Umfassender Test des Lexus NX (2025): Der stille Jäger von X3 und GLC?

Lexus. Jahrelang war das in Deutschland ein Synonym für “Hybrid-Pionier”, aber auch für “brav” und “etwas angestaubt”. Eine Nische für Kenner, die Zuverlässigkeit über alles stellten. Doch diese Zeiten sind vorbei. Der aktuelle Lexus NX, das Premium-SUV im X3-Format, tritt seit seiner Einführung 2022 mit einem Design an, das schärfer ist als ein Samurai-Schwert, einem Cockpit, das endlich modern ist, und einem Plug-in-Hybrid, der es in sich hat. Im Modelljahr 2025 ist er voll etabliert und muss sich einer brutal starken, ebenfalls erneuerten Konkurrenz von BMW, Mercedes und Audi stellen. Kann der stille Jäger aus Japan die deutschen Platzhirsche wirklich ärgern? Oder bleibt er ein Außenseiter für Liebhaber? Ich habe den 450h+ Härtetest gemacht.

Was genau ist der Lexus NX und für wen ist er gedacht?

Der Lexus NX (Generation AZ20) ist ein Premium-Kompakt-SUV, basierend auf der GA-K Plattform (technisch verwandt mit dem Toyota RAV4). Er wird in Deutschland als Vollhybrid (NX 350h) und als Plug-in-Hybrid (NX 450h+) angeboten. Hauptkonkurrenten sind BMW X3, Mercedes-Benz GLC und Audi Q5.

Er ist die japanische Interpretation von Premium. Und das bedeutet: Design, das polarisiert, und ein fast schon zwanghafter Fokus auf Qualität und Zuverlässigkeit. Man sieht ihm die Verwandtschaft zum RAV4 nicht an. Gar nicht. Die Linien sind scharf, der Diabolo-Grill ist eine Ansage. Er will anders sein, nicht der nächste Klon im Einheitsbrei. Und für wen ist er? Für Leute, die genug haben von der deutschen Dominanz. Leute, denen ein X3 zu alltäglich und ein GLC zu teuer geworden ist. Er zielt auf Käufer, die im Alltag elektrisch pendeln wollen (als 450h+), aber die Sicherheit und Langlebigkeit eines Toyota-Hybridsystems für die Langstrecke schätzen. Er ist der Rationale im emotionalen Gewand.

Welche Antriebe gibt es: Sparsamer Vollhybrid oder potenter Plug-in?

Der NX 350h (Vollhybrid) leistet 244 PS (Systemleistung) und nutzt einen 2.5L Vierzylinder-Benziner sowie E-Motoren (optional als E-Four Allrad). Der NX 450h+ (Plug-in-Hybrid) nutzt denselben Benziner, aber mit stärkeren E-Motoren und einer 18,1 kWh Batterie, was zu 309 PS Systemleistung und serienmäßigem E-Four Allrad führt.

Der NX 350h ist der klassische Lexus. Einsteigen, fahren, nie Sorgen machen. Der Vollhybrid-Antrieb ist unheimlich effizient im Stadt- und Überlandverkehr, der Realverbrauch liegt oft bei 6 bis 7 Litern. Perfekt für Leute ohne eigene Wallbox, die einfach nur sparsam und extrem komfortabel unterwegs sein wollen. Der NX 450h+ ist die Antwort auf die Dienstwagen-Regelung und den Wunsch nach mehr E-Mobilität. Und ehrlich gesagt: Das ist der Motor, der dieses Auto interessant macht. 309 PS! Das ist eine Ansage. Das Ding schiebt ordentlich vorwärts (0-100 in 6,3 s) und kombiniert das Beste aus zwei Welten.

Zitat von Alex Wind: “Der 350h ist vernünftig. Aber wer einmal den ansatzlosen elektrischen Schub des 450h+ erlebt hat, will die Vernunft schnell vergessen. Der Plug-in ist der heimliche Star – wenn man denn laden kann.”

Wie schlägt sich der NX 450h+ bei Reichweite und Laden?

Der NX 450h+ verfügt über eine 18,1 kWh (brutto) Lithium-Ionen-Batterie. Die elektrische WLTP-Reichweite beträgt 69-76 km (kombiniert) bzw. 89-98 km (Stadt). AC-Laden erfolgt über einen 6,6 kW Onboard-Charger. DC-Laden ist nicht verfügbar.

