Der Kia Niro war schon immer ein Phänomen. Kein aufregendes Design, keine brachiale Leistung, aber unheimlich pragmatisch. Vor allem aber war er das erste Auto, das konsequent auf Elektrifizierung setzte und dem Kunden die Wahl ließ: Hybrid, Plug-in-Hybrid oder vollelektrisch. Ein Schweizer Taschenmesser für den Übergang ins E-Zeitalter. Und er verkaufte sich blendend. Jetzt steht die zweite Generation in den Startlöchern (bzw. ist schon voll da) – und sie bricht radikal mit dem alten Look. Scharfes Design, fast schon aggressiv, inspiriert vom HabaNiro-Konzept, mit dieser kontroversen, oft farbig abgesetzten “Aero C-Säule”. Innen alles digital, alles modern. Aber die Kernfrage bleibt dieselbe: Welcher der drei Antriebe ist der cleverste Kauf im Jahr 2025?
Was genau ist der neue Kia Niro (SG2)?
Der Kia Niro (Generation SG2) ist ein kompaktes Crossover-SUV, das auf der K3-Plattform von Hyundai/Kia basiert. Er wird ausschließlich mit elektrifizierten Antrieben angeboten: als Vollhybrid (HEV), Plug-in-Hybrid (PHEV) und als reines Elektroauto (Niro EV, ehemals e-Niro).
Okay, eines vorweg: Der neue Niro sieht tausendmal besser aus als sein biederer Vorgänger. Das Design ist mutig, vielleicht für manche schon zu mutig mit dieser seitlichen Klinge. Aber hey, er sticht heraus! Er ist auch etwas gewachsen, was dem Platzangebot zugutekommt. Technisch bleibt er aber der Pragmatiker. Kein 800-Volt-System wie im EV6, keine Supersport-Ambitionen. Er nutzt bewährte, weiterentwickelte Technik aus dem Konzernregal. Er zielt auf Familien, Pendler und preisbewusste Flottenkunden, die ein extrem effizientes, praktisches und zuverlässiges Auto suchen. Er ist die vernünftige Alternative zu all den Lifestyle-SUVs da draußen. Und die Qual der Wahl beim Antrieb? Die hat Kia perfektioniert.
Welche drei Antriebe gibt es und für wen eignen sie sich?
Alle drei Varianten nutzen unterschiedliche Konfigurationen, die klar definierte Fahrprofile bedienen.
- Niro Hybrid (HEV): Kombiniert einen 1.6L GDI-Benziner (Sauger) mit einem E-Motor. Systemleistung: 104 kW (141 PS). Nutzt eine kleine 1,32 kWh Batterie und ein 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (DCT). Kein externes Laden.
- Niro Plug-in-Hybrid (PHEV): Gleicher 1.6L GDI, aber stärkerer E-Motor. Systemleistung: 135 kW (184 PS). Größere Batterie (11,1 kWh) für externes Laden, ebenfalls 6-Gang-DCT.
- Niro EV (Elektro): Rein batterieelektrisch. Nutzt einen 150 kW (204 PS) E-Motor (Frontantrieb) und eine 64,8 kWh (netto) Batterie. 400V-Architektur.
Wer kauft was? Ganz einfach: Der Hybrid (HEV) ist der perfekte Diesel-Ersatz. Ideal für Laternenparker und Leute ohne eigene Lademöglichkeit, die einfach nur fahren und sparen wollen. Realverbräuche um 5 Liter sind locker drin. Der Plug-in-Hybrid (PHEV) ist der Champion für Eigenheimbesitzer und Pendler. Wer konsequent lädt, fährt im Alltag rein elektrisch, hat aber die Sicherheit des Benziners für die Langstrecke. Und der Niro EV? Das ist das vollwertige E-Auto für alle, die den Umstieg komplett vollziehen wollen und eine zuverlässige Ladeinfrastruktur (zu Hause oder bei der Arbeit) haben. Drei Autos, drei Philosophien, eine Karosserie. Clever.
Der Niro EV im Detail: Wie weit kommt er real?
Der Niro EV (64,8 kWh netto) hat eine WLTP-Reichweite von bis zu 460 km. Der Realverbrauch im Test lag bei ca. 16-19 kWh/100 km. Die maximale DC-Ladeleistung beträgt ca. 80 kW (Peak). AC-Laden erfolgt mit 11 kW (dreiphasig).
460 km WLTP? Das klingt gut. Und der Niro EV ist traditionell sehr effizient. Im realen Testbetrieb kamen wir bei gemischter Fahrweise und moderaten Temperaturen auf sehr solide 350 bis 400 Kilometer. Auf der Autobahn (130 km/h) waren es eher 250-280 Kilometer. Das ist okay, aber kein Spitzenwert mehr. Man merkt, dass die Plattform (K3) keine reine E-Plattform ist und der cW-Wert (0,29) höher ist als bei einem Ioniq 6. Aber der wahre Schwachpunkt? Das Laden. Mini-Fallstudie: Der Niro EV am Schnelllader
- Problem: Akku muss von 10 % auf 80 % geladen werden.
