Analyse & Ausblick: Hyundai Nexo – Wasserstoff-Auslaufmodell oder Zukunftsträger auf Standby?

Er ist ein Exot auf deutschen Straßen, ein technologischer Vorreiter und gleichzeitig ein Symbol für die Zwickmühle der Wasserstoffmobilität im Pkw-Bereich: der Hyundai Nexo. Seit seinem Start 2018/2019 ist das Brennstoffzellen-SUV das Aushängeschild für Hyundais Ambitionen in dieser Technologie. Doch während die batterieelektrischen Ioniq-Modelle Verkaufsrekorde brechen, führt der Nexo ein Nischendasein. Die Gerüchte um einen verzögerten Nachfolger mehren sich. Ist der aktuelle Nexo also nur noch ein Auslaufmodell oder hält Hyundai an ihm als Zukunftsträger fest, der nur auf bessere Zeiten wartet?

Was ist der Hyundai Nexo und wie funktioniert seine Technologie?

Der Hyundai Nexo (Generation FE) ist ein mittelgroßes Crossover-SUV, das ausschließlich mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird. Im Kern ist er ein Elektroauto, das seinen Strom aber nicht aus einer großen Batterie bezieht, sondern an Bord selbst erzeugt.

Die Technik (vereinfacht):

  1. Tanken: Man tankt gasförmigen Wasserstoff (H2) unter hohem Druck (700 bar) in spezielle Tanks im Fahrzeugboden. Das dauert nur etwa 5 Minuten.
  2. Stromerzeugung: In der Brennstoffzelle reagiert der Wasserstoff mit Sauerstoff (O2) aus der Umgebungsluft. Dabei entstehen elektrische Energie, Wärme und als einziges “Abfallprodukt” reines Wasser (H2O).
  3. Antrieb: Die gewonnene elektrische Energie treibt einen Elektromotor an (im Nexo: 120 kW / 163 PS), der die Vorderräder bewegt. Eine kleine Pufferbatterie speichert überschüssige Energie und hilft bei Leistungsspitzen.

Die Vorteile:

  • Null lokale Emissionen: Aus dem Auspuff kommt nur Wasserdampf.
  • Hohe Reichweite: Der Nexo schafft bis zu 666 km (WLTP) mit einer Tankfüllung – deutlich mehr als viele BEVs seiner Zeit.
  • Schnelles Betanken: In 5 Minuten “voll” – ein riesiger Vorteil gegenüber langen Ladezeiten von BEVs.

Die Nachteile:

  • Infrastruktur: Das Netz an Wasserstoff-Tankstellen ist extrem dünn (in Deutschland aktuell ca. 100 Stationen).
  • Kosten: Der Nexo ist sehr teuer in der Anschaffung (aktuell ab ca. 80.000 Euro). Auch Wasserstoff ist an der Tankstelle teuer.
  • Effizienz der Kette: Die Herstellung von “grünem” Wasserstoff (per Elektrolyse mit Ökostrom) ist energieintensiv. Der Gesamtwirkungsgrad von der Stromerzeugung bis zum Rad ist deutlich schlechter als bei einem reinen Batterie-Elektroauto.

Warum ist Wasserstoff im Pkw (noch) eine Nische?

Obwohl die Technologie faszinierend ist, kämpft sie mit fundamentalen Problemen, die eine Massenverbreitung bisher verhindern:

  1. Henne-Ei-Problem der Infrastruktur: Ohne ausreichend Tankstellen kauft kaum jemand FCEVs, ohne ausreichend FCEVs lohnt sich der Ausbau des Tankstellennetzes kaum. Dieser Ausbau ist zudem extrem teuer.
  2. Hohe Fahrzeugkosten: Brennstoffzellen (enthalten Platin) und die Hochdruck-Wasserstofftanks sind sehr kostspielig in der Herstellung.
  3. Konkurrenz durch BEVs: Batterie-Elektroautos haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt (Reichweite, Ladeleistung, Kosten). Sie profitieren von einer bereits existierenden und stetig wachsenden Ladeinfrastruktur (Stromnetz). Für die meisten privaten Anwendungsfälle erscheint das BEV aktuell als die pragmatischere und wirtschaftlichere Lösung.
  4. “Grüner” Wasserstoff: Nur wenn der Wasserstoff CO2-neutral mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, ist die Technologie wirklich nachhaltig. Derzeit ist “grüner” Wasserstoff noch knapp und teuer.

Diese Faktoren führen dazu, dass der Nexo (und sein einziger direkter Konkurrent, der Toyota Mirai) absolute Nischenfahrzeuge bleiben, oft nur in Flotten oder bei überzeugten Technologie-Pionieren zu finden.

Was wissen wir über den Nachfolger – und warum verzögert er sich?

