Umfassender Test des Volvo V60 (2025): Schwedens Kombi-Klassiker – Besser als jedes SUV?

Kombis haben es schwer. Die SUV-Welle rollt unaufhaltsam und begräbt eine Ikone nach der anderen unter sich. Selbst Volvo, die Marke, die den praktischen Premium-Laster quasi erfunden hat, dünnt aus: S60 weg, V90 weg (bis auf den Cross Country). Doch einer hält die Stellung: der V60. Der elegante Mittelklasse-Kombi auf der bewährten SPA-Plattform trotzt dem Trend und fährt frisch aufgerüstet mit Google-Infotainment und einem bärenstarken Plug-in-Hybrid-Antrieb ins Modelljahr 2025. Ist er nur ein Relikt für Nostalgiker? Oder beweist er eindrucksvoll, warum ein guter Kombi immer noch die bessere Wahl sein kann als jedes hochgebockte Lifestyle-SUV? Ich habe dem Schwedenstahl auf den Zahn gefühlt.

Was ist der Volvo V60 (SPA) und für wen ist er gemacht?

Der Volvo V60 (Generation SPA1) ist ein Premium-Mittelklasse-Kombi, basierend auf Volvos Scalable Product Architecture. Er konkurriert direkt mit Audi A4 Avant, BMW 3er Touring und Mercedes C-Klasse T-Modell. Angeboten wird er primär als Mild-Hybrid Benziner (B-Versionen) und als Plug-in-Hybrid (Recharge T6/T8), optional mit Allradantrieb. Eine Cross Country Variante ist ebenfalls verfügbar.

Er ist der Inbegriff des schwedischen Kombis: elegant, praktisch, sicher und unaufgeregt luxuriös. Kein protziger Auftritt, sondern skandinavisches Understatement. Aber unter dem Blech? Da steckt moderne Technik. Die SPA-Plattform sorgt für souveränes Fahrverhalten, das Google-Infotainment ist topaktuell und die Recharge-Hybride sind echte Effizienz-Wunder im Alltag. Er richtet sich an anspruchsvolle Familien, an Geschäftsleute, an alle, die viel Platz brauchen, Wert auf Sicherheit und Komfort legen, aber eben keinen klobigen SUV fahren wollen. Ein Auto für Leute mit Stilbewusstsein und Verstand. Gibt’s sowas heute noch oft? Eben.

Welche Antriebe gibt es 2025: Mild-Hybrid oder Power-PHEV?

Die Motorenpalette wurde auf Effizienz getrimmt. Reine Benziner oder Diesel ohne Hybridisierung gibt es nicht mehr.

• Mild-Hybride (B4 / B5 Benzin): Der 2.0-Liter Vierzylinder-Turbo mit 48V-System bildet die Basis. Der B4 leistet 197 PS (+14 PS Boost), der B5 kommt auf 250 PS (+14 PS Boost). Beide sind mit 8-Gang-Automatik kombiniert, der B5 oft mit Allradantrieb. Sie sind solide, laufruhige Allrounder für den normalen Alltag (Realverbrauch B4 ca. 7-8 Liter).
• Plug-in-Hybride (Recharge T6 AWD / T8 AWD / T8 Polestar Engineered): Das Highlight. Kombinieren den 2.0L Vierzylinder-Turbo-Benziner mit einem starken E-Motor (107 kW / 145 PS) an der Hinterachse (elektrischer Allrad) und der großen 18,8 kWh (brutto) Batterie.
  • T6 Recharge: 257 kW (350 PS) Systemleistung. Der vernünftige Power-Hybrid.
  • T8 Recharge: 335 kW (455 PS) Systemleistung. Brachiale Leistung, fast schon übermotorisiert.
  • T8 Polestar Engineered: Gleiche Leistung wie T8, aber mit Öhlins-Fahrwerk, Brembo-Bremsen und sportlicher Abstimmung. Der verkappte Sport-Kombi. Alle PHEVs bieten eine rein elektrische Reichweite von 75-90 km (WLTP).

Die Qual der Wahl. Die Mild-Hybride sind unkompliziert und reichen völlig aus. Aber die Recharge-Modelle sind technologisch einfach eine andere Liga. Diese E-Reichweite! Damit fährst du im Alltag fast nur noch elektrisch. Und wenn’s sein muss, hast du trotzdem über 350 PS Systemleistung. Ja, sie sind teuer. Aber die Kombination aus Effizienz im Alltag und Power auf Abruf ist schon verdammt verlockend. Der T6 Recharge ist dabei der Sweet Spot – mehr als genug Leistung, volle E-Reichweite. Der T8 ist was für Leistungs-Junkies (und Firmenwagen-Budgets, die es hergeben).

Tipp von Alex Wind: Der V60 T6 Recharge AWD ist aktuell einer der besten Plug-in-Hybride auf dem gesamten Markt. Punkt. Hohe E-Reichweite, kräftiger Antrieb, Allrad – mehr braucht man eigentlich nicht.

Wie schlägt sich der Recharge-Antrieb mit 18,8 kWh Akku im Alltag?

Die seit Modelljahr 2022/23 verbaute größere Batterie (vorher 11,6 kWh) hat den V60 Recharge transformiert.

• Reale E-Reichweite: Die bis zu 90 km WLTP sind keine Utopie. Im realen Pendelverkehr bei moderaten Temperaturen sind 70 bis 80 Kilometer rein elektrisch locker drin. Das deckt den Aktionsradius der allermeisten Autofahrer komplett ab. Selbst im Winter bleiben oft noch über 50 km übrig.
• Effizienz: Im E-Modus fährt sich der V60 geschmeidig und leise (Verbrauch ca. 18-22 kWh/100km). Im Hybrid-Modus (mit leerem Akku) agiert er wie ein Vollhybrid, der Benziner wird oft nur zugeschaltet. Realverbräuche von 6-7 Litern sind dann möglich – immer noch gut für die Leistung.
• Laden: AC-Laden erfolgt mit bis zu 6,4 kW (zweiphasig). Eine Vollladung dauert damit ca. 3 Stunden. Kein DC-Laden möglich.

Mini-Fallstudie: Der Wochenend-Einkauf rein elektrisch

• Problem: Diverse Fahrten am Samstag (Supermarkt, Sport, Freunde besuchen), insgesamt 60 km.
• Aktion: Der V60 Recharge startet vollgeladen. Alle Fahrten erfolgen im “Pure”-Modus rein elektrisch.
• Messbares Ergebnis: Null lokaler Verbrauch, leises und entspanntes Fahren. Die Reichweite reicht locker aus, am Abend wird über Nacht wieder geladen. Der Benziner bleibt aus. Genau so muss ein PHEV funktionieren! Die 6,4 kW Ladeleistung sind für das nächtliche Laden okay, für schnelles Nachladen unterwegs aber etwas langsam.

Ist der Innenraum mit Google OS immer noch top?

Der Innenraum des V60 ist auch nach einigen Jahren auf dem Markt eine Wohlfühloase und wirkt dank des Google-Updates topmodern.

• Design & Materialien: Klares, aufgeräumtes skandinavisches Design. Sehr hochwertige Materialien (Leder, Echtholz, Metall), exzellente Verarbeitung. Fühlt sich einfach gut an.
• Sitze: Volvo-Benchmark. Perfekt konturiert, langstreckentauglich, vielfach einstellbar, optional mit Belüftung/Massage.
• Infotainment: Android Automotive OS mit Google Built-in. Der vertikale 9-Zoll-Touchscreen bleibt, aber die Software dahinter ist jetzt schnell, intuitiv und intelligent. Google Maps, Google Assistant, Play Store – alles nahtlos integriert. Funktioniert brillant.
• Platzangebot: Vorne sehr gut, im Fond klassenüblich gut (besser als im S60). Der Kofferraum ist mit 519 bis 1431 Litern (PHEV etwas weniger Ladebodenhöhe) groß und sehr gut nutzbar – ein echter Kombi eben.

Ja, das Interieur ist immer noch eine Stärke. Das Google-System ist ein massiver Gewinn gegenüber dem alten Sensus. Es ist vielleicht nicht ganz so spektakulär inszeniert wie bei manchen Konkurrenten, aber extrem funktional und hochwertig.

Wie fährt er sich? Komfort-Gleiter oder verkappter Sportler?

Der V60 ist primär ein extrem komfortabler Reisewagen. Das Fahrwerk (optional adaptiv oder als Luftfederung hinten beim CC) bügelt Unebenheiten souverän weg. Die Lenkung ist präzise, aber leichtgängig und eher auf Stabilität als auf Agilität ausgelegt. Die Geräuschdämmung ist hervorragend.

