoch. Großgewachsene Passagiere sitzen mit leicht angewinkelten Knien. Auch der Kofferraum (503 Liter) und der Frunk (22 Liter) sind kleiner als bei vielen Konkurrenten.
Wer maximale Effizienz und Raumausnutzung sucht, ist beim Genesis falsch. Wer unerreichte Ladegeschwindigkeit und Luxus-Anmutung sucht, ist hier goldrichtig.
Die folgende Tabelle zeigt, wie sich der geliftete GV70 gegen die etablierte Konkurrenz positioniert:
Merkmal | Genesis Electrified GV70 (2025) | BMW iX3 (Facelift) | Porsche Macan 4 Electric |
Leistung (Boost) | 490 PS (360 kW) | 286 PS (210 kW) | 408 PS (300 kW) |
Spannung (Volt) | 800 Volt | 400 Volt | 800 Volt |
Akku (Netto) | ca. 81,5 kWh (84 brutto) | 74 kWh | 95 kWh |
Ladezeit (10-80%) | ca. 19 Min. | ca. 32 Min. | ca. 21 Min. |
Cockpit | 27″ OLED-Display | 12,3″ + 12,3″ Displays | 12,6″ + 10,9″ Displays |
Antrieb | Allrad (Dual-Motor) | Heckantrieb (Single-Motor) | Allrad (Dual-Motor) |





























