Umfassender Test des Porsche Cayenne (Facelift 2025): V8-Comeback und Digital-Revolution im Luxus-SUV

Man muss es Porsche lassen: Sie ruhen sich nicht auf ihren Lorbeeren aus. Obwohl der Cayenne seit über 20 Jahren die Kassen füllt und das Segment der Performance-SUVs quasi miterfunden hat, spendieren die Zuffenhausener der aktuellen Generation zum Modelljahr 2024/25 nicht nur ein laues Facelift, sondern eine Generalüberholung. Neues digitales Cockpit im Taycan-Stil, Fahrwerks-Feinschliff, stärkere Hybrid-Antriebe und – Musik in den Ohren der Fans – die Rückkehr des V8 in den Cayenne S! Ist das die Perfektionierung des Konzepts oder droht der Bestseller unter der Last der Neuerungen seinen Charakter zu verlieren? Ich bin tief eingetaucht in die Welt des neuen Cayenne.

Was genau ist der Porsche Cayenne (E3.2 Facelift)?

Der Porsche Cayenne (E3.2) ist ein großes Luxus-SUV (verfügbar als SUV und Coupé) auf dem Modularen Längsbaukasten (MLB Evo) des VW-Konzerns. Das 2023 eingeführte Facelift umfasst überarbeitete Motoren (V6, V8, Plug-in-Hybrid), ein neu gestaltetes Exterieur und Interieur (insbesondere das Cockpit) sowie ein neu abgestimmtes Fahrwerk mit optionaler Zweiventil-Luftfederung.

Klingt nach viel Technik. Ist es auch. Im Kern bleibt er der sportliche Alleskönner, der versucht, die Agilität eines Sportwagens mit dem Luxus einer Limousine und der (theoretischen) Geländegängigkeit eines SUVs zu verbinden. Das Facelift soll ihn digitaler, komfortabler und gleichzeitig (ja, auch das noch!) dynamischer machen. Eine Quadratur des Kreises? Porsche versucht es zumindest. Und spendiert ihm eben dieses neue Cockpit, das man mögen kann oder nicht, und wirft den V6 im S raus für einen echten Achtender. Das ist mal eine Ansage in diesen Zeiten.

Die Sensation: Wie gut ist der neue V8 im Cayenne S?

Der Cayenne S (Facelift) wird von einem 4.0-Liter V8-Biturbo (EA825) angetrieben, der den vorherigen 2.9-Liter V6 ersetzt. Er leistet 349 kW (474 PS) und 600 Nm Drehmoment. Gekoppelt an eine 8-Stufen-Automatik (Tiptronic S) und Allradantrieb.

Endlich wieder ein V8 im S! Das war die Nachricht, auf die viele gewartet haben. Der V6 im Vorgänger war gut, keine Frage. Aber ein Cayenne S muss nach V8 klingen und sich so anfühlen. Und der neue liefert. Er stammt im Kern aus dem Turbo GT (und diversen Audi RS / Lamborghini Urus), ist hier aber auf souveräne Kraftentfaltung getrimmt. Er schiebt mächtig an (0-100 km/h in 4,7 s), klingt herrlich sonor und passt perfekt zum luxuriös-sportlichen Charakter des Cayenne. Ehrlich gesagt, das ist der Motor, der dem S gefehlt hat. Er macht ihn wieder zu einem echten “Baby-Turbo”. Ist er sparsam? Natürlich nicht. Realistisch sind 13-15 Liter. Aber wer in dieser Klasse nach Sparsamkeit sucht, ist eh falsch abgebogen. Der technische Kompromiss ist klar: Man opfert Effizienz für Emotion und Souveränität. Eine gute Entscheidung, meiner Meinung nach.

Was können die stark verbesserten E-Hybrid Modelle?

Die Plug-in-Hybrid-Modelle (Cayenne E-Hybrid, S E-Hybrid, Turbo E-Hybrid) erhalten eine größere Batterie mit 25,9 kWh (brutto, ca. 21,8 kWh netto) und einen stärkeren E-Motor (130 kW / 176 PS). Die rein elektrische Reichweite (WLTP) steigt auf bis zu 90 km. AC-Laden erfolgt nun mit bis zu 11 kW (dreiphasig). DC-Laden ist weiterhin nicht verfügbar.

