Umfassender Test des Land Rover Discovery (2025): Der (fast) vergessene Luxus-Alleskönner?

Er steht irgendwie immer im Schatten seiner Brüder. Der Defender ist die Ikone fürs Grobe, der Range Rover (und der Sport) das ultimative Luxus-Statement. Und der Discovery? Der wirkt daneben fast schon… vernünftig. Ein riesiger Siebensitzer, luxuriös, unglaublich geländegängig, aber eben ohne das ganz große Drama im Design. Seit seinem Facelift vor ein paar Jahren fährt er mit modernen Mild-Hybrid-Motoren und dem Pivi Pro Cockpit. Aber reicht das im Jahr 2025 noch, um gegen die Phalanx aus BMW X5, Audi Q7 und Mercedes GLE zu bestehen? Oder ist der “Disco”, wie ihn Fans nennen, nur noch ein Geheimtipp für Kenner, die echte Substanz über schrille Optik stellen? Ich habe dem britischen Lastesel auf den Zahn gefühlt. Und war überrascht, wie relevant er noch ist.

Was ist der Land Rover Discovery und für wen ist er gemacht?

Der Land Rover Discovery (L462, Facelift) ist ein großes Premium-SUV mit bis zu sieben vollwertigen Sitzplätzen, basierend auf der D7u-Plattform (Aluminium-intensiv). Er verfügt serienmäßig über permanenten Allradantrieb, optional über Luftfederung und Terrain Response 2 System. Angeboten werden Mild-Hybrid Diesel- und Benzinmotoren (Reihensechszylinder).

Im Kern ist der Discovery der ultimative Spagat zwischen Familienkutsche und Expeditionsmobil im Luxus-Gewand. Kein anderes SUV dieser Klasse bietet wohl eine derart überzeugende Kombination aus sieben echten Sitzplätzen (ja, auch Erwachsene passen in Reihe drei!), gigantischem Laderaum (bis über 2.400 Liter), souveränem Reisekomfort und gleichzeitig ernsthafter Geländetauglichkeit, die weit über das hinausgeht, was die meisten Konkurrenten bieten. Wer braucht sowas? Familien mit Platzbedarf, Pferdebesitzer mit schweren Anhängern, Abenteurer, die auch mal abseits befestigter Wege unterwegs sind, aber eben nicht auf Luxus verzichten wollen. Er ist weniger “Lifestyle” als ein Range Rover Sport, dafür aber praktischer. Und deutlich komfortabler auf der Straße als ein Defender. Ein ehrlicher Alleskönner. Vielleicht der Alleskönner schlechthin?

Welche Motoren gibt es: Souveräne Diesel oder seidiger Benziner?

Land Rover setzt im Discovery auf die modernen 3.0-Liter Reihensechszylinder-Motoren (Ingenium) mit 48V-Mildhybrid-Technologie und Allradantrieb.

  • D250 / D300 (Diesel): Sechszylinder-Diesel mit 183 kW (249 PS) / 600 Nm oder 221 kW (300 PS) / 650 Nm. Beide extrem laufruhig, kraftvoll und für die Fahrzeuggröße erstaunlich effizient (Realverbrauch um 8-9 Liter). Die klare Empfehlung für die meisten Käufer, insbesondere der D300 harmoniert perfekt mit dem schweren Wagen (ca. 2,4 Tonnen).
  • P360 (Benziner): Sechszylinder-Benziner mit 265 kW (360 PS) / 500 Nm. Bietet seidigen Lauf und gute Fahrleistungen, ist aber deutlich durstiger als die Diesel (Real um 11-13 Liter). Eher eine Wahl für Wenigfahrer oder Märkte mit Diesel-Restriktionen.

Ganz ehrlich: In so ein großes, schweres Schiff gehört ein Diesel. Und die Reihensechser von JLR sind Sahnestücke! Schon der D250 reicht völlig aus, aber der D300 ist einfach souveräner, entspannter. Dieses mühelose Drehmoment passt perfekt zum Charakter des Discovery. Der Benziner (P360)? Läuft schön, keine Frage. Aber der Verbrauch… Puh. Und der Antritt untenrum ist trotz Mild-Hybrid nicht ganz so bullig wie beim Diesel. Nein, für mich ist der D300 die einzig wahre Wahl in diesem Auto. Schade, dass es keine Plug-in-Hybride gibt wie im Range Rover oder Defender – das wäre noch das Tüpfelchen auf dem i gewesen. Aber vielleicht auch zu kompliziert?

Tipp von Alex Wind: Nicht vom Basis-Diesel abschrecken lassen! Der D250 ist kein Verzicht, sondern eine absolut adäquate und sparsamere Alternative zum D300, wenn das Budget knapp ist. Beide sind Welten besser als die alten Vierzylinder-Diesel.

