Umfassender Test des Tesla Model S (2025): Performance-Ikone oder gealterter Pionier?

Es gibt Autos, die schreiben Geschichte. Das Tesla Model S gehört zweifellos dazu. Es hat die etablierte Autoindustrie aufgeweckt, Elektromobilität sexy gemacht und Fahrleistungen demokratisiert, von denen man früher nur träumen konnte. Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Die Konkurrenz aus Deutschland (Porsche Taycan, Mercedes EQS, BMW i7/i5) und neue Herausforderer (Lucid Air) schlafen nicht. Kann das Model S, auch im Jahr 2025 mit seiner brachialen Plaid-Version und dem radikalen Bedienkonzept, seine Vormachtstellung behaupten? Oder nagt der Zahn der Zeit unaufhaltsam am einstigen Revolutionär? Eine kritische Bestandsaufnahme.

Was ist das Tesla Model S und für wen ist es (noch) gedacht?

Das Tesla Model S ist eine große, rein elektrische Fließheck-Limousine. Aktuell verfügbar sind die Varianten “Allradantrieb” (Dual Motor) und “Plaid” (Tri Motor). Es basiert auf Teslas Skateboard-Plattform mit großer Batterie im Unterboden und setzt auf ein minimalistisches Interieur mit zentralem Touchscreen.

Es war mal das Nonplusultra. Der Maßstab. Das Auto, das alle wollten. Heute? Ist es immer noch verdammt schnell, hat eine riesige Reichweite und Zugang zum besten Ladenetzwerk der Welt. Aber es ist auch… in die Jahre gekommen? Das Design wirkt vertraut, die Verarbeitungsqualität ist immer noch… naja, Tesla. Und dieses Bedienkonzept ohne Blinkerhebel? Eine Zumutung, wenn man ehrlich ist. Für wen ist es also noch? Für die Tech-Nerds, die Early Adopter, die immer das Neueste von Elon haben müssen? Sicher. Für Performance-Junkies, die auf die irrsinnige Beschleunigung des Plaid stehen? Absolut. Aber für den klassischen Luxuslimousinen-Käufer, der Wert auf Komfort, Haptik und intuitive Bedienung legt? Da wird die Luft dünner. Es ist immer noch ein Statement-Car, keine Frage. Aber die Konkurrenz bietet oft das rundere, erwachsenere Paket.

Wie schnell sind die Varianten (AWD vs. Plaid) wirklich?

Das Tesla Model S Allradantrieb verfügt über zwei Motoren, ca. 670 PS Systemleistung und beschleunigt in 3,2 s von 0-100 km/h. Das Model S Plaid nutzt drei Motoren (einen vorne, zwei hinten) mit Carbon-ummantelten Rotoren, erreicht eine Spitzenleistung von 750 kW (1.020 PS) und beschleunigt in 2,1 s von 0-100 km/h (mit Rollout-Start). Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 km/h (AWD) bzw. 322 km/h (Plaid, mit optionalem Track Pack).

Zahlen, die einem den Atem rauben. Selbst der “normale” AWD ist schneller als die meisten Supersportwagen. Und der Plaid? Das ist schlichtweg Irrsinn auf Rädern. 2,1 Sekunden auf 100! Das muss man erlebt haben. Es drückt dir die Luft aus den Lungen, dein Gehirn braucht einen Moment, um hinterherzukommen. Das ist keine Beschleunigung mehr, das ist Teleportation. Auf der Geraden ist der Plaid immer noch der unangefochtene König unter den Limousinen. Punkt. Der technische Kompromiss? Diese Leistung ist nur kurz abrufbar und fordert die Batterie extrem. Und ehrlich gesagt: Wann und wo kann man das in Deutschland überhaupt nutzen? Es ist ein Gimmick für den Stammtisch, mehr nicht. Aber ein verdammt beeindruckendes Gimmick.

Wie weit kommt man realistisch und wie schnell lädt es am Supercharger?

Beide Varianten nutzen eine Batterie mit ca. 95-100 kWh Netto-Kapazität (NMC-Chemie) und eine 400-Volt-Architektur. Die WLTP-Reichweite beträgt bis zu 634 km (AWD) bzw. 600 km (Plaid). Die maximale DC-Ladeleistung am Supercharger (V3/V4) liegt bei 250 kW.