Ursprünglich schien Hyundai einen klaren Zeitplan für die nächste Brennstoffzellen-Generation zu haben. Doch Berichte deuten auf eine deutliche Verzögerung hin. Mögliche Gründe:

  • Technische Herausforderungen: Die Weiterentwicklung der Brennstoffzellen-Stacks (höhere Effizienz, längere Haltbarkeit, geringere Kosten/Platin-Anteil) ist komplex.
  • Marktentwicklung: Die Dominanz der BEVs und die schleppende Entwicklung der H2-Infrastruktur könnten Hyundai zu einer Neubewertung der Prioritäten im Pkw-Segment veranlasst haben.
  • Fokus auf Nutzfahrzeuge: Hyundai ist im Bereich Wasserstoff-LKW (z.B. Xcient Fuel Cell) sehr aktiv und erfolgreich. Möglicherweise konzentriert man die Ressourcen vorerst auf dieses Segment, wo die Vorteile von H2 (Reichweite, Betankungszeit, Nutzlast) stärker zum Tragen kommen.

Was ist zu erwarten? Wenn der Nachfolger kommt (vielleicht 2025/2026?), dürfte er auf einer neuen Plattform basieren (eventuell eine Modifikation der E-GMP?), einen effizienteren und haltbareren Brennstoffzellen-Stack der nächsten Generation erhalten und möglicherweise auch mehr Leistung bieten. Das Design wird sich vermutlich an der aktuellen Hyundai-Linie orientieren. Ob er aber jemals ein Volumenmodell wird, ist fraglicher denn je.

Historischer Kontext: Vom ix35 Fuel Cell zum Technologieträger Nexo

Hyundai gehört zu den Pionieren der Brennstoffzellentechnologie im Pkw-Bereich. Bereits 2013 brachte man mit dem ix35 Fuel Cell (basierend auf dem Verbrenner-SUV) das erste serienmäßig produzierte FCEV auf den Markt. Der Nexo war 2018 der nächste große Schritt: Erstmals ein Fahrzeug auf einer dedizierten FCEV-Plattform, mit deutlich verbesserter Reichweite, Effizienz und Integration der Wasserstofftanks. Er war und ist ein Technologieträger, der Hyundais Kompetenz demonstriert, aber nie für den Massenmarkt konzipiert war. Im Vergleich zu den Verkaufszahlen der Ioniq-Modelle sind die Nexo-Zulassungen verschwindend gering.

Ist der aktuelle Nexo heute noch eine Kaufempfehlung?

Nur für eine extrem kleine Zielgruppe unter ganz bestimmten Bedingungen:

  • Absolute Überzeugungstäter: Menschen, die fest an die Wasserstoff-Zukunft glauben und bereit sind, die Nachteile (Preis, Infrastruktur) in Kauf zu nehmen.
  • Flottenbetreiber in H2-Regionen: Unternehmen, die Zugang zu (ggf. eigener) Wasserstoff-Betankung haben und ein emissionsfreies Fahrzeug mit hoher Reichweite benötigen (z.B. für repräsentative Zwecke, spezielle Shuttledienste).
  • Gebrauchtkäufer mit Risikobereitschaft: Gebrauchte Nexos sind selten, aber manchmal zu deutlich reduzierten Preisen zu finden. Hier muss man aber das Risiko der komplexen Technik und der ungewissen Ersatzteilversorgung einkalkulieren.

Für den durchschnittlichen Autokäufer ist der Nexo keine sinnvolle Option. Der hohe Preis, die mangelnde Infrastruktur und die überlegenen Alternativen im BEV-Segment machen ihn zu einem Liebhaberfahrzeug.

Tipp von Alex Wind: Wer sich für Wasserstoff interessiert, sollte die Entwicklungen im Nutzfahrzeug- und Industriebereich beobachten. Dort hat H2 realistischere Chancen, sich kurz- bis mittelfristig zu etablieren. Ob und wann die Technologie im Pkw-Massenmarkt eine Renaissance erlebt, ist völlig offen.

Fazit: Der Hyundai Nexo ist ein faszinierendes Stück Automobiltechnik und ein Beweis für Hyundais Ingenieurskunst. Er zeigt die potenziellen Vorteile der Wasserstoff-Brennstoffzelle (Reichweite, Tankzeit). Doch die externen Hürden – vor allem die fehlende Infrastruktur und die hohen Kosten – sowie die rasante Entwicklung bei den Batteriefahrzeugen haben ihn zu einem Nischenprodukt gemacht. Die Verzögerung des Nachfolgers wirft weitere Fragen auf. Aktuell wirkt der Nexo wie ein Zukunftsträger, der auf unbestimmte Zeit auf Standby geschaltet wurde. Er ist ein Auto für Pioniere, während die breite Masse vorerst batterieelektrisch fährt.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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