Endlich mal ein PHEV mit einer E-Reichweite, die den Namen verdient! Die 18,1 kWh sind ein Wort. Im realen Testbetrieb kamen wir bei gemischter Fahrweise locker 65 bis 70 Kilometer weit, im reinen Stadtverkehr waren sogar über 80 km drin. Das ist top! Damit deckt man den kompletten Pendler-Alltag elektrisch ab, ohne dass der Benziner auch nur einmal zucken muss. Und das Laden? Hier zeigt sich ein gemischtes Bild. Der serienmäßige 6,6 kW AC-Lader ist gut. Mini-Fallstudie: Der 450h+ an der Wallbox

  • Problem: Akku ist nach dem Pendeln leer.
  • Aktion: Anschluss an eine 11 kW Wallbox zu Hause.
  • Messbares Ergebnis: Dank des 6,6 kW Laders ist der Akku in ca. 2,5 bis 3 Stunden wieder voll. Das ist schnell genug, um ihn auch nachmittags nochmal für den Abend fit zu machen. Viele Konkurrenten (besonders ältere) brauchen mit 3,7 kW doppelt so lange. Der Haken? Kein DC-Laden. Mercedes (GLC) und Audi (Q5) bieten das optional an. Wer also unterwegs schnell nachladen will, schaut in die Röhre. Das ist ein klarer Nachteil auf der Langstrecke, falls man dort elektrisch weiterkommen möchte.

Wie gut ist das “Tazuna”-Cockpit wirklich?

Das Interieur-Konzept “Tazuna” (japanisch für “Zügel eines Pferdes”) ist fahrerorientiert. Es verfügt über ein digitales Kombiinstrument und ein 9,8-Zoll oder optionales 14-Zoll zentrales Touchscreen-Infotainmentsystem. Physische Tasten für wichtige Funktionen (Klima) sind vorhanden.

Raus ist das furchtbare alte Touchpad! Halleluja! Das neue Cockpit ist eine Offenbarung im Vergleich zu früher. Das optionale 14-Zoll-Display ist riesig, gestochen scharf und (endlich!) ein Touchscreen. Das System (Lexus Link Pro) ist schnell, logisch aufgebaut und unterstützt kabelloses Apple CarPlay. Und Lexus hat verstanden, was BMW und VW (teilweise) verlernt haben: Es gibt noch Knöpfe! Zwei große Drehregler für die Temperatur, Tasten für die Sitzheizung. Man muss nicht für jeden Mist im Untermenü fummeln. Das ist Premium! Die Materialien? Exzellent. Die Verarbeitung? Makellos. Besser als bei der deutschen Konkurrenz, behaupte ich mal. Und das optionale Mark Levinson Soundsystem mit 17 Lautsprechern? Ein Konzertsaal. Das “Tazuna”-Konzept, bei dem alles auf den Fahrer ausgerichtet ist, funktioniert. Man fühlt sich sofort verbunden, wie in einem Maßanzug.

Der evolutionäre Weg: Vom RAV4-Bruder zum Premium-Konkurrenten?

Die erste Generation des NX war noch sehr offensichtlich ein edlerer Toyota RAV4. Solide, ja. Aber der Premium-Anspruch wirkte aufgesetzt. Mit der zweiten Generation auf der GA-K Plattform ist die Trennung viel klarer. Obwohl die technische Basis verwandt bleibt, fühlt sich der NX komplett eigenständig an. Das Design ist radikal, der Innenraum ist eine andere Welt, die Geräuschdämmung ist auf Sänften-Niveau, und das Fahrwerk ist deutlich souveräner abgestimmt. Lexus hat hier massiv investiert, um den NX vom RAV4 zu emanzipieren. Mission gelungen. Er ist kein Toyota mehr, er ist ein echter Lexus, der sich vor einem X3 oder GLC nicht verstecken muss.

Advokat des Teufels: Was ist das stärkste Argument GEGEN den Lexus NX?

Neben der fehlenden DC-Ladeoption beim PHEV und dem hohen Preis (der Lexus-Rabatte sind traditionell geringer als bei den Deutschen) ist es das Fahrgefühl und das Platzangebot.

  • Antriebscharakter: Der 2.5L Vierzylinder-Sauger in Kombination mit dem Planetengetriebe (e-CVT) ist ein Effizienz-Meister. Aber sportlich? Nein. Wer Leistung abruft (z.B. auf der Autobahn), wird mit einem angestrengten, aufheulenden Motorgeräusch bestraft. Das passt nicht zum dynamischen Design und dem sportlichen Anspruch der 309 PS. Ein BMW X3 oder Mercedes GLC mit ihren Turbo-Motoren und Wandlerautomatiken wirken souveräner, erwachsener, kraftvoller. Der Lexus ist der Gleiter, nicht der Angreifer.
  • Platzangebot: Er ist innen enger geschnitten als X3 oder GLC. Besonders im Fond ist die Beinfreiheit nur Durchschnitt, und der Kofferraum (520 Liter) ist okay, aber nicht riesig. Die deutsche Konkurrenz bietet hier oft mehr Nutzwert.

Man muss den Lexus-Charakter mögen: Komfort und Effizienz vor purer Dynamik.

Anekdote: Die E-Latch-Verwirrung

Der NX hat diese neuen, elektronischen Türöffner (“E-Latch”). Von außen ein kleiner Knopf, von innen ein Hebel, den man drückt. Klingt modern. Beim ersten Mal saß ich drin und wollte aussteigen – und zog instinktiv am Hebel. Falsch. Man muss ihn drücken. Mein Beifahrer zog und zog und dachte, die Tür sei kaputt. Das System ist clever (es verhindert das Öffnen, wenn sich von hinten ein Radfahrer nähert – “Safe Exit Assist”), aber es ist komplett kontraintuitiv. Ein klassischer Fall von “Technik, die gut gemeint ist, aber erstmal erklärt werden muss”. Man gewöhnt sich dran. Aber die ersten paar Mal fühlt man sich wie ein Trottel.

Zukünftiger Ausblick: Was kommt nach Hybrid?

Der NX ist das Brot-und-Butter-Auto für Lexus in Europa, der Hybrid-Bestseller. Er wird diese Rolle noch lange spielen. Parallel baut Lexus aber sein E-Portfolio aus. Nach dem RZ auf der e-TNGA Plattform kommen neue Modelle auf einer dedizierten E-Plattform (erwartet ab 2026). Langfristig wird auch der NX-Nachfolger rein elektrisch sein. Aber bis dahin (vermutlich 2028/29) ist der aktuelle Plug-in-Hybrid die technologische Speerspitze der Baureihe. Er ist die perfekte Brücke für Lexus-Kunden auf dem Weg ins vollelektrische Zeitalter.

Merkmal
Lexus NX 450h+
BMW X3 xDrive30e (G45)
Mercedes GLC 300 e
Audi Q5 55 TFSI e (neu)
Konzept
PHEV, E-Four (AWD)
PHEV, xDrive (AWD)
PHEV, 4MATIC (AWD)
PHEV, quattro (AWD)
Systemleistung
309 PS
299 PS
313 PS
367 PS
Akku (Netto)
ca. 16-17 kWh (?)
19,7 kWh
23,4 kWh
20,7 kWh
E-Reichw. (WLTP)
ca. 69-76 km
ca. 90 km
ca. 120 km
ca. 92 km
AC-Laden
6,6 kW
11 kW
11 kW
11 kW
DC-Laden
Nein
Nein
Ja (60 kW)
Nein
Preis (Basis PHEV, ca.)
ab 60.300 €
ab 66.000 €
ab 73.000 €
ab 71.800 €

Fazit: Der Lexus NX 450h+ ist eine faszinierende und oft unterschätzte Alternative im Premium-SUV-Dschungel. Sein Design polarisiert positiv, die Verarbeitungsqualität und die Materialien im Innenraum sind Benchmark. Das neue Cockpit ist ein riesiger Fortschritt. Seine Stärken liegen klar im emissionsfreien Pendeln dank hoher E-Reichweite und der legendären Zuverlässigkeit. Die Schwächen sind das unsportliche CVT-Gefühl unter Last und die fehlende DC-Ladeoption. Im direkten Vergleich zur deutschen Konkurrenz (die bei E-Reichweite und Laden teilweise enteilt ist) punktet er mit einem oft attraktiveren Preis und der Sorgenfreiheit der Toyota-Hybridtechnik. Wer einen extrem komfortablen, zuverlässigen und stilvollen Teilzeit-Stromer sucht und keinen Wert auf aggressive Sportlichkeit legt, findet hier einen echten Geheimtipp.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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