Über 90 Kilometer elektrische Reichweite – das ist eine Hausnummer für einen PHEV dieser Größe! Damit wird der Cayenne E-Hybrid endgültig zum ernsthaften Teilzeit-Stromer. Im Realbetrieb dürften das 70-80 Kilometer sein. Genug für fast jeden Pendler-Alltag. Und dank des neuen 11 kW On-Board-Chargers ist der Akku an der Wallbox auch in rund 2,5 Stunden wieder voll. Das ist eine massive Verbesserung gegenüber den alten 3,6 / 7,2 kW und macht das elektrische Fahren viel praktikabler. Die Systemleistungen sind ebenfalls üppig: vom Basis-E-Hybrid (470 PS) über den S E-Hybrid (519 PS) bis zum brachialen Turbo E-Hybrid (739 PS), der den alten Turbo S ersetzt. Der technische Kompromiss? Das hohe Gewicht der Hybride (deutlich über 2,5 Tonnen) und die fehlende DC-Ladeoption – unverständlich in dieser Preisklasse und bei der Batteriegröße. Während Range Rover hier 50 kW anbietet, schaut man bei Porsche in die Röhre. Schade.

Tipp von Alex Wind: Der Basis E-Hybrid ist wahrscheinlich der vernünftigste Cayenne im Programm. Genug Leistung, riesige E-Reichweite für den Alltag und dank 11 kW AC-Lader praxistauglich. Wer mehr Punch braucht, greift zum S E-Hybrid. Der Turbo E-Hybrid ist ein Statement für Leistungs-Junkies.

Wie fährt sich der Cayenne nach der Fahrwerks-Überarbeitung?

Das Fahrwerk wurde überarbeitet, insbesondere durch den Einsatz neuer Zweiventil-Dämpfer (sowohl bei Stahl- als auch bei der optionalen adaptiven Luftfederung). Diese ermöglichen eine größere Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit durch getrennte Regelung von Zug- und Druckstufe. Optional sind weiterhin Wankstabilisierung (PDCC) und Hinterachslenkung verfügbar.

Porsche verspricht mehr Komfort und mehr Dynamik. Klingt nach Marketing-Sprech, stimmt aber tatsächlich. Der neue Cayenne federt im Komfort-Modus spürbar geschmeidiger ab als sein Vorgänger, filtert kurze Stöße besser heraus. Gleichzeitig wirkt er im Sport-Plus-Modus noch verbindlicher, noch präziser. Die Spreizung ist beeindruckend. Die optionale Luftfederung mit PASM, PDCC und Hinterachslenkung ist natürlich das Nonplusultra und verwandelt den schweren SUV in ein erstaunlich agiles Gerät. Die Lenkung ist Porsche-typisch präzise und mitteilsam. Trotz seines Gewichts bleibt der Cayenne einer der fahraktivsten SUVs seiner Klasse. Der technische Kompromiss? Selbst mit Luftfederung ist er straffer als ein Range Rover Sport oder ein Mercedes GLE. Er ist eben ein Porsche.

Ist das neue digitale Cockpit ein Fortschritt?

Das Cockpit wurde komplett umgestaltet und orientiert sich am Taycan. Es verfügt über ein frei stehendes, gebogenes 12,6-Zoll digitales Kombiinstrument, einen zentralen 12,3-Zoll PCM-Touchscreen und optional ein 10,9-Zoll Beifahrerdisplay. Der Automatikwählhebel wandert neben das Lenkrad. Die Mittelkonsole beherbergt eine neue Klimabedieneinheit mit Touchflächen und physischen Kippschaltern.

Ein Quantensprung. Das alte Cockpit mit seiner Tastenflut wirkte zuletzt angestaubt. Das neue Layout ist clean, modern und hochwertig. Das digitale Kombiinstrument ist brillant und vielfältig konfigurierbar. Das PCM reagiert schnell und bietet alle modernen Konnektivitäts-Features. Die neue Klimabedienung mit der Mischung aus Touch und Kippschaltern ist ein guter Kompromiss. Und das Beifahrerdisplay? Nettes Gimmick, braucht man aber nicht wirklich. Der Automatikwählhebel neben dem Lenkrad schafft Platz in der Mittelkonsole – sehr gut. Insgesamt ein riesiger Fortschritt, der den Cayenne technologisch wieder an die Spitze bringt. Der einzige Nachteil: Die Bedienung erfordert während der Fahrt mehr Blickabwendung als früher. Aber das ist der Preis der Digitalisierung.

Historischer Kontext: Wie der Cayenne Porsche rettete und veränderte

Als der erste Cayenne (E1) 2002 auf den Markt kam, war der Aufschrei groß. Ein SUV von Porsche? Sakrileg! Doch das Auto wurde zum gigantischen Erfolg und rettete die Marke finanziell. Er erschloss Porsche völlig neue Käuferschichten und finanzierte die Entwicklung zukünftiger Sportwagen. Die zweite Generation (E2, ab 2010) wurde leichter und eleganter. Die aktuelle dritte Generation (E3, seit 2017) brachte mit dem MLB Evo Baukasten modernste Technik. Das Facelift E3.2 ist nun die vorerst letzte große Ausbaustufe vor der (noch nicht offiziell bestätigten, aber wahrscheinlichen) Elektrifizierung der nächsten Generation. Der Cayenne hat Porsche fundamental verändert – vom reinen Sportwagenhersteller zum profitablen Luxus-SUV-Anbieter. Puristen mögen die Nase rümpfen, aber ohne den Cayenne gäbe es den 911 GT3 RS in seiner heutigen Form vielleicht gar nicht.

Advokat des Teufels: Was spricht gegen den Cayenne?

Trotz aller Perfektion gibt es auch Nachteile:

  1. Der Preis: Ein Cayenne ist exorbitant teuer. Schon die Basis startet bei über 90.000 Euro. Mit V8 oder als Hybrid mit guter Ausstattung landet man schnell bei 130.000 Euro und weit darüber. Die Aufpreisliste ist lang und kostspielig.
  2. Fehlendes DC-Laden (PHEV): Für einen Premium-Hersteller im Jahr 2025 ist das Fehlen einer DC-Ladeoption bei den teuren Plug-in-Hybriden eigentlich nicht mehr akzeptabel, auch wenn die AC-Ladeleistung verbessert wurde.
  3. Größe & Gewicht: Er bleibt ein großes, schweres SUV, was im Stadtverkehr und bei der Parkplatzsuche Nachteile bringt. Das hohe Gewicht wirkt sich auch auf den Verbrauch (aller Varianten) aus.
  4. Image: Für manche bleibt ein SUV von Porsche ein Widerspruch in sich.

Anekdote: Der V8-Moment im Hybrid-Zeitalter

Ich fuhr den neuen Cayenne S mit dem V8 über eine kurvige Bergstraße. Das sonore Grollen beim Beschleunigen, das leichte Brabbeln beim Gaswegnehmen, die lineare Kraftentfaltung – das ist einfach eine andere Welt als die oft etwas sterilen V6-Turbos oder die surrenden Hybride. In einer Zeit, in der solche Motoren vom Aussterben bedroht sind, ist jeder Kilometer mit so einem Triebwerk ein kleiner Genussmoment. Es ist unvernünftig, es ist politisch unkorrekt, aber es macht einfach verdammt viel Spaß.

Zukünftiger Ausblick: Wann kommt der elektrische Cayenne?

Porsche hat bestätigt, dass nach dem elektrischen Macan auch ein rein elektrischer Cayenne kommen wird. Er wird voraussichtlich auf der PPE-Plattform basieren (wie Macan EV / A6 e-tron) und parallel zum aktuellen Verbrenner/Hybrid-Modell angeboten werden, ähnlich wie beim Macan. Der Start wird für ca. 2026 erwartet. Der aktuelle Cayenne E3.2 ist also die letzte Generation, die noch primär auf Verbrenner setzt, auch wenn die Hybride eine wichtige Brücke schlagen.

Merkmal
Porsche Cayenne S (2025)
BMW X5 M60i
Mercedes-AMG GLE 53
Range Rover Sport P550e
Motor
4.0L V8 Biturbo
4.4L V8 Biturbo (MHEV)
3.0L R6 Turbo (MHEV)
3.0L R6 PHEV
Leistung (ca.)
474 PS
530 PS
435 PS
550 PS (System)
0-100 km/h (ca.)
4,7 s
4,3 s
5,0 s
4,9 s
Fokus
Fahrdynamik, V8
Performance, Luxus
Sportlichkeit, Komfort
Luxus, E-Reichweite
Preis (Basis, ca.)
ab 112.000 €
ab 118.000 €
ab 104.000 €
ab 125.000 €

Fazit: Das umfassende Facelift hat den Porsche Cayenne (2025) fit gemacht für die kommenden Jahre. Das neue Cockpit ist ein riesiger Schritt nach vorn, das Fahrwerk bleibt Benchmark in Sachen Dynamik und Komfort-Spreizung. Die Rückkehr des V8 in den Cayenne S ist ein Fest für Traditionalisten, während die verbesserten E-Hybride mit ihrer enormen elektrischen Reichweite und dem schnelleren AC-Laden extrem attraktiv für den Alltag sind. Größter Kritikpunkt bleibt die fehlende DC-Ladeoption für die PHEVs und der gewohnt hohe Preis. Dennoch: Der Cayenne bleibt der König unter den Performance-SUVs – jetzt digitaler, vielseitiger und emotionaler (als S) denn je.

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Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

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