Wie schlägt er sich im Gelände? Immer noch eine Klasse für sich?

Serienmäßig permanenter Allradantrieb, optional zweistufiges Verteilergetriebe (Geländeuntersetzung) und aktives Hinterachssperrdifferenzial. Optionale Luftfederung erhöht Bodenfreiheit auf bis zu 28,3 cm. Wattiefe bis zu 90 cm. Terrain Response 2 System passt Fahrzeugparameter an Untergrund an.

Ja, er kann es noch! Auch wenn er längst kein rustikaler Offroader mehr ist – die Gene sind da. Mit Luftfederung (fast schon Pflicht!), Untersetzung und Sperrdifferenzial wühlt sich der Discovery durch Gelände, in das sich kaum ein X5 oder Q7 trauen würde. Das Terrain Response 2 System nimmt dem Fahrer dabei viel Arbeit ab. Einfach den passenden Modus wählen (Schlamm, Sand, Felsen etc.) oder die Automatik machen lassen – das Auto regelt den Rest. Die langen Federwege, die enorme Bodenfreiheit im Offroad-Modus und die Wattiefe von 90 cm sind beeindruckend. Der technische Kompromiss? Die optionalen 22-Zoll-Räder sehen schick aus, sind aber im Gelände fehl am Platz. Und natürlich: Wer wirklich ins harte Gelände will, greift eher zum Defender. Aber für den Förster, den Jäger, den Pferdeanhänger auf der nassen Wiese oder den Weg zur Berghütte ist der Discovery absolut überlegen. Er ist der Gentleman unter den Offroadern.

Wie luxuriös und praktisch ist der Innenraum mit 7 Sitzen und Pivi Pro?

Der Innenraum bietet Platz für bis zu sieben Erwachsene auf drei Sitzreihen. Die Sitze in Reihe 2 und 3 sind elektrisch umklappbar (“Intelligent Seat Fold”). Das Cockpit verfügt über ein 12,3-Zoll digitales Instrumentendisplay und den zentralen 11,4-Zoll Pivi Pro Touchscreen. Hochwertige Materialien (Leder, Holz) und gute Verarbeitung.

Hier spielt der Discovery seine Trümpfe aus. Das Platzangebot ist gigantisch. Selbst in der dritten Reihe können Erwachsene (zumindest bis 1,80 m) erstaunlich gut sitzen – das schafft kaum ein Konkurrent. Und das Umklappen der Sitze? Elektrisch per Knopfdruck vom Kofferraum oder Touchscreen aus. Genial praktisch! Der Kofferraum selbst ist riesig (bis über 2.400 Liter). Das Pivi Pro Infotainment (seit dem Facelift) ist ein Quantensprung gegenüber dem alten System – schnell, logisch aufgebaut, online-fähig, mit kabellosem Apple CarPlay/Android Auto. Die Materialien sind hochwertig, die Verarbeitung gut, wenn auch vielleicht nicht ganz auf dem peniblen Niveau eines Audi Q7. Aber das Ambiente ist luxuriös und luftig. Die vielen cleveren Ablagen (“Curry Hook”!) zeigen, dass hier Praktiker am Werk waren. Das ist der perfekte Luxus-Familien-Laster. Punkt.

Der evolutionäre Weg: Vom kantigen Kletterer zum runden Luxus-SUV

Der Discovery startete 1989 als robuster, aber komfortablerer Ableger des Range Rover Classic. Mit seinem Stufendach und der asymmetrischen Heckklappe wurde er zur Ikone (Discovery 1 & 2). Generation 3 und 4 (auf der schweren T5-Plattform/Integrated Body Frame) waren riesige, extrem fähige Raumwunder, aber auch etwas behäbig. Der aktuelle Discovery 5 (ab 2017) brach radikal mit dem kantigen Design, wurde runder, aerodynamischer und dank Aluminium deutlich leichter. Der technische Kompromiss war das umstrittene Heckdesign mit dem seitlich versetzten Kennzeichen – eine Hommage an die Asymmetrie der Vorgänger, die aber nicht jedem gefiel. Das Facelift 2021 glättete die Wogen etwas und brachte die dringend benötigte Modernisierung bei Motoren und Infotainment. Er ist die reifste, luxuriöseste und technisch fortschrittlichste Interpretation des Discovery-Konzepts – auch wenn manche dem alten Kasten nachtrauern.

Advokat des Teufels: Was sind die größten Nachteile des Discovery?