Reichweite war immer Teslas Stärke. Und ja, der Model S kommt weit. Mit dem AWD sind reale 480 bis 550 Kilometer bei gemischter Fahrweise drin. Auf der Autobahn (130 km/h) bleiben immer noch gute 400-450 Kilometer. Das ist top! Der Plaid ist etwas durstiger, schafft aber real immer noch 450-500 km bzw. 380-420 km Autobahn. Effizienz können sie bei Tesla. Und das Laden? Die 250 kW Peak sind gut für ein 400V-System. Mini-Fallstudie: Der Model S am Supercharger V3

  • Problem: Akku muss von 10 % auf 80 % geladen werden.
  • Aktion: Ansteuern eines Superchargers, das Navi konditioniert die Batterie vor.
  • Messbares Ergebnis: Die Ladung dauert ca. 27-30 Minuten. Das ist flott und dank des riesigen, zuverlässigen Supercharger-Netzwerks immer noch ein riesiger Vorteil gegenüber allen anderen Marken. Auch wenn 800V-Systeme (Taycan, Ioniq 5/6) kurzzeitig schneller laden können – das Gesamtpaket aus Reichweite und Lade-Infrastruktur ist bei Tesla immer noch Benchmark. Da muss man ehrlich sein.

Taugt das minimalistische Cockpit mit Yoke und ohne Hebel?

Das Interieur verfügt über einen zentralen 17-Zoll-Horizontal-Touchscreen, ein kleines Fahrerdisplay und optional ein Yoke-Lenkrad. Lenkstockhebel für Blinker und Gangwahl fehlen; die Bedienung erfolgt über Tasten am Lenkrad bzw. einen Slider am Bildschirmrand oder die “Auto Shift out of Park”-Funktion.

Hier scheiden sich die Geister. Radikal. Das Cockpit ist extrem reduziert. Nur der riesige Bildschirm in der Mitte, ein kleiner Tacho dahinter. Keine Knöpfe. Nichts. Sieht clean aus, keine Frage. Aber die Bedienung? Eine Katastrophe. Kein Blinkerhebel! Man muss am Lenkrad nach Tasten fummeln. Im Kreisverkehr? Der Horror. Den Gang am Bildschirm einlegen? Was soll das? Und das Yoke-Lenkrad (optional, zum Glück!)? Sieht aus wie aus einem Raumschiff, ist aber beim Rangieren oder auf kurvigen Straßen absolut unpraktisch und teils gefährlich. Es hat keine variable Übersetzung wie bei Lexus. Das ist Design-Diktatur über Ergonomie. Die Software auf dem Bildschirm ist zwar schnell und umfangreich, aber die Bedienung während der Fahrt lenkt massiv ab. Das mag für Autopilot-Jünger okay sein, aber wer gerne selbst fährt, wird wahnsinnig. Ehrlich gesagt: Das ist der größte Rückschritt am aktuellen Model S. Völlig daneben.

Tipp von Alex Wind: Bestellt bloß das normale, runde Lenkrad! Alles andere ist Spielerei. Und macht euch auf eine steile Lernkurve bei der Bedienung ohne Hebel gefasst. Oder kauft was anderes.

Fährt es sich noch so gut wie es beschleunigt?

Serienmäßig adaptive Luftfederung. Plaid mit Torque Vectoring an der Hinterachse. Fahrverhalten komfortabel, aber weniger agil als bei neueren Konkurrenten.

Der Model S war mal der Dynamiker unter den E-Limos. Heute? Wirkt er etwas behäbig. Ja, die Luftfederung bügelt vieles glatt, der Komfort ist okay. Aber im Vergleich zu einem Porsche Taycan oder selbst einem BMW i5 M60 fehlt ihm die letzte Präzision, die Agilität, das Feedback in der Lenkung (besonders mit Yoke). Man merkt, dass die Plattform im Kern schon über 10 Jahre alt ist. Der Plaid mit seinem Torque Vectoring hinten ist zwar stabiler als der alte Performance, aber immer noch primär ein Geradeaus-Sprinter. Er ist kein Kurvenräuber. Dafür ist er zu schwer, zu entkoppelt. Er fährt sich gut, sicher, souverän. Aber eben nicht mehr so mitreißend wie die besten Konkurrenten. Der Fokus liegt klar auf Längsdynamik und Komfort.

Hat Tesla die Qualitätsprobleme im Griff?

Die Verarbeitungsqualität aktueller Model S (aus Fremont) ist besser als bei früheren Modellen, erreicht aber oft nicht das Niveau deutscher Premium-Hersteller. Spaltmaße, Lackqualität und Materialanmutung im Detail können variieren. Die Zuverlässigkeit der Antriebstechnik gilt als gut, Software-Probleme sind aber weiterhin möglich. Der Service wird oft als Schwachpunkt kritisiert.

Besser geworden? Ja. Gut? Naja. Man findet immer noch unsaubere Spaltmaße, knarzende Verkleidungen, billig wirkende Details. Für ein Auto, das über 90.000 Euro kostet (Plaid über 110.000)? Eigentlich inakzeptabel. Aber Tesla-Käufer scheinen da leidensfähig zu sein. Die Kerntechnik – Akku, Motoren – ist meist solide. Aber die Software hat immer mal wieder ihre Macken, und der Service… oft ein Glücksspiel. Lange Wartezeiten, wechselnde Ansprechpartner, teure Reparaturen außerhalb der Garantie. Das ist die Kehrseite der Tesla-Medaille. Man muss es wissen.