- Aktion: Ansteuern einer HPC-Säule (≥ 100 kW).
- Messbares Ergebnis: Der Niro EV lädt mit maximal ca. 80 kW Peak, die er aber nicht lange hält. Die Ladezeit beträgt quälend lange 43-45 Minuten.
Das, liebe Leute, ist für 2025 einfach zu langsam. Ein VW ID.3 oder selbst ein MG4 laden in 30-35 Minuten. Ein EV6 in 18 Minuten! Warum Kia hier so knausert und nicht die 100+ kW des alten e-Niro/Kona bietet, ist mir ein Rätsel. Das macht den Niro EV auf der Langstrecke unattraktiv. Immerhin: 11 kW AC sind Serie und laden den Akku über Nacht (ca. 6,5 h) voll. Für den Alltags-Lader passt das. Für den Vielfahrer? Eher nicht.
Der PHEV im Detail: Lohnt sich der Stecker?
Der Niro PHEV (11,1 kWh brutto) hat eine elektrische WLTP-Reichweite von bis zu 65 km. Die AC-Ladeleistung beträgt nur 3,3 kW (einphasig).
Die E-Reichweite ist gut. Im Realbetrieb sind ca. 50-55 Kilometer locker drin. Damit schafft der Durchschnittspendler seinen Arbeitsweg rein elektrisch. Top! Die Systemleistung von 184 PS sorgt für souveränen Vortrieb, das 6-Gang-DCT schaltet viel angenehmer als die e-CVTs vieler Konkurrenten. Aber das Laden? 3,3 kW einphasig? Ernsthaft, Kia? Das bedeutet eine Ladezeit von über 3 Stunden, selbst an einer 22 kW Wallbox. Das ist schwach und limitiert das “Nachladen” zwischendurch. Hier hätte man sich die 7,2 kW oder zumindest zweiphasiges Laden gewünscht. Schade.
Zitat von Alex Wind: “Der PHEV ist ein toller Kompromiss aus zwei Welten – wenn da nicht dieses quälend langsame 3,3 kW Laden wäre. Das fühlt sich 2025 einfach nicht mehr richtig an.”
Wie schlägt sich das neue Cockpit mit dem “Schwung”?
Das Interieur wurde komplett neu gestaltet und orientiert sich am EV6. Es verfügt über ein Panorama-Display (optional 2x 10,25 Zoll), eine umschaltbare Touch-Leiste für Klima/Infotainment und nachhaltige Materialien. Das Platzangebot ist gewachsen, der Kofferraum variabel.
Das alte Niro-Cockpit war… funktional. Also langweilig. Das neue? Eine andere Welt! Dieses geschwungene Display, die hochwertig wirkenden Materialien (viel Recycling-Stoff, sieht gut aus!), die moderne Optik. Das macht richtig was her! Die umschaltbare Touch-Leiste für Klima und Medien? Eine geniale Idee, die Platz spart. Man muss sich kurz dran gewöhnen, aber es funktioniert super. Besser als alles im Touchscreen zu verstecken. Das Platzangebot? Vorne top, hinten deutlich besser als im Vorgänger. Und der Kofferraum? Hier wird’s spannend:
- HEV: 451 Liter (super!)
- PHEV: 348 Liter (geht so, Batterie klaut Platz)
- EV: 475 Liter (+ 20 L Frunk!) (Bester Wert!)
Der EV ist also der Lademeister – clever gemacht. Das Cockpit ist definitiv ein riesiger Sprung nach vorn.
Fährt er sich noch wie ein Pragmatiker oder jetzt wie ein Sportler?
Das Fahrwerk (McPherson vorne, Mehrlenker hinten bei PHEV/EV, Verbundlenker bei HEV) ist komfortabel abgestimmt. Die Lenkung ist leichtgängig, das Fahrverhalten sicher und unspektakulär.
Trotz des scharfen Designs – ein Sportler ist der Niro nicht geworden. Und das ist auch gut so! Er ist ein Komfort-Cruiser. Das Fahrwerk bügelt Unebenheiten (besonders bei den schwereren EV/PHEV-Modellen mit Mehrlenkerachse) souverän weg. Die Lenkung? Völlig gefühllos, aber präzise genug für den Alltag. Er fährt sich extrem einfach, sicher, vorhersehbar. Kein Drama, keine Agilitäts-Wunder. Ein typischer Kia im besten Sinne: Er tut, was er soll, und das sehr entspannt. Der technische Kompromiss ist klar: Wer Fahrdynamik sucht, ist beim Puma oder Cupra Born besser aufgehoben. Wer ankommen will, sitzt im Niro richtig.
Der evolutionäre Weg: Vom Öko-Langweiler zum Design-Hit?