Er kann aber auch anders. Besonders die Recharge-Modelle mit ihrer hohen Systemleistung schieben vehement an. Der elektrische Allrad sorgt für satte Traktion. Im “Power”-Modus (oder bei Polestar Engineered) wird die Abstimmung straffer, die Gasannahme direkter. Er wird nicht zum Go-Kart, aber er lässt sich erstaunlich flott und sicher bewegen. Er ist kein 3er Touring auf der letzten Rille, aber ein ungemein souveräner Alleskönner. Der technische Kompromiss ist das hohe Gewicht der PHEV-Modelle (über 2 Tonnen), das man in engen Kurven spürt.

Historischer Kontext: Die Volvo-Kombi-DNA

Der V60 steht in der langen Tradition der Volvo-Kombis, die immer für Sicherheit, Praktikabilität und Langlebigkeit standen. Vom buckligen Duett über den kantigen 245 bis zum eleganten V70 – Volvo war Kombi. Der aktuelle V60 (und sein größerer Bruder V90) führten diese Tradition auf der modernen SPA-Plattform fort, interpretierten sie aber deutlich eleganter und luxuriöser. Dass Volvo nun auch diese Ikonen langsam auslaufen lässt, zeigt den radikalen Wandel der Marke und des Marktes. Der V60 könnte der letzte “klassische” Volvo-Kombi sein, wie wir ihn kannten. Ein Grund mehr, seine Qualitäten zu schätzen.

Advokat des Teufels: Was spricht gegen den V60 (2025)?

Trotz aller Qualitäten ist der V60 nicht perfekt:

1. Alter der Plattform: Die SPA1-Basis ist bewährt, aber eben nicht mehr die allerneueste. Das merkt man an Details wie dem Packaging (Kardantunnel trotz E-Antrieb hinten) oder der fehlenden 800V-Option.
2. Kein reines E-Modell: Wer vollelektrisch fahren will, muss bei Volvo zum XC40/C40 oder den neuen EX-Modellen greifen. Der V60 bietet “nur” PHEV als höchste Elektrifizierungsstufe.
3. Bedienung: Das Google OS ist gut, aber die starke Touchscreen-Fokussierung (auch für Klima) erfordert Eingewöhnung.
4. Preis: Als Premium-Kombi ist der V60, insbesondere als Recharge T8, kein Schnäppchen. Er bewegt sich auf Augenhöhe mit der deutschen Konkurrenz.
5. Zukunft?: Obwohl noch bestellbar, ist klar, dass die Tage des SPA1-V60 gezählt sind. Sein Nachfolger wird elektrisch und wahrscheinlich anders heißen (ES60?).

Anekdote: Die unsichtbare Kraftreserve

Ich fuhr den V60 T8 Recharge auf der Autobahn im Hybrid-Modus, der Akku war fast leer. Vor mir zog ein LKW raus. Ein kurzer Tritt aufs Gas – und der Volvo schoss nach vorne. Der Benziner sprang an, der E-Motor boostete mit, und das Überholmanöver war erledigt, bevor man darüber nachdenken konnte. Diese ansatzlose, mühelose Kraftentfaltung, diese Kombination aus E-Boost und Verbrenner-Power, das ist schon beeindruckend. Man hat immer Reserven, egal in welchem Ladezustand.

Fazit: Der Volvo V60 ist auch im fortgeschrittenen Alter noch ein herausragender Premium-Kombi. Sein zeitloses Design, der luxuriöse Innenraum, das hohe Sicherheitsniveau und der exzellente Fahrkomfort überzeugen nach wie vor. Das Google Infotainment ist ein klares Plus. Die Recharge Plug-in-Hybride mit ihrer enormen elektrischen Reichweite sind technologische Highlights und machen ihn zu einer der attraktivsten PHEV-Optionen auf dem Markt. Wer einen klassischen Kombi sucht, der Eleganz, Praktikabilität und moderne (Hybrid-)Technik vereint, findet im V60 eine der letzten und besten Gelegenheiten, bevor die SUV- und reine E-Welle endgültig überhandnimmt. Eine klare Empfehlung für Kombi-Liebhaber.

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