Trotz seiner Allround-Fähigkeiten gibt es auch Schwachpunkte:

  1. Design (Geschmackssache): Das rundliche Design, insbesondere das Heck, spaltet nach wie vor die Gemüter und wirkt neben dem kantigen Defender oder dem eleganten Range Rover Sport etwas beliebig.
  2. Gewicht: Auch mit Aluminium-Konstruktion ist der Discovery ein schweres Auto (ca. 2,4 Tonnen), was sich auf Verbrauch und Agilität auswirkt.
  3. Fehlende Elektrifizierung (außer MHEV): Keine Plug-in-Hybrid-Option verfügbar, was ihn steuerlich unattraktiv macht und nicht mehr ganz zeitgemäß ist.
  4. Zuverlässigkeit?: Land Rover hat nicht den besten Ruf. Obwohl die aktuelle Generation als solider gilt, bleibt die Sorge vor Elektronik-Problemen und hohen Werkstattkosten bestehen.
  5. Preis: Als großes Premium-SUV ist der Discovery teuer (startet bei ca. 80.000 Euro) und nähert sich preislich dem Range Rover Sport an.

Anekdote: Das 7-Sitzer-Wunder

Ich musste einmal kurzfristig sechs Kollegen vom Flughafen abholen – inklusive Gepäck. Mein Testwagen: ein Discovery D300. Ich war skeptisch. Aber: Sitze per Knopfdruck hochgeklappt, alle sieben Personen fanden erstaunlich bequem Platz (auch die beiden auf den hintersten Plätzen lobten die Kopffreiheit). Und selbst dann passte noch das Handgepäck in den verbleibenden Kofferraum. Diese Flexibilität, diese Fähigkeit, auf Knopfdruck vom riesigen Transporter zum vollwertigen Siebensitzer zu mutieren, das ist schon beeindruckend. Das kann kaum ein anderer so gut.

Zukünftiger Ausblick: Wie geht es weiter mit dem Discovery?

Die Zukunft des Discovery ist ungewiss. JLR hat bestätigt, dass der Name “Discovery” weiterleben wird, aber die Form könnte sich ändern. Gerüchte sprechen von einer Aufspaltung oder einer Neupositionierung, möglicherweise stärker in Richtung Luxus, um sich vom Defender abzugrenzen. Eine zukünftige Generation wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der MLA-Flex Plattform (wie Range Rover/Sport/Defender) stehen oder möglicherweise direkt auf einer reinen Elektro-Plattform (EMA?) basieren, wenn JLR seine Elektrifizierungsziele umsetzt. Der aktuelle L462 ist also wahrscheinlich der letzte Discovery seiner Art – der letzte mit Verbrenner und auf dieser Plattform. Das macht ihn für Liebhaber des Konzepts interessant, birgt aber auch Unsicherheiten.

Merkmal
Land Rover Discovery D300
BMW X5 xDrive30d (7-Sitzer Opt.)
Audi Q7 45 TDI quattro
Volvo XC90 B5 AWD
Konzept
7-Sitzer Luxus-SUV
7-Sitzer Luxus-SUV
7-Sitzer Luxus-SUV
7-Sitzer Luxus-SUV
Plattform
D7u (Alu)
CLAR
MLB Evo
SPA1
Motor
3.0L R6 Diesel MHEV
3.0L R6 Diesel MHEV
3.0L V6 Diesel MHEV
2.0L R4 Benzin MHEV
Leistung (ca.)
300 PS
298 PS
231 PS
250 PS
Platz 3. Reihe
Sehr gut
Mäßig
Gut
Gut
Geländefähigkeit
Sehr hoch
Mittel
Mittel
Mittel
Preis (Basis, ca.)
ab 86.000 €
ab 89.100 € (+ 7-Sitzer)
ab 72.800 €
ab 82.550 €

Fazit: Der Land Rover Discovery ist auch im Jahr 2025 ein beeindruckend vielseitiges Luxus-SUV. Seine Kombination aus sieben vollwertigen Sitzen, riesigem Laderaum, überragendem Komfort und echter Geländetauglichkeit ist nach wie vor einzigartig. Die modernen Mild-Hybrid-Motoren (insbesondere der D300 Diesel) passen hervorragend, das Pivi Pro Infotainment ist topaktuell. Sein größter Feind ist vielleicht das etwas unauffällige Design im Vergleich zu seinen Brüdern und die fehlende Plug-in-Hybrid-Option. Wer aber einen ehrlichen, luxuriösen Alleskönner für Familie und Abenteuer sucht und über das Design hinwegsehen kann, findet im Discovery einen der besten (und vielleicht letzten) Vertreter seiner Art. Ein unterschätzter Held.

Galerie

Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert