Sie haben es schon wieder getan. Erst der GT86, dann der Supra (der auch wackelt), und jetzt stirbt sein kleiner, vielleicht sogar besserer Bruder: der Toyota GR86. Ein Auto, das Enthusiasten auf der ganzen Welt gefeiert haben – Saugmotor, Heckantrieb, Handschaltung, pures Fahrgefühl. Und warum? Wegen Brüssel. Genauer gesagt: wegen der neuen GSR2-Sicherheitsregularien. Die Plattform ist nicht kompatibel, eine Anpassung wäre zu teuer. Also: Produktionsstopp für Europa. Aus. Ende. Was bleibt, ist eines der besten Fahrerautos der letzten Jahre und ein Gebrauchtwagenmarkt, der jetzt schon verrücktspielt. Eine Retrospektive auf einen viel zu kurzen Auftritt – und ein knallharter Check, ob man sich jetzt noch schnell einen sichern sollte.
Was genau war der Toyota GR86 (ZN8)?
Der Toyota GR86 (ZN8) war ein kompaktes 2+2-sitziges Sportcoupé, entwickelt in Kooperation mit Subaru (technischer Zwilling: Subaru BRZ). Er verfügte über einen 2.4-Liter Vierzylinder-Boxer-Saugmotor, Heckantrieb mit Torsen-Differenzialsperre und war wahlweise mit 6-Gang-Schaltgetriebe oder 6-Gang-Automatik erhältlich.
Er war die Antwort auf alle Gebete der Puristen. Während alles andere schwerer, digitaler und turbogeladen wurde, war der GR86 ein herrlicher Anachronismus. Kein Turbo, kein Hybrid, kein Schnickschnack. Nur du, die Maschine und die Straße. Er war die Weiterentwicklung des GT86, aber in allem besser: steifere Karosserie, schickeres Design (okay, Geschmackssache) und vor allem: endlich genug Leistung! Der neue 2.4-Liter Boxer behob die größte Schwäche des Vorgängers – das berüchtigte Drehmomentloch. Er war kein PS-Monster, aber er war genug. Ein Auto, gebaut für die kurvige Landstraße, nicht für die Autobahn-Gerade. Ein echtes Fahrerauto. Und das zu einem Preis (neu unter 35.000 Euro!), der einer Kriegserklärung an die Spaßverhinderer gleichkam.
Warum musste er so schnell wieder gehen? Die GSR2-Regularien.
Die Produktion des GR86 für Europa endete bereits 2024, nach nur rund zwei Jahren Verkaufszeit. Grund sind die neuen GSR2 (General Safety Regulation 2) der EU, die ab Mitte 2024 für neue Typgenehmigungen (und später für alle Neuzulassungen) gelten. Die Plattform des GR86/BRZ ist nicht (oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand) kompatibel mit den neuen Anforderungen an Crash-Sicherheit und Assistenzsystem-Architektur.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ein Auto wird eingestellt, nicht weil es schlecht ist oder keiner es will (die Dinger wurden Toyota aus den Händen gerissen!), sondern weil die Bürokratie es killt. Die GSR2 verlangt unter anderem neue Standards für Assistenzsysteme (z.B. erweiterte Notbremsassistenten, Müdigkeitswarner etc.), die eine komplett neue Elektronik-Architektur erfordern würden, für die die GR86-Plattform nie ausgelegt war. Toyota hätte Milliarden investieren müssen, um ein Nischenauto für Europa anzupassen. Wirtschaftlicher Irrsinn. Also: Stecker ziehen. Danke, Brüssel! Ihr habt uns eines der letzten echten Spaßautos genommen. Das ist, gelinde gesagt, eine Tragödie. Nein, eigentlich ist es einfach nur dumm.
Das Herzstück: Wie gut war der 2.4L Boxer-Saugmotor?
Der 2.4-Liter Vierzylinder-Boxer-Saugmotor (FA24) leistet 172 kW (234 PS) und 250 Nm Drehmoment (bei 3700 U/min). Er ist eine Weiterentwicklung des 2.0L Vorgängers (FA20) mit mehr Hubraum.
234 PS. Klingt nach nicht viel in einer Welt, in der Kompakte 400 PS haben. Aber das ist der Punkt! Man braucht nicht mehr. Das Auto wiegt nur ca. 1.275 kg (Schalter)! Das Leistungsgewicht passt. Und das Wichtigste: Es ist ein SAUGMOTOR. Kein Turbo. Das heißt: lineare Leistungsentfaltung, gieriges Hochdrehen bis über 7.000 U/min, sofortiges Ansprechverhalten. Und das Drehmoment! 250 Nm liegen schon bei 3.700 Touren an – genau da, wo der alte GT86 sein berüchtigtes Loch hatte. Das macht den GR86 so viel souveräner im Alltag und am Kurvenausgang. Der Klang? Typisch Boxer, etwas rau, mechanisch, ehrlich. Kein synthetischer Quatsch. Gekoppelt an das knackige 6-Gang-Schaltgetriebe (ein Muss!) ist dieser Motor ein absoluter Traum für Puristen. Die Automatik? Kann man nehmen, wenn man muss. Aber ehrlich, wer kauft so ein Auto mit Automatik?
Zitat von Alex Wind: “Der Motor des GR86 ist der perfekte Gegenentwurf zum ganzen Downsizing-Turboschrott. Er braucht Drehzahl, er kommuniziert, er lebt! Wer das einmal erlebt hat, will keinen 1.5L Dreizylinder-Hybrid mehr fahren.”
Wie fährt er sich? Das (fast) perfekte Handling?
Der GR86 verfügt über eine klassische Sportwagen-Architektur: Front-Mittelmotor, Heckantrieb, 53:47 Gewichtsverteilung, tiefer Schwerpunkt (dank Boxer). Serienmäßig Torsen-Sperrdifferenzial. Fahrwerk: McPherson vorne, Mehrlenker hinten.
Er fährt sich genial. Das ist das einzige Wort. Die Lenkung ist messerscharf, präzise, voller Feedback. Das Auto lenkt ansatzlos ein. Das Chassis ist steif, das Fahrwerk straff, aber nicht unkomfortabel. Und der Heckantrieb mit der mechanischen Sperre? Ein Gedicht. Man kann das Auto perfekt mit dem Gaspedal steuern. Leichtes Untersteuern am Eingang, das sich auf Zug in ein wunderbar kontrollierbares, neutrales bis leicht übersteuerndes Heck verwandelt. Drifts? Im “Track Mode” (der das ESP lockert) ein Kinderspiel. Er ist spielerisch, fordernd, aber nie tückisch. Ein Auto, das den Fahrer besser macht, ihn lehrt, wie man fährt. Der technische Kompromiss? Die serienmäßigen Michelin Primacy Reifen (wie beim Vorgänger) sind eher auf Spaß als auf Grip ausgelegt, man rutscht früh, aber kontrolliert. Wer Rundenzeitenjagd will, muss auf Michelin Pilot Sport 4/5 umrüsten. Aber für den Landstraßen-Spaß? Perfekt!
Der evolutionäre Weg: Vom GT86 zum perfekten GR86?
Der Vorgänger, der Toyota GT86 (und Subaru BRZ Gen 1), war 2012 eine Sensation. Ein bezahlbarer Hecktriebler! Aber er hatte Schwächen: das Drehmomentloch, das billige Interieur, das spezielle Design. Der GR86 war die Antwort auf exakt diese Kritikpunkte. Er ist im Grunde ein GT86 2.0. Gleiche Philosophie, aber in jeder einzelnen Disziplin konsequent verbessert: Stärkerer Motor ohne Loch, steifere Karosserie, deutlich hochwertigeres Interieur, moderneres Infotainment, erwachseneres Design. Toyota (und Subaru) haben zugehört und das Auto abgeliefert, das sich die Fans gewünscht hatten. Eine perfekte Evolution. Umso tragischer, dass ihr in Europa so schnell der Saft abgedreht wurde.
Advokat des Teufels: Was sind die Nachteile des GR86?
Ja, auch die Ikone hat Schwächen, abgesehen von ihrem erzwungenen Ende:
- Praktikabilität: Er ist ein 2+2-Sitzer. Die Rücksitze sind ein Witz, maximal als Ablage für Jacken oder Sporttaschen zu gebrauchen. Der Kofferraum ist klein (ca. 226 Liter). Es ist ein Zweit- oder Drittwagen, kein Alltagsauto für die Familie.
- Verbrauch: Für einen Sauger ist er okay, aber wer ihn artgerecht bewegt (also mit Drehzahl), wird mit 9-11 Litern Super Plus rechnen müssen.
- Innenraum: Obwohl stark verbessert, ist es immer noch kein Audi TT. Viel Hartplastik, das Infotainment ist funktional (Subaru-Basis), aber kein Hightech-Wunder.
- Preis (gebraucht): Durch das Produktionsende und die hohe Nachfrage sind die Gebrauchtwagenpreise extrem stabil bis absurd hoch. Teilweise werden junge Gebrauchte über Neupreis gehandelt. Das Schnäppchen von einst ist keines mehr.
Anekdote: Der Kreisverkehr-Drift (im Track Mode)
Ich fuhr den GR86 an einem feuchten Morgen, schaltete in den Track Mode. Ein leerer Kreisverkehr. Zweiter Gang, einlenken, Gasstoß. Das Heck kam so sanft, so kontrollierbar, dass ich den kompletten Kreisverkehr in einem sauberen, leichten Drift durchfuhr. Kein Ruckeln, kein abrupter Eingriff der Elektronik. Nur pures, mechanisches Feedback. Das Auto hat mir förmlich zugeflüstert: “Passt schon, ich hab das, gib Gas!” Dieses Vertrauen, dieser analoge Fahrspaß – das ist es, was wir verlieren werden.
Zukünftiger Ausblick: Was kommt nach dem GR86?
Subaru und Toyota haben angedeutet, dass sie an einer dritten Generation arbeiten, möglicherweise mit Hybrid-Technologie (vielleicht ein Turbo-Boxer mit Hybrid?). Aber ob dieses Modell nach Europa kommt, steht in den Sternen, besonders angesichts der Emissions- und Sicherheitsregeln. Es ist gut möglich, dass der GR86 (ZN8) der letzte reine Saugmotor-Sportwagen von Toyota/Subaru auf unserem Markt war. Das macht ihn als Gebrauchtwagen noch begehrenswerter – und teurer. Er ist jetzt schon ein “Future Classic”.
Merkmal (neu/jung gebraucht) | Toyota GR86 | Mazda MX-5 RF (2.0L) | BMW M240i (G42) |
Konzept | 2+2 Coupé, RWD, Sauger | Targa-Roadster, RWD, Sauger | 2+2 Coupé, RWD/AWD, Turbo |
Motor | 2.4L B4 Boxer | 2.0L R4 Sauger | 3.0L R6 Turbo |
Leistung (ca.) | 234 PS | 184 PS | 374 PS |
Gewicht (DIN, ca.) | ca. 1.275 kg | ca. 1.150 kg | ca. 1.700 kg |
Fahrgefühl | Puristisch, Agil, Drift | Leichtfüßig, Offen | Brutal schnell, GT |
Preis (Index) | Hoch (stabil) | Mittel | Sehr hoch |
Fazit: Der Toyota GR86 war ein kurzes, helles Leuchten am Firmament der Fahrspaß-Autos. Er ist (war) eines der besten Pakete, die man für Geld kaufen konnte: puristisch, ehrlich, agil und mit dem dringend benötigten Leistungsplus gegenüber seinem Vorgänger. Sein erzwungenes Ende durch EU-Bürokratie ist ein Skandal für Enthusiasten. Als Gebrauchtwagen ist er jetzt schon eine Ikone, aber leider kein Schnäppchen mehr. Wer einen findet, der fair bepreist ist, und ein echtes, analoges Fahrerlebnis sucht, sollte zuschlagen. Viel besser wird es in der Verbrenner-Welt nicht mehr – und schon gar nicht günstiger. Ein Meisterwerk, das viel zu früh gehen musste.

