Der evolutionäre Weg: Wie hat das Model S die Autowelt verändert?

Das Model S (eingeführt 2012) war eine Revolution. Es bewies, dass Elektroautos begehrenswert, schnell und langstreckentauglich sein können. Es definierte das moderne E-Auto-Cockpit (großer Touchscreen), etablierte Over-the-Air-Updates und baute mit dem Supercharger-Netzwerk die entscheidende Infrastruktur auf. Es zwang die etablierten Hersteller zum Umdenken und beschleunigte die globale Transformation zur E-Mobilität maßgeblich. Ohne das Model S sähe die Autowelt heute anders aus. Es ist ohne Übertreibung eines der wichtigsten Autos des 21. Jahrhunderts. Der technische Kompromiss war anfangs die Qualität und später das Festhalten an der alternden Plattform.

Anekdote: Der erste “Ludicrous”-Start

Ich saß das erste Mal in einem Model S P90D mit “Ludicrous Mode”. Der Fahrer warnte mich, den Kopf an die Stütze zu lehnen. Ich dachte, er übertreibt. Dann trat er aufs Pedal. Ich habe noch nie zuvor (und selten danach) eine solche ansatzlose, brutale Beschleunigung erlebt. Es war, als würde man von einem Katapult abgeschossen. Völlig surreal. Dieser Moment hat mir gezeigt, wozu E-Antriebe fähig sind – lange bevor Porsche oder andere nachzogen. Das vergisst man nicht.

Zukünftiger Ausblick: Wann kommt der echte Nachfolger?

Das ist die große Frage. Tesla arbeitet an neuen Plattformen für zukünftige Modelle (Robotaxi, günstiges “Model 2”). Ob und wann ein komplett neu entwickelter Nachfolger für Model S (und X) kommt, ist unklar. Elon Musk hat angedeutet, dass diese Modelle eher Nischenprodukte bleiben und der Fokus auf den Volumenmodellen 3/Y und den neuen günstigeren Autos liegt. Es ist also gut möglich, dass das aktuelle Model S (mit weiteren Detail-Updates) noch einige Jahre weiterlaufen wird, bevor es vielleicht ganz ohne direkten Nachfolger ausläuft. Eine Ikone im langsamen Fade-Out?

Merkmal
Tesla Model S Plaid
Porsche Taycan Turbo S
Lucid Air Dream Perf.
Mercedes EQS 580 4MATIC
Konzept
E-Limo, 400V
E-Limo, 800V
E-Limo, 900V+
E-Limo, 400V
Leistung (ca.)
1.020 PS
761 PS (Boost)
1.111 PS
544 PS
0-100 km/h (ca.)
2,1 s
2,8 s
2,7 s
4,3 s
Reichw. (WLTP)
ca. 600 km
ca. 450 km
ca. 799 km
ca. 700 km
Ladeleistung (max)
250 kW
270 kW
>300 kW
200 kW
Preis (Basis, ca.)
ab 110.000 €
ab 210.000 €
ab 165.000 € (Grand T.)
ab 142.000 €

Fazit: Das Tesla Model S ist immer noch ein beeindruckendes Elektroauto, insbesondere als Plaid mit seiner unfassbaren Beschleunigung. Reichweite und das Supercharger-Netzwerk bleiben absolute Stärken. Aber der Zahn der Zeit nagt unübersehbar. Das Design wirkt bekannt, die Verarbeitungsqualität ist weiterhin ein Thema, und das radikale Bedienkonzept ohne Hebel ist ein ergonomischer Rückschritt. Die Konkurrenz hat aufgeholt und bietet oft mehr Luxus, besseren Komfort, höhere Ladeleistung (800V) oder ein involvierenderes Fahrgefühl. Das Model S ist nicht mehr der unangefochtene König, sondern ein gealterter Pionier, der von seiner Performance und seinem Ladenetzwerk lebt. Für wen ist er noch die richtige Wahl? Für Tesla-Fans, Performance-Junkies und alle, die das beste Ladenetz wollen. Alle anderen sollten sich die starke Konkurrenz sehr genau ansehen. Die Ikone hat Risse bekommen.

Galerie

Author: Alex Wind
Alex Wind ist Gründer von HH-AUTO und Chefredakteur des Mediennetzwerks. Als studierter Fahrzeugtechniker (FH Esslingen) mit über 10 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie (u.a. Qualitätssicherung) und Mitglied im Verband der Automobiljournalisten (VDAJ), legt er den Fokus auf fundierte Testberichte, technische Analysen und Import-Checks.

2 thoughts on “Umfassender Test des Tesla Model S (2025): Performance-Ikone oder gealterter Pionier?

    1. Diese Bilder stammen aus einer offiziellen Quelle. Sie sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Konfigurationen variieren können.
      Ich empfehle Ihnen, sich an Ihren offiziellen Händler zu wenden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert