Kia meint es ernst mit der Elektromobilität. Nach dem preisgekrönten EV6 und dem riesigen Flaggschiff EV9 schicken die Koreaner nun den EV3 ins Rennen – ein kompaktes E-SUV, das das progressive Design des EV9 in eine zugänglichere Klasse überträgt. Mit bis zu 600 Kilometern Reichweite, cleveren Innenraum-Features und einem Kampfpreis soll der EV3 ab Anfang 2025 den Massenmarkt erobern und etablierte Player wie den VW ID.3, Renault Megane E-Tech oder den Cupra Born herausfordern. Doch basiert er zwar auf der E-GMP-Plattform, muss aber mit einer 400-Volt-Architektur auskommen. Wir klären im ersten Test, ob dieser technische Kompromiss den “Mini-EV9” ausbremst.
Was ist der Kia EV3 und wen will er ansprechen?
Der Kia EV3 ist ein 4,30 Meter langes Kompakt-SUV und das neue Einstiegsmodell in Kias reine Elektro-Palette. Er nutzt die bewährte E-GMP-Plattform, jedoch in einer kostengünstigeren Variante mit Frontantrieb und 400-Volt-System. Mit seinem kantigen, selbstbewussten Design, das stark an den großen Bruder EV9 erinnert (“Opposites United”-Designsprache mit “Star Map”-Leuchtgrafik), zielt er klar auf eine jüngere, designorientierte Zielgruppe, die ein praktisches E-Auto mit Charakter sucht. Er ist Kias direkter Angriff auf das europäische C-Segment und soll das Volumenmodell der Marke im E-Bereich werden.
Welche Batterie- und Motorvarianten gibt es?
Kia verfolgt eine klare Strategie: zwei Batteriegrößen, ein Motor. Zum Marktstart wird der EV3 ausschließlich mit einem 150 kW (204 PS) starken E-Motor an der Vorderachse angeboten. Eine Allradversion (Dual Motor) ist vorerst nicht geplant. Die Wahl hat der Kunde bei der Batterie:
- Standard Range: Nutzt einen 58,3 kWh (netto) großen Akku, der für eine WLTP-Reichweite von ca. 410 Kilometern sorgen soll. Diese Version zielt auf preisbewusste Käufer und den urbanen Einsatz.
- Long Range: Setzt auf einen deutlich größeren 81,4 kWh (netto) Akku. Mit dieser Batterie soll der EV3 eine beeindruckende WLTP-Reichweite von bis zu 600 Kilometern erreichen – ein Bestwert in dieser Klasse.
Beide Batterien nutzen die NMC-Chemie (Nickel-Mangan-Kobalt).
Wie schlägt sich die 400-Volt-Architektur beim Laden?
Hier liegt der größte technische Kompromiss im Vergleich zu EV6 und EV9. Während die großen Brüder mit 800 Volt in unter 20 Minuten laden, muss sich der EV3 mit 400 Volt begnügen. Das bedeutet längere Ladestopps, aber Kia hat das System optimiert.
- Die Standard-Batterie (58,3 kWh) lädt mit maximal 102 kW DC.
- Die Long-Range-Batterie (81,4 kWh) schafft bis zu 128 kW DC.
Mini-Fallstudie: Der Ladestopp mit dem Long Range
- Problem: Auf der Langstrecke muss nachgeladen werden.
- Aktion: Anfahrt an eine HPC-Säule.
- Messbares Ergebnis: Die Ladung von 10 % auf 80 % dauert offiziell 31 Minuten. Das ist kein Rekordwert, aber für ein 400-Volt-System mit einer so großen Batterie durchaus respektabel. Konkurrenten wie der VW ID.3 (mit 77 kWh Akku) benötigen ähnlich lange oder sogar etwas mehr Zeit. Kia holt hier das Maximum aus der gegebenen Architektur heraus.
Historischer Kontext: Warum nicht 800 Volt?
Die Entscheidung für 400 Volt im EV3 ist rein kostgetrieben. Die E-GMP-Plattform ist zwar für 800 Volt ausgelegt, aber die dafür nötigen Komponenten (Inverter, Ladeelektronik) sind teurer. Um den EV3 zu einem aggressiven Preis anbieten zu können (erwartet wird ein Startpreis um 35.000 – 38.000 Euro für das Basismodell), musste Kia an dieser Stelle sparen. Der technische Kompromiss ist also bewusst gewählt, um das Auto für eine breitere Käuferschicht attraktiv zu machen. Es ist der “Preis” für die Demokratisierung der E-GMP-Plattform.
Wie fühlt sich der Innenraum an: EV9-Luxus im Kleinformat?
Nein, aber überraschend geräumig und clever gemacht. Kia überträgt das luftige, minimalistische Design des EV9 in den EV3. Das Cockpit wird von einem breiten Panoramadisplay dominiert, das zwei 12,3-Zoll-Bildschirme (Instrumente und Infotainment) und einen dazwischenliegenden 5-Zoll-Touchscreen für die Klimasteuerung vereint. Physische Tasten für wichtige Funktionen (wie Lautstärke oder Shortcuts) sind erfreulicherweise vorhanden.