Die erste Generation des Niro war ein Geniestreich der Pragmatik. Ein Auto, das bewusst unauffällig war und drei fortschrittliche Antriebe für die breite Masse zugänglich machte. Ein riesiger Erfolg. Die zweite Generation baut auf dieser pragmatischen Basis auf (bewährte Technik, K3-Plattform), packt sie aber in ein extrem mutiges Design. Kia will raus aus der reinen Vernunft-Ecke. Der neue Niro soll nicht nur gekauft werden, weil er vernünftig ist, sondern auch, weil er begehrenswert ist. Das ist ein riskanter Spagat. Ob die “Aero C-Säule” jedem gefällt? Sicher nicht. Aber man redet drüber. Und das ist im Marketing oft schon die halbe Miete.
Advokat des Teufels: Was ist das stärkste Argument GEGEN den Niro?
Trotz aller Qualitäten (Design, Platz, Effizienz der Hybride) ist die Ladeleistung der elektrifizierten Versionen der größte Haken.
- Niro EV: Maximal 80 kW DC sind für ein 400+ km E-Auto im Jahr 2025 einfach nicht mehr konkurrenzfähig. Das macht Langstreckenfahrten mühsam.
- Niro PHEV: Nur 3,3 kW AC-Laden ist ebenfalls veraltet. Es verlängert die Ladezeiten unnötig und reduziert die Flexibilität im Alltag.
Man merkt, dass Kia hier auf die bewährte, aber eben nicht mehr topaktuelle Technik aus dem Konzernregal zurückgreift, um den Preis zu halten und die teureren Modelle (EV6) nicht zu kannibalisieren. Das ist schade und der größte Kompromiss, den man beim neuen Niro eingehen muss.
Anekdote: Der Frunk-Moment (im EV)
Beim Beladen des Niro EV für einen Wochenendausflug dachte ich: Schade, dass der Kofferraum voll ist, wohin jetzt mit den Ladekabeln? Dann fiel mir der Frunk ein. Haube auf, und da war er: ein kleines 20-Liter-Fach. Perfekt für das Typ-2-Kabel und das Notladekabel. Kein Dreck im Kofferraum, immer griffbereit. Es sind diese kleinen “Simply Clever”-Momente (okay, das ist Škoda, aber hier passt’s auch), die den Unterschied machen. Der Niro EV ist einfach durchdacht.
Vergleich der drei Niro-Antriebe (Interne “Fehlkonfiguration”)
Die Wahl des falschen Niro für das eigene Profil ist der größte Fehler, den man machen kann.
- Szenario A: Wenigfahrer, Laternenparker, Stadt. -> Kauf Niro EV. Riesenfehler! Teuer in der Anschaffung, Ladevorteile nicht nutzbar. Richtige Wahl: Niro HEV. Günstig, sparsam, kein Ladestress.
- Szenario B: Eigenheim-Pendler (30km), 1x Monat Langstrecke. -> Kauf Niro HEV. Falsch gespart! Richtige Wahl: Niro PHEV. Tägliche Fahrten elektrisch (billiger), Langstrecke kein Problem.
- Szenario C: Vielfahrer, >30.000 km/Jahr, meist Autobahn. -> Kauf Niro EV. Katastrophe! Ständiges, langsames Laden. Richtige Wahl: Niro HEV (oder ein Diesel-SUV einer anderen Marke, ehrlich gesagt).
Merkmal | Niro HEV (Hybrid) | Niro PHEV (Plug-in) | Niro EV (Elektro) |
Systemleistung | 141 PS | 184 PS | 204 PS |
Batterie (Netto) | 1,32 kWh | ca. 9 kWh (?) | 64,8 kWh |
E-Reichw. (Real) | ca. 1-2 km | ca. 50-60 km | ca. 350-400 km |
Verbrauch (Real) | ca. 5,0 L/100km | 1,5 L + Strom / 6 L (leer) | ca. 18 kWh/100km |
DC-Laden (10-80%) | Nein | Nein | ca. 45 Min. |
Kofferraum | 451 L | 348 L | 475 L (+ Frunk) |
Preis (Basis, ca.) | ab 33.000 € | ab 40.000 € | ab 43.000 € |
Fazit: Der neue Kia Niro ist ein gelungener Allrounder, der mit seinem mutigen Design, dem hochwertigen Cockpit und seiner enormen Praktikabilität überzeugt. Er bietet für fast jeden das passende (teil-)elektrische Konzept. Der HEV ist ein fantastischer, sparsamer Alltagsbegleiter ohne Ladestress. Der PHEV glänzt mit hoher E-Reichweite für Pendler, lädt aber zu langsam. Und der Niro EV ist ein tolles E-Auto für den Alltag mit riesigem Kofferraum, dem aber die miserable DC-Ladeleistung auf der Langstrecke das Genick bricht. Wer ein Auto primär für den Alltag und gelegentliche Ausflüge sucht, macht mit dem HEV oder PHEV einen exzellenten Deal. Wer einen reinen Langstrecken-Stromer sucht, sollte trotz aller Qualitäten des Niro EV ehrlich gesagt woanders schauen – zum Beispiel beim hauseigenen EV6.