Der Clou ist jedoch die Variabilität. Der EV3 verfügt über eine verschiebbare Mittelkonsole mit einem ausziehbaren Tisch – ideal als Arbeitsfläche oder für einen Snack während des Ladens. Die Materialien sind hochwertig und nachhaltig (viele recycelte Kunststoffe und Stoffe), erreichen aber nicht ganz das Premium-Niveau des EV9. Dank der E-GMP-Plattform mit langem Radstand (2,68 Meter) ist das Platzangebot im Fond jedoch erstaunlich gut, deutlich besser als in einem VW ID.3. Der Kofferraum fasst solide 460 Liter, plus einen kleinen Frunk (25 Liter).
Anekdote: Der Tisch für die Ladepause
Während einer ersten Sitzprobe fiel mir sofort die ausziehbare Tischplatte in der Mittelkonsole auf. Sie wirkt stabil genug für einen Laptop oder ein Tablet. Das ist kein Gimmick. Es ist die Anerkennung der Realität des E-Auto-Alltags: Ladepausen gehören dazu. Kia macht diese Pause produktiver oder zumindest angenehmer. Es ist ein kleines Detail, das zeigt, dass Kia die Bedürfnisse von E-Auto-Fahrern verstanden hat.
Wie fährt er sich? Komfortabel oder sportlich?
Der Fokus liegt klar auf Komfort und Effizienz. Mit 204 PS und Frontantrieb ist der EV3 kein Sportler, aber flott unterwegs (0-100 km/h in 7,5 s). Das Fahrwerk ist eher weich abgestimmt und bügelt Unebenheiten souverän weg. Die Lenkung ist leichtgängig und präzise, aber wenig kommunikativ.
Kia bietet natürlich verschiedene Fahrmodi und einstellbare Rekuperationsstufen (bis hin zum i-Pedal 3.0 für One-Pedal-Driving). Bemerkenswert ist die Laufruhe. Die E-GMP-Plattform sorgt für eine gute Geräuschdämmung, was den EV3 zu einem entspannten Begleiter macht. Wer Dynamik sucht, ist beim Cupra Born besser aufgehoben. Wer einen komfortablen Allrounder mit viel Platz sucht, wird den EV3 lieben.
Tipp von Alex Wind: Nutzen Sie die V2L-Funktion (Vehicle-to-Load). Wie seine großen Brüder kann auch der EV3 externe Geräte (bis 3,6 kW) über einen Adapter am Ladeport oder eine Steckdose im Innenraum mit Strom versorgen. Ideal für Camping oder als Notstromquelle.
Wie schlägt er sich gegen VW ID.3, Renault Megane & Co.?
Der Kia EV3 greift das Herz des europäischen E-Kompaktsegments an. Sein größter Trumpf ist die Kombination aus Design, Reichweite (Long Range) und Platzangebot.
Merkmal | Kia EV3 Long Range (2025) | VW ID.3 Pro S (77 kWh) | Renault Megane E-Tech (60 kWh) | Volvo EX30 Single Motor Ext. Range |
Plattform | E-GMP (400V) | MEB | CMF-EV | SEA |
Akku (Netto) | 81,4 kWh | 77 kWh | 60 kWh | 64 kWh |
Max. Reichweite (WLTP) | ca. 600 km | 559 km | 450 km | 476 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 128 kW | 170 kW | 130 kW | 153 kW |
Kofferraum | 460 L (+ 25 L Frunk) | 385 L (kein Frunk) | 440 L (kein Frunk) | 318 L (+ 7 L Frunk) |
Platzangebot Fond | Sehr gut | Ausreichend | Ausreichend | Eher knapp |
Preis (geschätzt) | ab ca. 42.000 € | ab 47.595 € | ab 42.000 € | ab 41.790 € |
Die andere Seite der Medaille: Was ist das stärkste Argument GEGEN den EV3?
Das stärkste Gegenargument ist die 400-Volt-Architektur in Kombination mit der sehr großen 81,4 kWh Batterie. Während die Ladeleistung von 128 kW absolut akzeptabel ist, bedeutet die große Batterie schlichtweg, dass man im Vergleich zu einem 800-Volt-Auto (wie dem EV6) länger an der Säule steht, um dieselbe Menge an Kilometern nachzuladen.
Der technische Kompromiss, der den günstigen Preis ermöglicht, kostet Zeit auf der Langstrecke. Wer primär in der Stadt und im Umland fährt und zu Hause lädt, wird dies kaum bemerken. Wer jedoch häufig weite Strecken fährt, muss abwägen, ob die längeren Ladepausen (ca. 10-12 Minuten extra pro Stopp im Vergleich zu 800V) ein akzeptabler Preis für die hohe Reichweite und den voraussichtlich attraktiven Anschaffungspreis sind.




















